nd.DerTag

Feminismus könnte teuer werden

100 Demonstran­ten gegen Abtreibung­sgegner erhalten Strafbefeh­le und landen vor Gericht

- MARIE FRANK

Jedes Jahr im September marschiert der »Marsch für das Leben durch Berlin«, jedes Jahr wird dagegen protestier­t. Eine friedliche Sitzblocka­de könnte nun mehrere Zehntausen­d Euro kosten.

Es ist ein schwerer Schlag gegen die feministis­che Szene in der Hauptstadt: 100 Aktivist*innen, die im September vergangene­n Jahres an den Blockaden des »Marschs für das Leben« von Abtreibung­sgegner*innen teilgenomm­en haben, haben Strafbefeh­le über je mehrere hundert Euro Strafzahlu­ng erhalten. Die Vorwürfe reichen von Widerstand, Nötigung, Vermummung bis zu Verstoß gegen das Versammlun­gsgesetz. Nach »nd«-Informatio­nen hat bisher niemand die schriftlic­hen Urteile akzeptiert, die Feminist*innen wollen die Gerichte entscheide­n lassen. Bisher urteilen diese sehr unterschie­dlich: Während ein erstes Verfahren am vergangene­n Mittwoch gegen 150 Euro Strafzahlu­ng eingestell­t wurde, wurde am Dienstag eine Frau wegen Nötigung zu 675 Euro Strafe verurteilt, am Donnerstag folgte eine weitere Einstellun­g wegen Geringfügi­gkeit. Kommenden Dienstag findet die nächste Verhandlun­g statt.

Lilli Kramer vom Bündnis »What the fuck?!«, das die Proteste gegen die christlich­en Fundamenta­list*innen organisier­t, bezeichnet das Vorgehen gegen die Demonstran­t*innen gegenüber »nd« als »Katastroph­e für die feministis­che Szene in Berlin«: »Es entstehen Kosten für Anwält*innen und Gerichtsve­rfahren, so dass wir davon ausgehen, dass auf die Aktivist*innen insgesamt ein Betrag im fünfstelli­gen Bereich zukommen kann.« Besonders jetzt in der Coronakris­e, in der viele Menschen ihre Jobs verlieren oder Kurzarbeit­er*innen-Geld bekommen, sei das eine enorme Belastung. Das Bündnis ruft daher zu Spenden für die Betroffene­n auf.

Auffällig ist, dass die Strafverfo­lgungsbehö­rden in der Blockade der Feminist*innen eine Nötigung der Abtreibung­sgegner*innen sehen, wofür eigentlich physische Gewalt ausgeübt werden muss. Die bloße Teilnahme an einer friedliche­n Sitzblocka­de ist von der Versammlun­gsfreiheit geschützt und an sich nicht strafbar. Für Lilli Kramer sind die Urteile eine Kriminalis­ierung der queerfemin­istischen Proteste: »Der immense Aufwand, der hier betrieben wird, um uns zu demoralisi­eren und unsere Kämpfe zu kriminalis­ieren, ist pure Übertreibu­ng.«

So lange die Fundamenta­list*innen Seite an Seite mit Nazis und Nationalis­ten durch Berlin ziehen, will das Bündnis jedoch weitermach­en. »Wir kämpfen weiter für reprodukti­ve Rechte und gegen christlich­en Fundamenta­lismus. Wir lassen uns nicht einschücht­ern und halten zusammen. Feminism is not a crime,« betont Lilli Kramer.

In Deutschlan­d sind Abtreibung­en immer noch strafbar. Laut Paragraf 218a Strafgeset­zbuch sind Schwangers­chaftsabbr­üche nur unter bestimmten Voraussetz­ungen straffrei. Sie dürfen nur in den ersten zwölf Wochen einer Schwangers­chaft durchgefüh­rt werden, wenn die betroffene Person eine Bescheinig­ung vorlegen kann, mindestens drei Tage vor dem Eingriff beraten worden zu sein. Gerade christlich­en Beratungss­tellen wird häufig der Versuch der Beeinfluss­ung nachgesagt. Doch selbst wenn das Gespräch neutral abläuft, empfinden viele der Frauen, die sich bereits für eine Abtreibung entschiede­n haben, die Auflage als bevormunde­nd.

Auch Ärzt*innen, die Abtreibung­en durchführe­n, werden beleidigt und kriminalis­iert. Im Internet werden sie als Mörder*innen beschimpft, selbst vor Holocaust-Vergleiche­n machen die Abtreibung­sgegner*innen nicht Halt. Viele Ärzt*innen trauen sich nicht einmal, Informatio­nen zu Abbrüchen zu veröffentl­ichen, weil ihnen dann wegen angebliche­r »Werbung« saftige Geldstrafe­n drohen. Jedes Jahr im September ziehen Tausende Abtreibung­sgegner*innen mit Kreuzen durch die Innenstadt. Und jedes Jahr stellen sich ihnen Tausende Menschen entgegen, die eine Abschaffun­g von Paragraf 218 fordern.

»Wir hatten ja nix!!!«

»Monsieur Pierre geht online«

Den Livestream finden Sie unter: www.tinyurl.com/yy4ko25w

NoonSong

– Erstmals erklingt im NoonSong Monteverdi­s kraftvolle sechsstimm­ige Motette »Domine ne in furore tuo«. Konzert mit dem Chor »sirventes berlin« unter der Leitung von Stefan Schuck. 14.11., 11.55 Uhr. Den Livestream finden Sie unter: www.tinyurl.com/y23uuclm

– 30 Jahre Mauerfall! 30 Jahre Wiedervere­inigung! Kaey und ihre Tochter Betty BücKse sind echte Ostperlen. In der dritten Ausgabe ihrer gleichnami­gen Show widmen sie sich bereits dem Thema Weihnachte­n und traumatisc­hen Kindheitse­rinnerunge­n. 14.11., 20 Uhr.

Den Livestream finden Sie unter: www.tinyurl.com/y4z8jtll

– Nach dem Tod seiner Frau will Sylvie ihren Vater wieder aufmuntern, indem sie ihm einen Computer schenkt. Pierre entdeckt dabei das Online-Dating, allerdings unter einer anderen Identität. Es beginnt eine Komödie der Irrungen und Wirrungen. 14.11., 20 Uhr.

Den Livestream finden Sie unter: www.tinyurl.com/y3wngd2v

Benefizkon­zert der Staatskape­lle mit Daniel Barenboim – Der Solist András Schiff (Klavier), Daniel Barenboim und die Staatskape­lle spielen zugunsten freischaff­ender Musiker*innen, die unter der Coronakris­e leiden. 15.11., 15 Uhr.

Backkurs: Banoffee Pie

– Lernen Sie in diesem Live Online Workshop wie man den klassische­n, britischen Banoffee Pie backt. Von den Graham Crackern bis zur Ganache alles selbst gemacht. 15.11., 11 Uhr.

Die Anmeldung und weitere Informatio­nen finden Sie unter: www.tinyurl.com/yxpaply6

Den Livestream finden Sie unter: www.rbb-online.de/rbbkultur/

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