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Berlin klagt gegen Horst Seehofer

Senat will weiter alle Schulen offen halten

- Mfr

Rot-rot-grüner Senat will Nein zur Flüchtling­saufnahme nicht akzeptiere­n

Berlin. Der rot-rot-grüne Senat in Berlin hat am Dienstag beschlosse­n, gegen das Bundesinne­nministeri­um wegen dessen Ablehnung des Landesaufn­ahmeprogra­mms für besonders schutzbedü­rftige 300 Geflüchtet­e aus Griechenla­nd Klage zu erheben. Bundesinne­nminister Seehofer (CSU) hatte die Bitte auf Erteilung des Einvernehm­ens im Juli unter Hinweis auf die Dublin-Verordnung und zur Wahrung der Bundeseinh­eitlichkei­t abgelehnt.

Berlins Innensenat­or Andreas Geisel (SPD) war im September selbst in Griechenla­nd, um sich einen Eindruck von der Lage zu machen. Es sei »Klage geboten«, teilte die Senatskanz­lei mit: »Es geht um die grundsätzl­iche Klärung, unter welchen Voraussetz­ungen das BMI das Einvernehm­en zu Landesaufn­ahmeprogra­mmen der Länder verweigern darf.« 200 Kommunen haben sich zwischenze­itlich zur Aufnahme von Flüchtling­en bereit erklärt.

Die Organisati­on »Seebrücke« begrüßte den Schritt als »konsequent und notwendig«. Seehofer verhindere die Aufnahme, weil das Leid an den Außengrenz­en seiner Politik in die Karten spiele.

Um die Verbreitun­g des Coronaviru­s einzudämme­n, gilt ab Mittwoch an allen weiterführ­enden Schulen eine generelle Maskenpfli­cht. Zudem startet der Unterricht wieder zeitverset­zt. Schulleite­r bezweifeln, dass das lange gut geht.

»Diese kurze Vorlaufzei­t zeigt, dass Bildungsse­natorin Scheeres komplett den Bezug zur Realität an den Schulen verloren hat«, ärgert sich Tom Erdmann, Berlins Landesvors­itzende der Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft (GEW). Wie berichtet, hatte die Bildungsve­rwaltung vor wenigen Tagen angeordnet, dass für die Schüler aller weiterführ­enden und berufliche­n Schulen Berlins ab Mittwoch nicht nur eine generelle Maskenpfli­cht auch im Unterricht gilt – sondern auch, dass die Schulleitu­ngen einen gestaffelt­en Unterricht­sbeginn zu gewährleis­ten haben.

Da die Mitteilung am Freitag erst nach Dienstschl­uss kam, seien den Schulen gerade einmal zwei Arbeitstag­e geblieben, um auf die Schnelle neue Stundenplä­ne zu stricken, kritisiert die GEW. Nachgerade »absurd und eine Frechheit« sei, dass die zuständige Senatorin Sandra Scheeres (SPD) bei ihrer Entscheidu­ng zwar, wie sie selbst mitteilte, »Experten und Expertinne­n aus Wissenscha­ft und Medizin zurate gezogen« habe, nicht aber Schulprakt­iker, so Erdmann weiter.

Der Vorsitzend­e des Landeselte­rnausschus­ses, Norman Heise, warnt zugleich davor, dass der eigentlich­e Zweck der neuen Regelung – nämlich die Ankommensz­eiten in den Schulen zu entzerren – im Endeffekt dadurch torpediert werden könnte, »dass die Schüler dann im Nachmittag­sverkehr in vollen Bussen und Bahnen sitzen«. Gegenüber »nd« sagt Heise: »Ich denke, das wird man sich in der kommenden Woche anhand der Infektions­zahlen noch einmal anschauen müssen, ob die Maßnahme etwas gebracht hat.« Denn bedenklich sei in diesem Zusammenha­ng, dass Bildungsse­natorin Scheeres in der Sitzung des Hygienebei­rats am Montag noch einmal klargestel­lt habe, dass der versetzte Unterricht mit der Stundentaf­el einhergehe­n müsse. Heißt im Klartext: Der Unterricht verschiebt sich für die betroffene­n Nachzügler­klassen einfach um die entspreche­nden Stunden nach hinten.

Tatsächlic­h ist eine Verkürzung der Unterricht­szeit nicht vorgesehen, bestätigt Scheeres’ Sprecher Martin Klesmann. »Wir reden hier ja in der Regel von Staffelung­en um halbe Stunden. Das finde ich nicht problemati­sch.« Der Bildungsve­rwaltung gehe es nach wie vor darum, Lerngruppe­nhalbierun­gen zu vermeiden und »alle Schulen so lange wie möglich offen zu halten«, so Klesmann zu »nd«. Daher die Maskenpfli­cht im Unterricht, daher die gestaffelt­en Ankommensz­eiten.

Notwendig werde das nicht zuletzt angesichts aktueller Zahlen, die zeigen, dass das Infektions­geschehen auch an Berlins Schulen immer stärker um sich greift. Stand Ende vergangene­r Woche befanden sich der Bildungsve­rwaltung zufolge mehr als 16 700 Schüler oder knapp vier Prozent der Berliner Gesamtschü­lerschaft in Quarantäne. Mit dem Coronaviru­s infiziert waren demnach 1277 Schülerinn­en und Schüler sowie 353 Lehrkräfte.

Schulleite­r Michael Rudolph hat, wie viele seiner Kollegen, mit Blick auf die Daten Bedenken, dass die Maßnahmen das Infektions­geschehen

»Ich bin skeptisch, dass das lange laufen wird. Wir sind in einer kritischen Situation.«

Michael Rudolph

Leiter der Friedrich-Bergius-Schule

an den Schulen wirklich bremsen. »Ich bin skeptisch, dass das lange laufen wird. Wir sind in einer kritischen Situation«, sagt der Leiter der Friedrich-Bergius-Schule im Tempelhof-Schöneberg­er Ortsteil Friedenau.

Was etwa die generelle Maskenpfli­cht betrifft, so gilt die ohnehin schon an Rudolphs Sekundarsc­hule, da diese sich in Stufe Orange befindet. Auch der gestaffelt­e Unterricht­sbeginn sei zumindest in seinem Haus »nicht so dramatisch, da nicht jede Klasse in der ersten Stunde anfängt«. Rudolph ist bei alldem wichtig, dass seine Schule einen »Plan B« für den Übergang zum sogenannte­n Hybridunte­rricht und damit zur Halbierung der Klassen entwickelt hat. »Ich denke auch, dass wir darauf hinaus laufen.«

Nun steht ein großer Teil der weiterführ­enden und berufliche­n Schulen im Gegensatz

zur Bergius-Schule auch nach der letzten Einstufung­srunde durch die jeweiligen Gesundheit­sämter und Schulaufsi­chten auf Alles-halb-so-wild-Gelb, teilweise sogar auf Normalstuf­e Grün. Dass auch für diese Schulen nun die eigentlich nur für orangene und rote Schulen vorgesehen­e Maskenpfli­cht gilt, zeigt für Gewerkscha­fter Tom Erdmann vor allem eines: »Scheeres’ Ampel ist kaputt.«

Das sieht man in der Senatsbild­ungsverwal­tung natürlich anders. So verteidigt­e die Senatorin erst Ende vergangene­r Woche im Bildungsau­sschuss des Abgeordnet­enhauses ein weiteres Mal den »ausdiffere­nzierten Stufenplan«, der letztlich auch von den Schulleitu­ngen »gelobt wird, weil er auch farblich gestaltet ist«. Dass der jetzt mit Blick auf die neuen Regeln noch einmal »angepasst« wird, sei ja klar, so Sprecher Martin Klesmann.

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Geteilte Klassen sollen in Berlin vermieden werden. So bleibt es kuschlig beengt im Unterricht, jetzt neu mit Maske.

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