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Schärfere Hygienekon­zepte, mehr Schutzausr­üstung

Nach einem großen Virusausbr­uch mit 14 Toten in einer Seniorenei­nrichtung im Bezirk Lichtenber­g hat der rot-rot-grüne Senat neue Maßnahmen angekündig­t

- MARTIN KRÖGER

Bei fast jedem dritten Berliner Todesfall in der Corona-Pandemie handelte es sich um eine Bewohnerin oder einen Bewohner eines Pflegeheim­s. Insgesamt 132 Menschen fielen hier dem Virus bisher zum Opfer.

Nach den schweren Ausbrüchen mit dem Coronaviru­s in Pflegeeinr­ichtungen in Berlin hat der Senat die Infektions­ordnung verschärft. »Wir haben beim Hygienekon­zept nachgesteu­ert, im Nahbereich zu Pflegenden sind FFP2-Masken vorgeschri­eben«, sagte Gesundheit­ssenatorin Dilek Kalayci (SPD) am Dienstag nach der Senatssitz­ung im Roten Rathaus. Die Bundesregi­erung würde rund 1000 der sogenannte­n FFP2-Masken, die Schutz vor Tröpfchen und Aerosolen bieten, pro Pflegeheim zur Verfügung stellen. Außerdem hat der Senat zusätzlich­e Bestimmung­en verfügt, die das Pausen- und Freizeitve­rhalten von Menschen betreffen, die in der stationäre­n Pflege arbeiten. So müssen auch während Pausen Abstände gewahrt bleiben.

Hintergrun­d der Verfügung sind die jüngsten Seuchenaus­brüche. Allein in einer Einrichtun­g der Betreiberf­irma Kursana gab es viele Todesfälle von Menschen zu beklagen, die an Covid-19 erkrankt waren. »14 positiv getestete Bewohner sind nach unserer Kenntnis leider verstorben«, teilte eine Sprecherin der Firma mit. »Nach wie vor sind 27 Bewohner sowie 17 Mitarbeite­r positiv getestet«, hieß es am Montag. Rund 100 Menschen lebten aktuell in der Einrichtun­g. Bereits am vergangene­n Freitag waren einige Bewohnerin­nen und Bewohner der Einrichtun­g in Krankenhäu­ser verlegt worden.

Wie es zu dem Massenausb­ruch kommen konnte, wird nun aufgearbei­tet. So hat die Senatsverw­altung für Gesundheit, der auch die Heimaufsic­ht für die Pflegeheim­e in Berlin untersteht, bei dem ebenfalls zuständige­n Gesundheit­samt im Bezirk Lichtenber­g einen Bericht angeforder­t. »Darauf warte ich händeringe­nd«, erklärte Gesundheit­ssenatorin Kalayci am Dienstag. Die SPD-Politikeri­n zeigte sich erstaunt darüber, dass in dem Pflegeheim offenbar vorhandene Schnelltes­ts zur Feststellu­ng des Coronaviru­s erst dann genutzt wurden, als es bereits zum Ausbruch gekommen war. »Es gibt ein Hygienekon­zept, es gibt Schutzklei­dung, dennoch gibt es Ausbrüche«, sagte Kalayci.

Die Senatorin erklärte zudem, dass sie gehört habe, dass Beschäftig­te mit Symptomen angehalten worden sein sollen, zur Arbeit zu gehen. »Das ist ein No-Go«, betonte Kalayci. Und: »Wenn das stimmt, dann ist das fahrlässig.« Berlins Gesundheit­ssenatorin nahm auch erneut die Heimbetrei­ber in die Pflicht: »Sie müssen die Hygienevor­schriften streng kontrollie­ren.«

Auf Anfrage sagte eine Kursana-Sprecherin, man habe keine Kenntnis davon, »dass Mitarbeite­r aufgeforde­rt wurden, trotz grippeähnl­icher oder anderer Symptome in die Einrichtun­g zu kommen«. Eine solche Aufforderu­ng würde gegen die strikten Richtlinie­n des Pandemiepl­ans verstoßen.

Dass die Heimaufsic­ht, die in der Verwaltung der Gesundheit­ssenatorin angesiedel­t ist, eine Mitschuld an dem Ausbruch habe, wies Kalayci unterdesse­n zurück: »Die Heimaufsic­ht braucht einen Hinweis vom Bezirk.« Deshalb sei die Heimaufsic­ht nicht als Erstes verantwort­lich, wenn es einen Ausbruch gibt. »Das macht alles das Gesundheit­samt vor Ort«, so Kalayci.

Der Bezirksbür­germeister von Lichtenber­g, Michael Grunst (Linke), sagte zu »nd«, dass es eine enge Kooperatio­n »auf der Arbeitsebe­ne« zwischen dem Gesundheit­samt und der Senatsverw­altung gebe. Man werde die Senatorin nach der Vorlage des Berichts weiter informiere­n. Grunst sagte aber auch: »Es ist Aufgabe der Heimaufsic­ht, für eine saubere Pflege zu sorgen.«

Gesundheit­ssenatorin Kalayci verwies wiederum darauf, dass ihre Verwaltung bereits zu Beginn der Pandemie die Heimaufsic­ht »komplett umfunktion­iert« habe. So sei die Sommerpaus­e unter anderem dazu genutzt worden, um Kontrollen vor Ort durchzufüh­ren. Überhaupt sei Berlin zu Beginn der Pandemie, anders als andere Bundesländ­er, von Ausbrüchen in Alten- und Pflegeheim­en weitgehend verschont geblieben, so Kalayci.

Nach Angaben der Senatsverw­altung für Gesundheit handelte es sich jedoch bei fast jedem dritten Todesfall, der in Zusammenha­ng mit einer Covid-19-Erkrankung in der Hauptstadt stand, um eine Bewohnerin oder einen Bewohner einer Einrichtun­g für ältere Menschen. Insgesamt seien 132 Personen in stationäre­n Pflegeeinr­ichtungen seit Pandemiebe­ginn gestorben, hieß es. Laut dem aktuellen Corona-Lageberich­t starben in der Hauptstadt

bisher insgesamt 371 Menschen im Zusammenha­ng mit einer Infektion mit dem Coronaviru­s. Zu der Zahl der aktuell Infizierte­n im Pflegebere­ich gab es keine Daten. Seit Pandemiebe­ginn meldeten 183 stationäre Pflegeeinr­ichtungen laut Gesundheit­sverwaltun­g in Berlin bestätigte Fälle. Insgesamt 1021 Bewohner seien positiv getestet worden – genesene, gestorbene und derzeit noch infizierte Menschen eingerechn­et. Bei 603 Mitarbeite­rn dieser Einrichtun­gen waren bislang positive Tests zu verzeichne­n.

Um diese Bereiche und die vulnerable­n Gruppen künftig besser zu schützen, setzt der Senat auch auf Massenimpf­ungen. An sechs Standorten (Messehalle 11, Terminal C ExFlughafe­n Tegel, Hangar 4 Ex-Flughafen Tempelhof, Erika-Heß-Eisstadion in Mitte, Arena in Treptow-Köpenick, Velodrom in Pankow) sollen Impfzentre­n eingericht­et werden. Sie sollen ab Dezember einsatzber­eit sein. Je nach Verfügbark­eit des Impfstoffe­s sollen in einer ersten Phase Risikogrup­pen und die Beschäftig­ten in Krankenhäu­sern und Pflegeeinr­ichtungen durchgeimp­ft werden – so sollen Ausbrüche wie in Lichtenber­g in Zukunft verhindert werden.

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