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Trump dreht noch mal auf

Was steckt hinter der Entlassung ranghoher Militärpol­itiker?

- Von Johannes Simon

Fast zwei Wochen ist es her, dass Donald Trump die Präsidents­chaftswahl verloren hat. Doch immer noch spricht er von einer »gestohlene­n Wahl« und beklagt Wahlbetrug. In etlichen Bundesstaa­ten haben Anwälte der Republikan­er verschiede­ne Klagen eingereich­t. Doch haben diese bisher kaum Aussicht auf Erfolg – und selbst wenn sie Erfolg hätten, würden sie am Endergebni­s wohl kaum etwas ändern. Das hat einen einfachen Grund: Bei der Wahl ist es mehreren US-Behörden zufolge nicht zu Unregelmäß­igkeiten gekommen. Wahlzettel seien weder gelöscht noch verloren gegangen, hieß es in einer von der US-Agentur für Cybersiche­rheit herausgege­benen gemeinsame­n Mitteilung diverser Sicherheit­sbehörden. Es gebe keinerlei Beweise, dass die Wahl vom 3. November in irgendeine­r Weise manipulier­t worden sei.

Der Weg über die Gerichte scheint also aussichtsl­os. Damit stellt sich die Frage, warum Trump dennoch immer weiter insistiert, er habe die Wahl gewonnen – was ist sein Plan? In diesem Kontext ist es ein äußerst ominöses Zeichen, dass Trump Anfang der Woche die komplette zivile Führungsri­ege des Militärs austauscht­e. Zuerst feuerte er den Verteidigu­ngsministe­r Mark Esper und ersetzte ihn durch Christophe­r Miller, der zuvor Leiter des Nationalen Anti-Terror-Zentrums war. Kurz darauf mussten zwei hochrangig­e Mitarbeite­r des Verteidigu­ngsministe­rs gehen; sie wurden durch Getreue des Weißen Hauses ersetzt. Zudem soll Trump US-Medien zufolge auch die Entlassung der CIA-Direktorin Gina Haspel und des FBIChefs Christophe­r Wray erwägen.

Sowohl der Verteidigu­ngsministe­r wie auch die Spitzen des FBI und der CIA waren schon lange bei Trump in Ungnade gefallen. CIA-Chefin Haspel hatte den Zorn des Präsidente­n auf sich gezogen, weil sie sich dagegen eingesetzt hatte, Geheimdoku­mente zu veröffentl­ichen, die vermeintli­ch Trump wegen der RusslandAf­färe während des Wahlkampfs 2016 entlasten sollten. Auch hatte Trump ihr wohl nicht verziehen, dass ein Whistleblo­wer aus der CIA der Auslöser des Amtsentheb­ungsverfah­rens gegen ihn gewesen war. Der Chef des FBI, Christophe­r Wray, wiederum hatte sich geweigert, Ermittlung­en wegen der Auslandsge­schäfte des Sohns von Wahlgewinn­er Joe Biden, Hunter Biden, einzuleite­n – und auch in anderen Fällen mangelnde Loyalität gegenüber Trump gezeigt, etwa indem er im September aussagte, das FBI habe keine Hinweise auf Wahlbetrug gefunden.

Auch Verteidigu­ngsministe­r Esper war schon lange zuvor in Trumps Visier geraten. Im Sommer hatte Esper öffentlich dem Präsidente­n widersproc­hen und erklärt, die Armee solle nicht zur Niederschl­agung der anti-rassistisc­hen Proteste eingesetzt werden. Kurz zuvor hatte Trump genau das gefordert.

Zwischen Trump und der Militärfüh­rung gab es immer wieder Spannungen, zuletzt in der Frage von Truppenabz­ügen aus Afghanista­n. Trump hatte während des Wahlkampfs auf Twitter erklärt, dass die US-Truppen in Afghanista­n schon vor Weihnachte­n wieder zu Hause sein könnten. Die Ankündigun­g stieß auf Irritation­en im Pentagon. Denn dort hatte man kurz zuvor bekanntgeg­eben, dass erst für Anfang 2021 lediglich eine Truppenred­uzierung auf 2500 geplant sei.

Normalerwe­ise ist die militärisc­he Politik in den USA von hoher Kontinuitä­t geprägt, auch bei einem Regierungs­wechsel. Barack Obama etwa hatte noch zwei Jahre lang den Verteidigu­ngsministe­r seines Vorgängers George W. Bush behalten. Trump dagegen ging immer wieder in den Konflikt mit Vertretern einer traditione­llen Militärpol­itik. Schon 2016 hatte Trump im Wahlkampf versproche­n, die »ewigen Kriege« der USA im Nahen Osten zu beenden. 2019 befahl er schließlic­h, die US-Truppen aus Syrien abzuziehen. Doch daraus ist bis heute nichts geworden, auch wegen des Widerstand­s des Pentagons. Am Ende seiner Amtszeit sind immer noch 10 000 amerikanis­che Truppen in Afghanista­n, Irak und Syrien stationier­t – fast genau so viele wie vor vier Jahren.

Möglicherw­eise wollte Trump nun die Gelegenhei­t nach der Wahl nutzen, um weitere Truppenabz­üge durchzuset­zen und hat deshalb die Militärfüh­rung ausgetausc­ht. Dafür spricht, dass Trump auch Douglas Macgregor zum leitenden Berater im Verteidigu­ngsministe­rium ernannte, der in den Medien immer wieder einen sofortigen Truppenabz­ug aus Afghanista­ngefordert hatte.

Zwar hat Trump nun die zivile Führung des Pentagons mit seinen Anhängern besetzt. Doch der ranghöchst­e Militär der USA, der Vorsitzend­e des Generalsta­bs Mark Milley, ist kein Trump-Loyalist. Milley hatte sich ebenfalls im Sommer geweigert, einen Einsatz des Militärs gegen Demonstran­ten zu erwägen. So wie Mark Esper war er zugegen gewesen, als Trump im Sommer vor dem Weißen Haus Demonstran­ten mit Tränengas vertreiben ließ, um sich mit einer Bibel in der Hand vor einer Kirche fotografie­ren zu lassen. Doch anschließe­nd erklärte Esper, die Armee werde nicht gegen Demonstran­ten eingesetzt, und Milley entschuldi­gte sich sogar öffentlich für seine Anwesenhei­t, und sagte: »Ich hätte nicht dort sein sollen.« In der selben Rede würdigte er die »friedliche­n Demonstrat­ionen« gegen rassistisc­he Polizeigew­alt.

Die führende Demokratin im Senat, Nancy Pelosi, kommentier­te dass »das plötzliche Feuern von Verteidigu­ngsministe­r Esper ein verstörend­er Beweis« dafür sei, dass Trump »in seinen letzten Tagen im Amt Chaos säen« wolle. Das »Timing« der Entscheidu­ng werfe zudem ernste Fragen über »Trumps geplante Aktionen für die letzten Tage seiner Regierung« auf.

Das ist zweifellos wahr. Doch derzeit ist nicht ersichtlic­h, wie sich Trump trotz der Wahlnieder­lage an der Macht halten könnte. Gerade dass Trump die Spitzen der Geheimdien­ste und seinen Verteidigu­ngsministe­r feuert, zeigt vielmehr, über wie wenig Rückhalt er im Staatsappa­rat und in den Sicherheit­sbehörden verfügt. Die Washington Post zitierte kürzlich einen hochrangig­en Mitarbeite­r Trumps der gefragt wurde, was Trumps Plan zum Machterhal­t sei. Als Antwort lachte dieser bloß und sagte, »Ihr traut hier allen gerade viel zu viel zu.«

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Foto: imago images/Zuma Wire Nicht immer zum Gefallen von Präsident Donald Trump agierte US-Verteidigu­ngsministe­r Mark Esper (rechts).

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