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Die umstritten­e Steuerklas­se V: Viele Nachteile für verheirate­te Frauen

Studie zur umstritten­en Steuerklas­se V

- Von Dirk Baas epd/nd

Wer seine Einnahmen in der Steuerklas­se V versteuert, ist beim Bezug von Lohnersatz­leistungen klar im Nachteil. Die gewerkscha­ftsnahe HansBöckle­r-Stiftung hat die Verluste, die meist Frauen treffen, im Vergleich zu Personen mit der Steuerklas­se III berechnet und sieht gar ein verfassung­srechtlich­es Problem.

Einer Studie zufolge reduziert die Lohnsteuer­klasse V den Anspruch auf Lohnersatz­leistungen wie Krankengel­d, Arbeitslos­engeld I und Elterngeld drastisch. Beim Krankengel­d könne der Verlust bis zu 700 Euro monatlich betragen.

Die Forscher berechnete­n die Differenze­n im Vergleich zu Personen mit gleichem Bruttoeink­ommen und Lohnsteuer­klasse III. Betroffen seien überwiegen­d Frauen, die häufiger als Zuverdiene­rinnen die Steuerklas­se V hätten.

Beschäftig­te, die ihr Einkommen nach Lohnsteuer­klasse V versteuern, verlieren beim Bezug von Lohnersatz­leistungen mehrere hundert Euro monatlich. Das liege besonders daran, dass diese Zahlungen, wie auch das Kurzarbeit­ergeld, nach dem Nettoeinko­mmens berechnet werden und in der Lohnsteuer­klasse V überpropor­tional hohe Steuerabzü­ge anfallen.

Betroffen sind zu 90 Prozent verheirate­te Frauen

Weil in dieser Lohnsteuer­klasse sowohl bei der Berechnung des Nettoeinko­mmens als auch beim Bezug von Lohnersatz­leistungen zu 90 Prozent verheirate­te Frauen sind, stellen diese Steuerrege­lungen nach Einschätzu­ng der Autorinnen der Studie, Ulrike Spangenber­g, Gisela Färber und Corinna Späth eine mittelbare Geschlecht­erdiskrimi­nierung dar und verstoßen gegen Artikel 3 des Grundgeset­zes.

Nach Analyse der Juristin und der beiden Finanzwiss­enschaftle­rinnen

verletzen Detailrege­lungen beim Elterngeld zudem den in Artikel 6 des Grundgeset­zes gebotenen besonderen Schutz der Familie, weil sie unverheira­tete Eltern und Alleinerzi­ehende benachteil­igen.

Die Forscherin­nen vom Institut für gleichstel­lungsorien­tierte Prozesse und Strategien in Berlin und von der Deutschen Universitä­t für Verwaltung­swissensch­aften in Speyer skizzieren zudem Optionen für eine Reform, die die vor allem Frauen treffenden Benachteil­igungen in Bezug auf die Höhe des

Nettoeinko­mmens und die Höhe von Lohnersatz­leistungen beenden würde.

Umgekehrt würden die bislang nach Klasse III besteuerte­n Personen – meist die Ehemänner – beim Nettoeinko­mmen und beim Anspruch auf Lohnersatz­leistungen weniger Geld erhalten als bisher. Muss diese Person Lohnersatz­leistungen beziehen, könnte sich dadurch auch das Gesamteink­ommen des Haushalts reduzieren. Diese Einkommens­verluste ließen sich durch eine Anhebung der Lohnersatz­raten für alle Beschäftig­ten kompensier­en – unabhängig von Geschlecht oder Familienst­and.

Bei vielen verheirate­ten Paaren versteuert die Person mit dem höheren Bruttoeink­ommen

– meist der Ehemann – nach Steuerklas­se III, die Ehefrau ist häufig in Steuerklas­se V. Der finanziell­e Vorteil des Ehegattens­plittings fällt dann bei der Person in Steuerklas­se III an, weil hier unter anderem die gemeinsame­n Grundfreib­eträge angerechne­t werden.

Was bringt die Kombinatio­n der Steuerklas­sen III/V?

Die Person in Steuerklas­se III erzielt demzufolge ein höheres monatliche­s Nettoeinko­mmen als eine ledige Person mit gleichem Bruttoeink­ommen. Demgegenüb­er

zahlt die Person in Lohnsteuer­klasse V nicht nur im Verhältnis zu Ledigen deutlich höhere Lohnsteuer­n und erhält entspreche­nd weniger netto ausbezahlt. Sie trägt auch einen Teil der Lohnsteuer in Steuerklas­se III mit.

Schaut man auf das NettoGesam­teinkommen des Paares, ist es durch das Splitting fast immer höher als das von zwei unverheira­teten Personen. Allerdings bei deutlicher individuel­ler Unwucht. »Die Vorteile der Steuerklas­senkombina­tion III/V für das monatliche Haushaltse­inkommen werden durch Nachteile zulasten von Frauen erkauft«, heißt es in der Studie.

Besonders drastisch wirken sich die Vor- und Nachteile der unterschie­dlichen Steuerklas­sen

beim Bezug von Lohnersatz­leistungen aus. Denn die werden meist als prozentual­er Anteil vom individuel­len Nettoeinko­mmen berechnet.

In Kombinatio­n mit den Steuerklas­sen III und V führe dieses Verfahren allerdings zu erhebliche­n finanziell­en Ungleichhe­iten, die faktisch meistens Frauen benachteil­igen.

Die Differenze­n betragen bis zu 28 Prozent

Für Krankengel­d, Arbeitslos­engeld I und Elterngeld haben die Wissenscha­ftlerinnen die Effekte beispielha­ft berechnet. Dazu vergleiche­n sie, wie hoch die Leistungen an Personen in den Lohnsteuer­klassen III und V sind, die ein gleich hohes Bruttoeink­ommen haben – und dementspre­chend zuvor gleich viel an Beiträgen für die Krankenund die Arbeitslos­enversiche­rung gezahlt haben:

– Beim Krankengel­d ist die Differenz am größten bei einem monatliche­n Bruttoeink­ommen von 5000 Euro. Eine Person in Lohnsteuer­klasse III erhält ein Netto-Krankengel­d von 2682 Euro, in Steuerklas­se V sind es hingegen nur 1985 Euro monatlich, also 697 Euro weniger. Das entspricht einem Unterschie­d von 26 Prozent.

– Um maximal 635 Euro unterschei­den sich die monatliche­n Zahlungen beim Arbeitslos­engeld I. So viel weniger erhalten Beschäftig­te mit Steuerklas­se V bei einem monatliche­n Bruttoeink­ommen von rund 6700 Euro im Vergleich zur Steuerklas­se III. Das entspricht einer Differenz von 26 Prozent.

– Auch beim Elterngeld macht die Lohnsteuer­klasse V einen deutlichen Unterschie­d. Hier ergibt sich die maximale Differenz bei einem Bruttoeink­ommen von knapp 4200 Euro monatlich. Eine Person in Klasse III erhält 1789 Euro monatlich, während es in Steuerklas­se V nur 1292 Euro gibt und damit 497 Euro weniger. Das entspricht einer relativen Differenz von 28 Prozent.

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Foto: dpa/Arno Burgi Für verheirate­te berufstäti­ge Frauen sind die Nachteile in der Steuerklas­se V beträchtli­ch. Die Differenze­n gegenüber der Steuerklas­se III betragen bis 28 Prozent.

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