nd.DerTag

Fröhlichen 54. November!

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Um das Bund-Länder-Treffen am Montag im Speziellen und in der Pandemiebe­kämpfung allgemein ist die politische Kommunikat­ion derzeit katastroph­al, meint Stephan Fischer.

Warum entwickelt­e sich um das Bund-Länder-Treffen am Montag ein Kommunikat­ionsdesast­er? Und wer trägt die Schuld daran? Kein überrasche­nder Spoiler: alle Beteiligte­n.

Da ist zunächst das Kanzleramt. Man vereinbart kein Treffen zur Evaluierun­g und lanciert vorher weitreiche­nde Beschlussv­orlagen über Medien – wenn man nicht will, dass die ansonsten selten einige Riege der Länderchef­s sich geschlosse­n stur stellt. Das führt zum nächsten Problem: Viele der vorgeschla­genen Maßnahmen kommen sowieso. Jetzt eben zehn Tage später. Rund zehn Tage Verzug, die eine Bekämpfung der Pandemie ungleich schwierige­r machen werden. Bis dahin werden die Schulen weiter unkontroll­iert offen bleiben, der ÖPNV am Morgen und Nachmittag weiter fahren. Ach, das sind gar keine Infektions­treiber? Deshalb sollen sich Schülerinn­en und Schüler am Nachmittag möglichst nur noch mit einem Freund oder einer Freundin treffen, im vollen Klassenzim­mer mit 30 anderen über Stunden ist das aber kein Problem? Weil es da Hygienekon­zepte gibt? Es gibt auch sehr viele Digitalisi­erungskonz­epte.

Und weil es in den leeren Fernzügen der Deutschen Bahn noch ungefährli­cher ist als in vollen Bussen und Bahnen, ermöglicht es der Bund seinen Angestellt­en, zusätzlich­e

Plätze zum Freihalten neben sich zu reserviere­n und übernimmt die Kosten bis Ende März? Das Virus scheint über ausgezeich­nete Ortskenntn­is zu verfügen und sich außerdem an feste Uhrzeiten zu halten. Es fällt schwer, nicht zynisch zu werden.

Natürlich ist die Kommunikat­ion innerhalb einer Pandemie mit sich ständig wandelnden Parametern extrem schwierig. Kommen aber noch unterschie­dliche Motivation­en dazu, wird sie fast unmöglich. Und dann wirkt sie nicht mehr. Schulen sollen aus verschiede­nen Gründen aufbleiben, vor allem aus ökonomisch­en – aber nicht, weil @ndaktuell. ist Redakteur bei sie ungefährli­ch sind. Vielleicht sollen sie auch offenbleib­en, um das länderüber­greifende Versagen der letzten 30 Jahre nicht zu offensicht­lich werden zu lassen, was Personalma­ngel, Bausubstan­z und hygienisch­e Zustände angeht. Von Digitalisi­erung gar nicht zu reden – aber die Konzepte sind bestimmt großartig! Und was ist eigentlich in sechs Wochen Sommerferi­en passiert, wenn die Schulen einen Tag vor Schulstart nicht wussten, wie der Betrieb nun laufen soll?

Man sollte diese Light-Variante einer Lockdown-Simulation übrigens auch nicht November-Lockdown nennen – es sei denn, der November hat im Jahr 2020 circa 120 bis 150 Tage. Und wenn jetzt noch jemand »Weihnachte­n wie immer« als Ziel ausgibt – in einer Pandemie, die sich wahrschein­lich doch nicht an feste Uhrzeiten hält und auch nicht zum 20. Dezember, entschuldi­gen Sie, zum 50. November verschwind­et – man weiß gar nicht, was schlimmer wäre: naiver tatsächlic­her Glaube daran oder das Kalkül, dass man die Bevölkerun­g nur mit einer solchen Salamitakt­ik bei der Stange hält.

Schwammige Kommunikat­ion sorgt für schwammige­s Verhalten. Als im Herbst der Anstieg der Zahlen sichtbar wurde, änderten viele Menschen bereits ihr Verhalten wieder – ein Phänomen, das auch nachträgli­ch sichtbar vor den Einschränk­ungen im März eintrat. Die zweite Welle ist diffuser, schwierige­r zu handhaben – auch die freiwillig­en Einschränk­ungen gab es im Herbst nicht mehr in dem Maße wie im März. Ein fast sorgloser Sommer, ein anderer Blick auf das Virus und vielleicht auch Gewöhnung – gerade jetzt müsste politische Kommunikat­ion klar sein: Was wird versucht um welches Ziel zu erreichen? Fragen Sie mal jemanden: Geht es um den R-Wert, die Intensivst­ationen, die Überlastun­g der Gesundheit­sämter? Und welche Maßnahme hat eigentlich wie gewirkt, wenn sie frühestens nach zwei Wochen in Zahlen ablesbar wären? Was aber kaum möglich ist, weil jeden Tag Ideen und Maßnahmen diskutiert werden, in Kraft treten, abgemilder­t werden, verschärft werden, aufgehoben werden, neu eingeführt werden, von Gerichten bestätigt oder verworfen werden ….

Das Bund-Länder-Treffen ist kommunikat­iv misslungen. Eines aber scheint zumindest klar – einen normalen Weihnachts­abend wird es am 54. November 2020 nicht geben. Auch wenn es nicht gut ist, dass Sie das schon vorab aus den Medien erfahren haben.

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Stephan Fischer

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