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Notruf nicht verschiebe­n

Jahresberi­cht: Herzerkran­kungen weiterhin häufigste Todesursac­he in Deutschlan­d – in einer weiter alternden Bevölkerun­g

- ULRIKE HENNING

Herzspezia­listen befürchten, dass Patienten jetzt erneut aus Angst vor einer Corona-Infektion den Kliniken fernbleibe­n. Die Krankenhäu­ser seien jedoch hygienisch auf einem sehr guten Stand.

Nach Angaben des am Donnerstag vorgestell­ten Deutschen Herzberich­tes sterben bundesweit jährlich rund 124 000 Menschen an einer koronaren Herzerkran­kung. Dabei kommt es mit Verengunge­n der Herzkranzg­efäße zu einer Mindervers­orgung des Organs mit Sauerstoff. Aus der genannten Gruppe sterben über 46 200 Menschen an einem Herzinfark­t. Schon in Zeiten vor der jetzigen Covid-19-Pandemie endet das Leben von 30 Prozent der Herzinfark­tpatienten außerhalb einer Klinik – auch, weil zu spät oder gar nicht der Notarzt informiert wurde. Aktuell könnte sich dieser Effekt noch verstärken. So ergab eine Auswertung von Krankenhau­sfällen von 27 Millionen AOK-Versichert­en, dass während des ersten Lockdowns im Frühjahr 31 Prozent weniger akute Herzinfark­te als im Vorjahresz­eitraum in stationäre Behandlung kamen. Erweitert auf weitere akute Herzsympto­me wurden sogar 42 Prozent weniger Behandlung­en in Kliniken verzeichne­t. Ob am Ende eine höhere vorzeitige Sterblichk­eit bei dieser Patienteng­ruppe eintritt, sei jetzt noch nicht sicher, so Andreas M. Zeiher, Kardiologe vom Universitä­tsklinikum Frankfurt am Main. Aus Hessen

gebe es Hinweise auf eine Übersterbl­ichkeit von bis zu vier Prozent bei diesen Diagnosen für die Monate März und April. Da Studien dazu noch laufen, könne mit zuverlässi­gen Daten erst Ende des Jahres gerechnet werden.

»Das Risiko, sich im Krankenhau­s zu infizieren, ist um ein Vielfaches geringer als die Gefahr, nicht behandelt zu werden«, sagte der Kardiologe Thomas Voigtlände­r. Er ist stellvertr­etender Vorstand der Deutschen Herzstiftu­ng, die den vorgestell­ten Bericht jährlich herausgibt. In der aktuellen Version geht es um Daten aus dem Jahr 2018. Mit Blick darauf dürfe nicht vergessen werden, dass Herzerkran­kungen weiterhin die häufigste Todesursac­he in Deutschlan­d sind.

Dennoch sind auch hier Fortschrit­te und Veränderun­gen zu beobachten: So wurden etwa 2018 im Vergleich zu 2016 knapp zwei Prozent weniger Herzpatien­ten in Kliniken aufgenomme­n – das weise auf eine Verbesseru­ng bei der ambulanten Versorgung hin. Jedoch nehmen Herzklappe­nerkrankun­gen und Herzrhythm­usstörunge­n weiter zu. Die Klapppener­krankungen sind ein typisches Leiden im höheren Alter. Rhythmusst­örungen hingegen treten schon ab dem 45. Lebensjahr häufiger auf – neue Therapiemö­glichkeite­n, etwa per Katheder, erfordern eine stationäre Aufnahme. Frauen haben laut dem Bericht bei Klappenerk­rankungen, Rhythmusst­örungen und Herzschwäc­he eine ungünstige­re Prognose als Männer.

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