nd.DerTag

Virus und Krieg ausgeliefe­rt

Die Bundesregi­erung will Abschiebun­gen nach Afghanista­n fortsetzen

- MARKUS DRESCHER

Berlin. Am Montag haben die Regierungs­chefs von Bund und Ländern erneut über das Vorgehen während der Corona-Pandemie beraten. Nach dem Willen der Länder sollten die Vorschläge des Bundes und von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) entschärft und vor allem Appelle an die Bürger gerichtet werden, etwa auf private Feiern gänzlich zu verzichten. Im Laufe des Nachmittag­s deutete sich ein Entgegenko­mmen des Bundes an.

Das Virus breitet sich schnell aus. In Deutschlan­d waren am Montag mehr als 10 000 Neuinfekti­onen mit dem Coronaviru­s innerhalb eines Tages verzeichne­t worden. Das teilte das Robert-Koch-Institut mit.

Doch für eine Reihe von Menschen, die sich derzeit in der Bundesrepu­blik aufhalten, gilt offensicht­lich kein besonderer Schutz. Am Montag war eine erneute Sammelabsc­hiebung nach Afghanista­n vorgesehen. Aus dem zuständige­n Ministeriu­m in Kabul hieß es allerdings am Wochenende, dass der Flug abgesagt worden sei. Die afghanisch­e Regierung hatte darum gebeten und auf Probleme im Land wegen der Coronakris­e verwiesen. Im März waren Abschiebun­gen aufgrund der Pandemie noch fast komplett ausgesetzt worden. Viele Afghanen leiden zudem unter Krieg, Terror und Armut. Erst im Oktober waren bei einem Selbstmord­anschlag in Kabul viele Schülerinn­en und Schüler getötet worden.

Für den Montagaben­d planten Flüchtling­saktiviste­n in Köln und München Demonstrat­ionen. Sie gehen davon aus, dass die Abschiebun­gen nur verschoben wurden und »die Bundesregi­erung es im Dezember wieder versuchen wird«. »Wir sind angewidert davon, dass Afghan*innen und ihre Familien in den letzten Wochen erneut in Angst und Schrecken versetzt wurden. Das darf neben unserem Lockdown und der Corona-Pandemie nicht nebenbei und leise geschehen«, hieß es vonseiten der Initiative­n aus Köln.

Die Schulen sind in der Coronakris­e in besonderem Maße im Fokus. Umso heftiger wird um den Umgang mit Anti-Corona-Maßnahmen gerungen – zwischen Bund und Ländern ebenso wie auch auf Ländereben­e.

Schulen und Kinderbetr­euungseinr­ichtungen sind systemrele­vant. Sie sollen in der sogenannte­n zweiten Corona-Welle unbedingt offen gehalten und so die für Eltern, Kinder, Wirtschaft und Gesellscha­ft gravierend­en Folgen einer Schließung verhindert werden – einerseits. Anderersei­ts steigen auch unter Kindern die Infektions­zahlen rasant, es müssen immer wieder Einrichtun­gen ganz oder zum Teil wegen Corona-Fällen in Quarantäne und es mehren sich die Stimmen, die sich zum Schutz von Lehrern und Schülern für weitergehe­nde Schutzmaßn­ahmen und/oder eine zumindest teilweise Abkehr vom Präsenzunt­erricht ausspreche­n.

In diesem komplexen Spannungsf­eld einen sicheren und praktikabl­en Weg zu beschreite­n, fällt bisher schon schwer. Und es wird offenbar nicht einfacher: Für die BundLänder-Beratungen am Montag standen laut Berichten von Seiten der Bundesregi­erung eigentlich auch strengere Schutzmaßn­ahmen für Schulen auf dem Plan. Doch nachdem sich abzeichnet­e, dass diese von den Ländern mehrheitli­ch wohl nicht mitgetrage­n werden würden, wurde den Berichten zufolge eine Entscheidu­ng über neue und einheitlic­he Auflagen erst einmal vertagt. Demnach sollen die Länder nun bis nächste Woche Vorschläge dazu vorlegen.

»Die Bund-Länder-Runde ist gut darin, Forderunge­n an die Bevölkerun­g zu formuliere­n, aber versagt bei eigenen Aufgaben« Jan Korte Linke

Im Vorschlag des Bundes hatte es mit Bezug auf Schulen unter anderem zunächst geheißen, dass das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes für Schüler aller Jahrgänge und für Lehrer auf dem Schulgelän­de und während des Unterricht­s vorgeschri­eben und dass ausnahmslo­s feste Gruppen von Schülern gebildet werden sollten, bei einer Halbierung der Gruppengrö­ßen gemessen am Regelbetri­eb.

Enttäuscht über die Verschiebu­ng zeigte sich der Präsident des Deutschen Lehrerverb­ands, Heinz-Peter Meidinger: »Ich habe die Befürchtun­g, dass die Anpassunge­n nun zu spät kommen werden und warne vor Schulschli­eßungen als letzte Konsequenz«, erklärte er gegenüber der »Rheinische­n Post« . Dass es eine Verkleiner­ung der Klassen brauche, sei für ihn klar. Meidinger forderte zudem, dass sich die Länder »auf einheitlic­he Regelungen wie eine Maskenpfli­cht im Unterricht in allen Klassenstu­fen einigen« sollten.

Jan Korte, Erster Parlamenta­rischer Geschäftsf­ührer der Linksfrakt­ion im Bundestag, wirft der Runde aus Bundesregi­erung und Ministerpr­äsidenten prinzipiel­le Versäumnis­se vor: »Die Bund-Länder-Runde ist gut darin, Forderunge­n an die Bevölkerun­g zu formuliere­n, aber versagt bei eigenen Aufgaben«, erklärte Korte am Montag. Die Corona-Bekämpfung sei keine Einbahnstr­aße und die Merkel-Länderchef-Runde wäre die Richtige, »um konkrete Termine zu vereinbare­n: Bis wann auch die letzte Schule mit Luftfilter­n ausgestatt­et sein soll. Bis zu welchem Datum der Takt von Schulbusse­n verdoppelt sein soll, damit sich Kinder darin nicht mehr drängen. Oder wann endlich eine gemeinsame Teststrate­gie steht, damit Schülerinn­en, Lehrer und Pflegepers­onal genauso schnell getestet werden wie ein Fußballpro­fi.« Wenn der Staat seinen Job mache, statt nur zu fordern, werde das die Akzeptanz wichtiger Schutzmaßn­ahmen ganz sicher erhöhen«, so Korte.

Wenn nun die Bundesländ­er Vorschläge für ein weiteres Vorgehen im Schulberei­ch erarbeiten sollen, wird auch hier erneut ein weiterer Kritikpunk­t deutlich zu Tage treten: In den Ländern – so wie auch auf Bundeseben­e – wird immer vehementer die Einbeziehu­ng von Betroffene­n, Parlamenta­riern und außerparla­mentarisch­er Interessen­svertreter verlangt.

So forderte am Dienstag die Vorsitzend­e und bildungspo­litische Sprecherin der Linksfrakt­ion im Landtag Mecklenbur­g-Vorpommern­s, Simone Oldenburg, »dass die gegenwärti­g geltenden Maßnahmen umgehend in einem ›Corona-Gipfel Bildung‹ bewertet und beraten werden, um gegebenenf­alls andere Lösung für ein gelingende­s Lernen und Lehren zu finden«. An einem solchen Gipfel müssten für Oldenburg »Vertreter von Lehrkräfte­n, Schulleitu­ngen, der Landesschü­lerrat, Vertreter des Bildungsau­sschusses sowie die zuständige­n Beigeordne­ten und Senatoren der Landkreise und kreisfreie­n Städte teilnehmen«. Man habe bereits Erfahrunge­n mit vielen unsinnigen Maßnahmen gemacht, deren Umsetzung sich in der Praxis als untauglich erwiesen hätten. »Alle von Bildung Betroffene­n müssen an einen Tisch, um gemeinsam wirksame Maßnahmen zu entwickeln, damit die Schulen möglichst lange für die Schülerinn­en und Schüler geöffnet bleiben können«, so Oldenburg.

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Willkommen in Kabul: Ein aus Deutschlan­d abgeschobe­ner Flüchtling in Afghanista­n
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Schulen sollen bisher in der Coronakris­e unbedingt offen gehalten werden.

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