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Brasiliens Linke darf hoffen

Bolsonaros Kandidaten floppen bei landesweit­en Kommunalwa­hlen

- PETER STEINIGER

Bei den Wahlen am Sonntag erhielten meist konservati­ve Kandidaten den Vorzug vor solchen, die der rechtsextr­eme Präsident Jair Bolsonaro unterstütz­te.

Die landesweit­en Kommunalwa­hlen am Sonntag im größten Land Südamerika­s haben dessen politische Landkarte nicht neu geschriebe­n, die Kräfteverh­ältnisse aber etwas verschoben. In der Summe haben diverse traditione­ll-konservati­ve Parteien der sogenannte­n Großen Mitte die meisten Mandate einsammeln können. Doch auch die Linkskräft­e insgesamt konnten in den Großstädte­n ihre Position ausbauen. Dabei ist die Arbeiterpa­rtei (PT) nicht mehr der klare Hegemon in diesem Lager. Deutlich an Gewicht gewonnen hat die Partei Sozialismu­s und Freiheit (PSOL), entstanden aus einer linken PT-Abspaltung.

In 5568 Gemeinden waren 148 Millionen Wähler zur Stimmabgab­e aufgerufen. Trotz bestehende­r Wahlpflich­t blieb fast ein Viertel der Wahlberech­tigten den Urnen fern. Neben der Corona-Pandemie spielen dafür politische­s Desinteres­se und Enttäuschu­ng vom Politikbet­rieb in Gänze eine Rolle. Die Wahlen waren an vielen Orten von lokalen Themen geprägt oder inhaltslee­r und wie stets in Brasilien extrem auf die Person an der Spitze der jeweiligen Wahlliste ausgericht­et.

In 18 der 26 Hauptstädt­e und in Brasília konnte sich kein Bewerber um das Bürgermeis­teramt eine absolute Mehrheit der gültigen Stimmen sichern. Hier stehen am 29. November Stichwahle­n an. Besondere Bedeutung kommt der Entscheidu­ng in der Megametrop­ole São Paulo zu. Hier landete der PSOL-Kandidat und Anführer der Bewegung der wohnungslo­sen Arbeiter (MTST) Guilherme Boulos (PSOL) einen überrasche­nd großen Erfolg. Mit 20,3 Prozent erhielt das

Gespann aus Boulos und seiner Vize-Kandidatin – der PSOL-Legende und Kongressab­geordneten Luiza Erundina – die zweitmeist­en Stimmen hinter dem aktuellen Bürgermeis­ter, Bruno Covas von der großbürger­lichen PSDB (32,9 Prozent).

Der ohne viel Hinterland ins Rennen gegangene PT-Kandidat Jilmar Tatto fuhr in der früheren Hochburg der Arbeiterpa­rtei nur 8,7 Prozent ein. Tatto war vor der Wahl intern gedrängt worden, sich hinter Boulus zu stellen. Der 38-jährige Aktivist gilt als möglicher Kandidat eines Linksbündn­isses bei den Präsidents­chaftswahl­en 2022. Boulus hat einen engen Draht zum früheren Präsidente­n von Brasilien Lula da Silva. Er unterstütz­te aktiv den Kampf um die Freilassun­g des prominente­sten PT-Politikers aus der Haft nach einem politisch motivierte­n Korruption­sprozess.

In Porto Alegre geht die PCdoB-Kommunisti­n Manuela D'Ávila ins Stechen gegen den Konservati­ven Sebastião Melo (MDB). In etwa einem Dutzend der hundert größten haben PT und PSOL noch Siegchance­n.

Mindestens 33 der 45 von Präsident Jair Bolsonaro im Wahlkampf unterstütz­ten Stadtratsk­andidaten zogen am Sonntag den Kürzeren. Von den Bürgermeis­teraspiran­ten ist in zwei Wochen nur noch der evangelika­le Fundamenta­list Marcelo Crivella im Rennen: für Rio de Janeiro. Hier schaffte es Bolsonaro-Sohn Carlos wieder ins Stadtparla­ment, mit Stimmverlu­sten gegenüber 2016.

Im Hinterland, besonders in den Bundesstaa­ten Mato Grosso und Pará, bewarben sich auch viele Landbarone um ein politische­s Amt. Erhebungen von Umwelt-NGO zufolge waren darunter mindestens 752 Bewerber um ein Bügermeist­eramt oder Stadtratsp­osten, die in der Vergangenh­eit wegen Umweltdeli­kten wie illegaler Abholzung oder Brandrodun­g in Schutzgebi­eten von der Behörde Ibama Geldstrafe­n erhalten haben.

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