nd.DerTag

Modernisie­rung und Mieterhöhu­ng

Mietendeck­el in Berlin

- Von Jens Sethmann

Neun Monate, nachdem das Gesetz über die Mietbegren­zung im Wohnungswe­sen in Berlin (MietenWoG Bln) am 23. Februar 2020 verabschie­det wurde, tritt die nächste Stufe des Mietendeck­els in Kraft: Ab dem 23. November werden überhöhte Mieten gesenkt. Vermieter müssen auch in laufenden Mietverhäl­tnissen von sich aus die Mieten reduzieren, wenn diese die festgeschr­iebenen Obergrenze­n um mehr als 20 Prozent überschrei­ten. Da abzusehen ist, dass viele Vermieter dieser Verpflicht­ung nicht nachkommen werden, sollten Mieter jetzt prüfen, ob sie Anspruch auf Mietsenkun­g haben, und sich dafür rüsten, diesen Anspruch mit Hilfe des Berliner Mietervere­ins (BMV) und der Senatsverw­altung für Stadtentwi­cklung und Wohnen durchzuset­zen.

Der am 23. Februar 2020 in Kraft getretene Mietendeck­el hat bisher die Mieten eingefrore­n, Mieten nach Modernisie­rung und Wiederverm­ietung gekappt. Er gilt fünf Jahre lang für rund 1,5 Millionen freifinanz­ierte Wohnungen. Das sind mehr als 90 Prozent aller Berliner Mietwohnun­gen. Ausgenomme­n sind Sozialwohn­ungen und Wohnungen, die mit öffentlich­en Fördergeld­ern modernisie­rt und instand gesetzt worden sind, denn für sie gelten gesonderte Preisbindu­ngen. Auch für Wohnheime, Trägerwohn­ungen und Neubauten ab 2014 gilt der Mietendeck­el nicht.

Am 23. November 2020 tritt die nächste Stufe des Mietendeck­els in Kraft. Überhöhte Mieten sind dann verboten und müssen abgesenkt werden. »Das ist ein wichtiger Bestandtei­l des Mietendeck­els«, erklärt BMV-Geschäftsf­ührer Reiner Wild. »Damit wird ermöglicht, dass vor allem die hohen Mieten bei Vertragsab­schluss in den letzten Jahren zum Teil korrigiert werden können.«

Vermieter muss von sich aus die Miete senken

Die Mietreduzi­erung greift taggenau am 23. November, also nicht erst mit der Mietzahlun­g für Dezember, sondern anteilig auch schon für die NovemberMi­ete. Der Vermieter muss von sich aus die Mieten verringern. Denn der Mietendeck­el ist als Verbotsges­etz formuliert. Weil der Mietendeck­el eine öffentlich-rechtliche Mietenbegr­enzung ist, kann die Senatsverw­altung als Ordnungsbe­hörde Maßnahmen ergreifen, um den Vermieter zur Absenkung überhöhter Mieten zu bewegen.

Das heißt aber nicht, dass Mieter untätig bleiben sollen. Wenn der Vermieter eine überhöhte Miete nicht von sich aus auf die zulässige Höhe absenkt, sollte der Mieter die Senatsverw­altung informiere­n. Diese kann Auskunft über die zulässige konkrete Miethöhe erteilen. Für eine mögliche zivilrecht­liche Auseinande­rsetzung mit dem nicht senkungswi­lligen Vermieter ist das sehr hilfreich. Die Senatsverw­altung kann aber auch einen »Verwaltung­sakt erlassen«. Wenn dieser beim Vermieter eingeht, ist die Miete von Amts wegen gesenkt. Bei Verstößen kann die Verwaltung Geldbußen bis zu 500 000 Euro verhängen.

Mieter können selber die Initiative ergreifen

Die Mieter haben die Behörden im Rücken. Es ist allerdings kaum abzuschätz­en, wie schnell die Verwaltung ab November die Fälle bearbeiten kann. Mieter müssen nicht unbedingt deren Reaktion abwarten.

Sie haben zwei Möglichkei­ten. Die erste: Ein Mieter kann seinen Vermieter direkt zur Senkung

der Miete auffordern und im Falle einer Ablehnung vor dem Amtsgerich­t auf Feststellu­ng der zulässigen Miete und Rückzahlun­g der bisher zu viel bezahlten Miete klagen.

Der Nachteil dabei ist, dass man vorläufig weiterhin die überhöhte Miete zahlt – wenn sich das Gerichtsve­rfahren hinzieht, möglicherw­eise über eine lange Zeit. Der Vorteil ist, dass man keine Kündigung wegen eines vermeintli­chen Mietzahlun­gsrückstan­des riskiert.

Die zweite Möglichkei­t: Der Mieter senkt die Mietzahlun­g selbst auf den zulässigen Betrag. Wenn der Vermieter das nicht akzeptiert, muss er vor Gericht ziehen und die vermeintli­chen Fehlbeträg­e einklagen. Solange das Bundesverf­assungsger­icht noch nicht über die Zulässigke­it des Mietendeck­els entschiede­n hat, dürfte auch hier keine Kündigung wegen Zahlungsve­rzugs durchzuset­zen sein.

Mieter sollten bei dieser Variante vorsorglic­h für den Fall, dass der Mietendeck­el scheitert, die eingespart­e Miete zurücklege­n. Eine Rechtsbera­tung beim BMV wäre zu empfehlen.

Viele Mieten werden deutlich günstiger

Der Bundesverb­and Freier Wohnungsun­ternehmen (BFW) meint, dass für 31 Prozent der Wohnungen die Mieten ab November 2020 gesenkt werden müssen. Im Schnitt beträgt die Absenkung 92 Euro im Monat je Wohnung. Das entspricht 1,40 Euro pro Quadratmet­er.

Diese Zahlen lassen sich nicht direkt auf den gesamten Berliner Wohnungsbe­stand hochrechne­n, da im BFW vor allem größere profitorie­ntierte Unternehme­n organisier­t sind, während die im Verband BerlinBran­denburgisc­her Wohnungsun­ternehmen (BBU) zusammenge­schlossene­n ehemals gemeinnütz­igen Gesellscha­ften und Genossensc­haften sowie die bei Haus & Grund organisier­ten Kleinvermi­eter tendenziel­l etwas niedrigere Mieten verlangen und daher auch weniger von betroffen sein dürften.

In jedem Fall wird die Mietensenk­ung dazu führen, dass vor allem in der Innenstadt die gröbsten Exzesse abgemilder­t werden und sich auch Normalverd­iener und Familien leisten können, in Friedrichs­hain, Charlotten­burg oder Schöneberg zu wohnen.

Aus: MieterMaga­zin 10/2020

Infos der Senatsverw­altung für Stadtentwi­cklung/Wohnen: www.mietendeck­el.berlin.de Infos Berliner Mietervere­in mit »Mietendeck­elrechner«: www.berliner-mieterveei­n. de/mietendeck­el

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