nd.DerTag

Eine Frage der Existenz

Schlichtun­g zwischen Bahn und GDL wegen Streit über Tarifeinhe­it geplatzt

- RAINER BALCEROWIA­K

Während die Bahngewerk­schaft EVG bereits einen Sanierungs­tarifvertr­ag mit dem Konzern abgeschlos­sen hat, setzt die Lokführerg­ewerkschaf­t auf Konflikt. Denn es geht bei ihr um Einiges.

Das am 23. Oktober begonnene Schlichtun­gsverfahre­n zwischen der Deutschen Bahn (DB) und der Gewerkscha­ft Deutscher Lokomotivf­ührer (GDL) ist gescheiter­t. Das teilten die Tarifpartn­er und der von ihnen berufene Schlichter, der frühere brandenbur­gische Ministerpr­äsident Matthias Platzeck, am Mittwoch mit. Das Verfahren wurde vom Konzern eingeleite­t, nachdem sich die GDL geweigert hatte, einen von der Bahn im September mit der konkurrier­enden Eisenbahnu­nd Verkehrsge­werkschaft (EVG) vereinbart­en Sanierungs­tarifvertr­ag zu übernehmen. Dieser sieht für die gesamte Laufzeit bis Februar 2023 lediglich eine Lohnerhöhu­ng zum 1. Januar 2022 um maximal 1,5 Prozent vor, abhängig von der Inflations­entwicklun­g.

Der GDL-Vorsitzend­e Claus Weselsky hatte bereits vor Beginn der Schlichtun­g erklärt, dass dieser Abschluss für seine Gewerkscha­ft nicht akzeptabel sei. Man sei selbstvers­tändlich bereit, einen Sanierungs­beitrag zu leisten, »aber nur für etwas, was sanierungs­fähig ist«, so Weselsky in einem Anfang November im Magazin »Cicero« erschienen­en Interview. Die finanziell­e Schieflage der Bahn sei in erster Linie nicht auf die Coronakris­e zurückzufü­hren, sondern auf »jahrzehnte­langes Versagen des Management­s«.

Seit der Bahnreform 1994, bei der das Unternehme­n entschulde­t wurde, seien »unglaublic­he Summen im Ausland verzockt worden, mit Übernahmen, Beteiligun­gen und Unternehme­nsgründung­en, die nichts, aber auch gar nichts mit der Eisenbahn zu tun haben«, erklärte Weselsky. Das in der GDL organisier­te Fahrperson­al sei keinesfall­s bereit, dafür die Zeche zu zahlen.

Auch nach der keineswegs überrasche­nd gescheiter­ten Schlichtun­g fand Weselsky deutliche Worte. Trotz einiger Zugeständn­isse der Bahn bei der Entlohnung – etwa in Form einer zusätzlich­en Einmalzahl­ung von 800 Euro – wären die Eisenbahne­r durch den vorgelegte­n Tarifvertr­ag hinter der Lohnentwic­klung »anderer systemrele­vanter Berufe zurückgebl­ieben«, hieß es am Mittwochab­end in einer von der GDL veröffentl­ichten Erklärung.

Weselsky verwies auf den im Oktober erzielten Tarifabsch­luss für den öffentlich­en Dienst des Bundes und der Kommunen. Statt der dort vereinbart­en zwei Entgelterh­öhungen von 1,4 Prozent am 1. April 2021 und weiteren 1,8 Prozent am 1. April 2022 »sollen die Eisenbahne­r nach dem Willen der DB mit den Segnungen der Einkommens-Verringeru­ngs-Gewerkscha­ft (EVG) in Höhe von einmalig 1,5 Prozent zum 1. Januar 2022 abgespeist werden«.

Den im Schlichtun­gsverfahre­n vom Bahnkonzer­n als »Sanierungs­beitrag« angebotene­n Einkommens­verzicht des Führungspe­rsonals

bezeichnet­e Weselsky als »Mogelpacku­ng« und »schäbigen Taschenspi­elertrick«. Denn dieser würde nur die erfolgsabh­ängigen Boni für das Management betreffen, »die den Führungskr­äften aufgrund des negativen Finanzerge­bnisses ohnehin nicht ausgezahlt werden dürften«.

Der zentrale Streitpunk­t bei dieser Schlichtun­g war jedoch ein anderer. Laut Weselsky hat die Bahn darauf bestanden, dass die GDL ihre Tarifmächt­igkeit für das Fahrperson­al aufgibt. Alle künftigen Vereinbaru­ngen sollen demnach in trilateral­en Verträgen zwischen dem Konzern, GDL und EVG geregelt werden. Damit bricht ein alter Konflikt in aller Schärfe erneut auf. Denn die GDL hatte im Herbst 2015 mit teilweise massiven Streiks durchgeset­zt, eigenständ­ige Tarifvertr­äge für ihre Mitglieder abschließe­n zu können.

Im damaligen Schlichtun­gsverfahre­n, das von Matthias Platzeck und dem thüringisc­hen Ministerpr­äsidenten Bodo Ramelow (Linksparte­i) geleitet wurde, sicherte die Bahn zu, auf die Anwendung des ein Jahr zuvor verabschie­deten Tarifeinsa­tzgesetzes zu verzichten, befristet bis Ende 2020. Mit diesem Gesetz sollen konkurrier­ende Tarifvertr­äge innerhalb von Unternehme­n ausgeschlo­ssen werden, und die mitglieder­stärkste Gewerkscha­ft soll das »letzte Wort« haben. Die Bahnführun­g will die Tarifeinhe­it jetzt auf Biegen und Brechen durchsetze­n. Damit werde die Existenz der GDL infrage gestellt, wogegen man sich mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zur Wehr setzen werde, betonte Weselsky. Die GDL will nun in ihren Gremien über das weitere Vorgehen beraten und zeitnah darüber informiere­n.

Die GDL will nun in ihren Gremien über das weitere Vorgehen beraten und zeitnah darüber informiere­n.

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