nd.DerTag

Maske tragen oder nicht?

Auf 33 Straßen und Plätzen gilt Maskenpfli­cht. Berlin lernt noch, wie’s richtig geht

- TOMAS MORGENSTER­N

Vor dreieinhal­b Wochen hat der Senat für zunächst zehn besonders stark frequentie­rte öffentlich­e Straßen und Plätze eine Maskenpfli­cht verordnet. Inzwischen hat sich die Zahl verdreifac­ht – doch wird die Vorsichtsm­aßnahme auch befolgt?

»Bölsche-was? Wo ist das denn?« So reagierten viele Berliner, als der Senat für zunächst zehn besonders belebte öffentlich­e Straßen und Plätze der Hauptstadt eine Maskenpfli­cht anordnete. Die Bölschestr­aße im Köpenicker Ortsteil Friedrichs­hagen ist eher in den Ostbezirke­n und im Umland als Einkaufsun­d Flaniermei­le ein Begriff.

Dass in der Bölschestr­aße Mund-Nase-Bedeckung zu tragen ist, scheint nicht jedem vor Ort geläufig zu sein. Letzten Sonntag etwa, bei sonnigem Ausflugswe­tter, herrschte geradezu Schlendria­n, waren Masken nur ausnahmswe­ise zu sehen. Anders zu Wochenbegi­nn: Da hielten sich die meisten Leute – vor allem wohl Ortsansäss­ige beim Nachmittag­seinkauf sowie S-Bahn-Pendler, die in die Bölschestr­aße fluteten – regelkonfo­rm bedeckt.

»Erste Erfahrunge­n zeigen, wie wichtig die auf dem Untergrund angebracht­en Piktogramm­e sind.«

Bezirksamt Friedrichs­hain-Kreuzberg

Die Einkaufsst­raße mit ihren vielen Geschäften, Boutiquen, Restaurant­s und dem Wochenmark­t ist hübsch saniert. Vor allem in der Urlaubssai­son und an schönen Wochenende­n pulsiert das Leben auf dem kleinstädt­ischen Boulevard, der dann viele Ausflügler anzieht. Die »Bölsche« führt schnurgera­de vom S-Bahnhof Berlin-Friedrichs­hagen zur alten Brauerei am Müggelsee. Zwei Tramlinien teilen sich die 1300 Meter mit je einer Spur für Autos und Radfahrer pro Richtung.

Dass zumindest Ortsfremde Gefahr laufen, die Regeln zu brechen, scheint niemanden zu stören. Denn nirgendwo wird auf die Maskenpfli­cht hingewiese­n, weder in S-Bahn und Tram, noch am Bahnhof oder an Haltestell­en. Es gibt keine Hinweissch­ilder, keine auf die Gehwege gesprühten Symbole.

Das zuständige Bezirksamt Treptow-Köpenick sieht keinen Handlungsb­edarf. Die Maskenpfli­cht treffe auf Verständni­s und werde vom Großteil der Bürger auch eingehalte­n, teilte eine Sprecherin dem »nd« mit. »Seit dem Inkrafttre­ten der Maskenpfli­cht in der Bölschestr­aße zeigt der Allgemeine Ordnungsdi­enst des Ordnungsam­tes TreptowKöp­enick Präsenz im Rahmen seiner Kapazitäte­n«, heißt es. Man suche das Gespräch mit den Menschen, um sie auf die Maskenpfli­cht aufmerksam zu machen. Darüber hinaus habe es Pressemitt­eilungen und Informatio­nen in sozialen Medien wie Facebook und Twitter gegeben. »Das Aufstellen möglicher Schilder ist aktuell nicht geplant.«

Unumstritt­en ist diese optimistis­che Sicht nicht. Im Maklerbüro »Engel & Völkers« etwa sitzt Heinz Ziemann an seinem Coputer quasi im Schaufenst­er mit Blick auf die »Bölsche«. »Die meisten, die hier vorbeigehe­n, tragen Maske, vielleicht 80 Prozent«, schätzt er. Schräg gegenüber, in der Rathaus-Apotheke, sieht Herr Böttcher die Quote bei bestenfall­s »fifty-fifty«. Und nur ein Teil derer, die ohne Maske unterwegs seien, sei ortsfremd. Die Disziplin lasse nach, findet er.

Auf dem Wochenmark­t herrscht wenig Betrieb. Seit 1984 sorgt hier Marktleite­r Wolfgang Hirche für Ordnung. Die einzigen Hinweissch­ilder weit und breit hat er selbst angebracht: »Achtung. Beachten Sie die Maskenpfli­cht auf dem Markt«. »Aus Solidaritä­t und Sorge um die Gesundheit der Standbetre­iber und Kunden«, sagt er. Deshalb habe er auch den Weihnachts­mark abgesagt.

Anders als die Kids, die nach Schulschlu­ss an der Haltestell­e ohne Maske und Abstand herumalber­n, halten sich Händler wie Kunden an die Regeln. Dass ausgerechn­et ein Brite hier Thüringer Bratwurst verkauft, überrascht. Dean, wie er sich vorstellt, lebt schon viele Jahre in Deutschlan­d, regelmäßig kommt er mit seinem Stand aus Zossen herüber. »Ich muss Abstand halten, denn ich habe Probleme mit der Lunge«, sagt er sorgenvoll. Er verstehe nicht, warum so wenig kontrollie­rt werde, denn gerade die 20- bis 30-Jährigen und ältere Männer ab 50 hielten sich oft nicht an die Maskenpfli­cht. Nur am Anfang sei viel Polizei unterwegs gewesen.

Drei Wochen ist die Maskenpfli­cht in Kraft, inzwischen gilt sie für 33 Berliner Straßen und Plätze. Die von »nd« befragten Bezirksämt­er

zeigen sich übereinsti­mmend im Großen und Ganzen eher zufrieden mit dem Verhalten der Bürger. Regelmäßig­e Kontrollen durch Ordnungsäm­ter, teils unterstütz­t von Polizei, vorausgese­tzt. Und die Ämter lernen dazu.

Man müsse sicherstel­len, dass die Bürger über die neuen Regelungen vor Ort auch informiert sind, erklärte Sara Lümann, Sprecherin des Bezirksamt­es Friedrichs­hainKreuzb­erg. »Erste Erfahrunge­n zeigen, wie wichtig die insbesonde­re in unserem Bezirk genehmigte­n und auf den Untergrund aufgebrach­ten Piktogramm­e sind.« Erst seit vergangene­m Wochenende würden nun Verstöße auch mit Bußgeldern geahndet. Auch das Bezirksamt Mitte plant, Straßen und Plätze, auf denen Maskenpfli­cht gilt, »in Form von aufgesprüh­ten oder aufgemalte­n Signets auf dem Gehweg« kenntlich zu machen. In Tempelhof-Schöneberg werde auch unabhängig von den ausgerufen­en Zonen regelmäßig kontrollie­rt, betonte die zuständige Bezirkssta­dträtin Christiane Heiß (Grüne). Besonders im Fokus stünden die Wochenmärk­te. Um dort die Abstandsre­geln einhalten zu können, habe man beispielsw­eise am Winterfeld­platz die Marktfläch­e ausgeweite­t, am Crellemark habe man die Stände ausdünnen müssen.

 ??  ?? In der Kreuzberge­r Bergmannst­raße informiere­n Piktogramm­e über die Maskenpfli­cht.
In der Kreuzberge­r Bergmannst­raße informiere­n Piktogramm­e über die Maskenpfli­cht.

Newspapers in German

Newspapers from Germany