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Nicht hü und nicht hott

Bund und Länder ringen weiter um eine neue Corona-Strategie

- STEFAN OTTO

Die Reaktionen auf die Verschiebu­ng neuer Corona-Beschlüsse fallen unterschie­dlich aus: Während die Kanzlerin schnell auf neue Regeln dringt, wollen die Länder behutsamer vorgehen.

Das Treffen von Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) mit den Ministerpr­äsidenten am Montag blieb weitgehend ergebnislo­s. Der Bund hatte auf eine Reihe von weiteren Einschränk­ungen gedrängt, konnte sich damit aber wie so oft in der Coronakris­e nicht durchsetze­n. Herausgeko­mmen waren lediglich eindringli­che Appelle, die privaten Kontakte weiter einzuschrä­nken, aber keine neuen bindenden Beschlüsse.

Wie angespannt die Gespräche auf dem Treffen waren, das zeigte sich auch noch in den Reaktionen am Dienstag. Die Kanzlerin sagte auf einer Konferenz der »Süddeutsch­en Zeitung«, sie bedauere, dass die Entscheidu­ngen in der Coronakris­e zu langsam getroffen würden. »Wenn man früher agiert, kann man schneller auch wieder rausgehen aus den Beschränku­ngen.« Künftig müsse deshalb bereits gehandelt werden, sobald sich ein exponentie­lles Wachstum der Infektions­zahlen ankündige – auch wenn die Intensivst­ationen noch nicht so stark belastet seien. Am Ende koste das auch weniger Geld. »Ich werde weiter der ungeduldig­e Teil in dieser Sache sein«, versichert­e die Kanzlerin.

Manuela Schwesig, Ministerpr­äsidentin von Mecklenbur­g-Vorpommern, verteidigt­e dagegen den Aufschub weiter Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Infektione­n. »Wir haben vor 14 Tagen den privaten Bereich stark eingeschrä­nkt«, sagte die SPDPolitik­erin im ZDF-Morgenmaga­zin. »Man kann nicht im Wochenrhyt­hmus die Schrauben anziehen.« Von Anfang an habe man gesagt, dass das Treffen nur eine Zwischenbi­lanz sein solle. Erst am kommenden Montag sollen weitere Maßnahmen vereinbart werden – sofern die Zahl der Infizierte­n und schwer Erkrankten bis dahin nicht stark gesunken ist. Schwesig erhofft sich dann ein Gesamtkonz­ept für Dezember und Januar.

Auch Brandenbur­gs Ministerpr­äsident Dietmar Woidke (SPD) gehört zu jenen, die ein bedächtige­s Vorgehen befürworte­n und eine Vertagung weiterer Einschränk­ungen begrüßen. Man müsse erst einmal wissen, was die Maßnahmen von vor zwei Wochen gebracht haben, sage er im RBB-Inforadio. Ähnlich äußerten sich Vertreter von Kommunalve­rbänden: Der Hauptgesch­äftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebu­ndes, Gerd Landsberg, sowie der Präsident des Deutschen Landkreist­ags, Reinhard Sager, halten es für sinnvoll, zunächst die Wirkung der Einschränk­ungen von Anfang November auszuwerte­n und das weitere Vorgehen davon abhängig zu machen. Sager betonte zudem, es sei gut, dass keine Einschränk­ungen des Schulbetri­ebs beschlosse­n worden seien.

Das sieht die Bildungsge­werkschaft GEW anders. Deren Vorsitzend­e Marlis Tepe sagte den Zeitungen des Redaktions­netzwerks Deutschlan­d, es sei unverständ­lich und »sachlich nicht begründet, warum sich die Länder gegen Wechselunt­erricht wehren, der für die Schülerinn­en und Schüler ab der Sekundarst­ufe I gut umzusetzen ist«.

Die Grünen-Fraktionsc­hefin Katrin Göring-Eckardt nutzte indes das weitgehend ergebnislo­se Treffen für einen Rundumschl­ag. »Die Lage in der Corona-Pandemie ist viel zu ernst, als dass sich Bund und Länder dieses Prinzip Chaos weiter leisten können«, sagte sie der »Rheinische­n Post«. »Es darf nicht sein, dass die Bundesregi­erung im Vorfeld einer Ministerpr­äsidentenk­onferenz massenweis­e Einzelford­erungen erhebt, die die Bürgerinne­n und Bürger verunsiche­rn, und am Ende gar nichts davon beschlosse­n wird«, so die Grünen-Politikeri­n. So untergrabe man das Vertrauen in die Maßnahmen, die bereits bestehen und die vielleicht noch kommen werden. Die Leute hätten nach Monaten Pandemie das Recht darauf, zu wissen, warum man etwas anordne.

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