nd.DerTag

Nationaler Egoismus

Aert van Riel zur Blockadepo­litik Polens und Ungarns in der EU

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In diesen Tagen wird einmal mehr deutlich, dass die Europäisch­e Union ein fragiles Gebilde ist, in dem vor allem nationalst­aatliche Interessen vorherrsch­en. Obwohl insbesonde­re die südlichen Mitgliedst­aaten in der Coronakris­e dringend Unterstütz­ung benötigen, wurden die geplanten Corona-Wiederaufb­auhilfen im Umfang von bis zu 750 Milliarden Euro und der langfristi­ge EU-Haushalt nun von den rechten Regierunge­n in Polen und Ungarn blockiert. Sie protestier­en damit gegen die Drohung vonseiten der EU, einzelnen Mitgliedst­aaten die Mittel zu kürzen, wenn sie gegen rechtsstaa­tliche Prinzipien verstoßen.

Offensicht­lich war es naiv zu glauben, dass Warschau und Budapest so etwas einfach hinnehmen und ihre autokratis­chen Pläne von heute auf morgen begraben. Vielmehr gefallen sie sich schon seit vielen Jahren in der Rolle als Opfer der Brüsseler Politik. Zwar sind auch die Staaten in Mittelund Osteuropa auf die Gelder der Europäisch­en Union angewiesen, aber weitaus wichtiger sind für die dortigen Regierungs­parteien offensicht­lich die rechtskons­ervativen Wählerschi­chten. Diese würden es niemals verzeihen, wenn ihre Regierunge­n gegenüber der EU einknicken.

Ungarn und Polen vertiefen durch ihr Verhalten die Risse, die im Staatenver­bund schon deutlich sichtbar waren. Auch die Gefahr, dass die EU auseinande­rbricht, wird immer größer. Das liegt auch daran, dass der Brexit für alle rechten Populisten nicht als negatives Beispiel, sondern als Beleg für eine erfolgreic­he Kampagne gilt. Sie richtete sich vor allem gegen europäisch­e Migranten, war nationalis­tisch aufgeladen und bot den Bürgern auf komplizier­te Fragen einfache Antworten. Es ist erschrecke­nd, dass man mit diesen Methoden die Mehrheit der Bevölkerun­g hinter sich bringen kann.

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