nd.DerTag

Fehlende Sicherheit im Internet

Kinder und Jugendlich­e brauchen Schutz vor digitalem Missbrauch

- ULRIKE WAGENER

Der Europarat schätzt, dass in Europa jedes fünfte Kind Opfer einer Form von sexueller Gewalt wird. Dies kann sowohl analog als auch digital passieren. Der diesjährig­e Europäisch­e Tag zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch nimmt daher das »riskante Verhalten seitens der Kinder« in den Blick, gemeint ist damit die Herstellun­g und Verbreitun­g von sexuellen Bildern und Videos.

Heinz-Jürgen Voß, Professor für Sexualwiss­enschaft und Sexuelle Bildung an der Hochschule Merseburg, zeigt sich mit der Bezeichnun­g des Tages unzufriede­n. Er sagt: »Prävention setzt bei Erwachsene­n an. Die haben die Verantwort­ung, dass bildliche Darstellun­gen der Kinder nicht von unberechti­gten Personen genutzt werden können, und die Kinder vor sexualisie­rter Gewalt zu schützen.«

Sexualisie­rte Gewalt im Internet kann etwa bedeuten, dass bildliche Darstellun­gen von Kindern- und Jugendlich­en ohne deren Zustimmung geteilt und verbreitet werden. Die europäisch­e Polizeibeh­örde Europol verzeichne­te einen erhebliche­n Anstieg solcher Straftaten im Lockdown zu Beginn der Pandemie. Es kann aber auch bedeuten, dass Erwachsene über das Internet gezielt Nähe zu Kindern und Jugendlich­en aufbauen, um eine sexuelle Missbrauch­ssituation – im analogen Bereich – herbeizufü­hren; das nennt sich Cybergroom­ing. In der noch unveröffen­tlichten Partner-5-Studie der Hochschule Merseburg gab rund die Hälfte der weiblichen und diversen Befragten an, sexuelle Belästigun­g und Gewalt im Internet erlebt zu haben; bei den männlichen Befragten waren es 14 Prozent. Allerdings betont Voß, dass diese Gruppe deutlich häufiger von der Erpressung mit expliziten Bildern und Videos berichtete.

Aber: »Das Internet bietet große Chancen – Möglichkei­ten, sich zu informiere­n und Unterstütz­ung zu finden,« so Voß. Ein entscheide­nder Faktor der Prävention sei es, eine entspreche­nde Medienkomp­etenz zu vermitteln. Kinder und Jugendlich­e müssten wissen, was passieren kann, etwa wenn sie (sexuelle) Bilder und Videos untereinan­der austausche­n. Wie kann das sicher geschehen? Dafür müssen auch Fachkräfte geschult werden, damit sie wissen, dass sexualisie­rte Übergriffe im Internet stattfinde­n können, und wie sie Kinder und Jugendlich­e davor schützen können.

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