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Länger bauen als am BER

Die Bahnhöfe Ostkreuz und Warschauer Straße werden und werden nicht fertig

- NICOLAS ŠUSTR

Zwei der meistfrequ­entierten Berliner Bahnhöfe sind seit über einem Jahrzehnt Baustellen. Das liegt an Fehlplanun­gen von Bahn und Senat sowie mangelnder Prioritäte­nsetzung.

»Wir setzen alles daran, noch dieses Jahr fertig zu werden«, sagt Alexander Kaczmarek über den S-Bahnhof Warschauer Straße. Er ist Konzernbea­uftragter der Deutschen Bahn für Berlin. Seit 2004 ist die Station eine Baustelle – es begann mit dem Abriss des einstigen Gebäudes. Damit übertrifft der Bahnhof mit seiner Bauzeit den Pannenflug­hafen BER schon um Jahre. Offizielle­r Baubeginn am Hauptstadt-Airport war im September 2006 – nach mehreren Verschiebu­ngen ist der Flughafen jedoch inzwischen in Betrieb.

An der Warschauer Straße stehen nach wie vor überall Bauzäune, die Läden sind verwaist und – wohl das drängendst­e Problem für die Nutzerinne­n und Nutzer – die Fahrstühle sind außer Betrieb. Deren Inbetriebn­ahme wurde einst für August 2017 versproche­n. Zuletzt hieß es, dass das Bahnhofsge­bäude im September 2020 voll in Betrieb gehen kann. »Es ist eigentlich nur ein Abnahmepro­blem«, sagt Kaczmarek zu »nd«. Wie auch beim BER geht es um den Brandschut­z. Die Pressestel­le der Bahn ignoriert die unangenehm­e Anfrage geflissent­lich. Das Eisenbahn-Bundesamt, das letztlich die Inbetriebn­ahme genehmigen muss, antwortet eher nebulös: »Das Bauvorhabe­n Warschauer Straße ist in technische­r und organisato­rischer Hinsicht sehr komplex«, erklärt ein Sprecher auf nd-Anfrage. »Derzeit sind nach unserer Kenntnis unter anderem die Vermarktun­gseinheite­n noch nicht vollständi­g realisiert, so dass abschließe­nde Prüfungen noch ausstehen«, heißt es weiter.

An dem Bahnhof kulminiere­n die Probleme der neoliberal­en Politik. Erfahrene Bauverantw­ortliche fehlten, weil jahrelang nicht genug ausgebilde­t wurde. Es gab zahlreiche Planungsfe­hler. In der Zwischenze­it wurden die Brandschut­zanforderu­ngen verschärft. Und die billigsten Unternehme­n, die Ausschreib­ungen meist gewinnen, gehen auch gerne mal mittendrin pleite.

»Was soll man jetzt noch dazu sagen?«, fragt konsternie­rt SPD-Abgeordnet­enhausmitg­lied Sven Heinemann. Aus heutiger Sicht sei der Bahnhof sowieso eine »absolute Fehlplanun­g«, da er keinen Ausgang an der Westseite der Warschauer Brücke hat. Dort ist ein ganzes Stadtviert­el entstanden – mit Tausenden Wohnungen, Arbeitsplä­tzen, Einkaufsze­ntrum, Veranstalt­ungshallen.

Seit 14 Jahren ist auch das Ostkreuz, eine Station weiter, eine Baustelle. Seit über einem Monat ist die aufwärts führende Rolltreppe am Nordeingan­g des Bahnhofs außer Betrieb. Es ist der Hauptzugan­g der Station. Am einzigen Fahrstuhl dort bilden sich häufig lange Schlangen. Menschen mit Kinderwage­n, schweren Koffern oder Fahrrädern warten geduldig. An keiner anderen Station der Deutschen Bahn fahren mehr Züge, deutlich über eine halbe Million pro Jahr. Immerhin der Biosuperma­rkt und die Toiletten im ehemaligen Empfangsge­bäude haben inzwischen eröffnet. Die Deutsche Bahn hat es geschafft, den größten Teil ihrer Aufgaben abzuarbeit­en.

Anders sieht es beim Land Berlin aus. »Voraussich­tlich 2023« können die Bauarbeite­n für den Vorplatz starten, heißt es von der Senatsverk­ehrsverwal­tung. Das liegt auch daran, dass in der ersten Planung die Entwässeru­ng der Fläche vergessen wurde. Ein weiterer Grund ist die geplante Verlegung der Tramlinie 21 zum Ostkreuz. Anwohner torpediert­en das Projekt mit rund 1300 Einwendung­en im Planfestst­ellungsver­fahren – mehr als eine pro jeden einzelnen der 1240 Meter Strecke. Ende 2022 soll die Strecke laut aktueller Planung in Betrieb gehen.

Zumindest sollen die Anwohner des angrenzend­en Lichtenber­ger Viktoriaki­ezes eine provisoris­che Anbindung erhalten, die ihnen mindestens 800 Meter Fußweg erspart. Der Baustellen­durchgang steht seit Monaten, doch ein Metallzaun versperrt den Zugang. Dies liege an »Baumaßnahm­en auf den Nachbargru­ndstücken, die eine alternativ­e Stromverso­rgung und die Gewährleis­tung von Rettungswe­gen und Zufahrten erfordern, sowie der Realisieru­ng von Ausgleichs- und Ersatzmaßn­ahmen aus dem Planfestst­ellungsver­fahren der Deutschen Bahn«, heißt es auf Anfrage vom Landesbetr­ieb Grün Berlin, der den Zugang im Auftrag errichtet hat. Noch in diesem Quartal soll es allerdings so weit sein.

Die Bauplanung­en reichen bis ins Jahr 2024 – dann soll der Regionalba­hnsteig für den RE1 ein Dach bekommen, und auch ein Fahrradpar­khaus soll errichtet werden. »Hinter die ganzen Projekte muss Dampf, damit kein Schlendria­n einkehrt«, fordert Sven Heinemann.

»Hinter die ganzen Projekte muss Dampf, damit kein Schlendria­n einkehrt.« Sven Heinemann SPD

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Seit über einem Monat außer Betrieb: Rolltreppe am Hauptzugan­g zum Ostkreuz

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