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Schutz ungerecht verteilt

Hilfsorgan­isationen fordern mehr nachhaltig­en Klimaschut­z für arme Länder

- HAIDY DAMM

Der Klimawande­l wird immer bedrohlich­er. 2019 gab es laut Weltkatast­rophenberi­cht 308 Naturkatas­trophen, davon waren 77 Prozent klimabedin­gt.

Dürre, Hitzeperio­den, Überschwem­mungen und Stürme haben in den vergangene­n zehn Jahren um 35 Prozent zugenommen. Zusammen töteten diese Katastroph­en mehr als 410 000 Menschen. Betroffen waren insgesamt 1,7 Milliarden Menschen, die meisten von ihnen in ärmeren Ländern. Die vielen Opfer hätten ihr Hab und Gut verloren, seien erwerbslos geworden oder hätten flüchten müssen. Zu diesem Ergebnis kommt die Internatio­nale Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmon­dgesellsch­aften (IFRC) in ihrem am Dienstag in Genf veröffentl­ichten Weltkatast­rophenberi­cht 2020. Hitzeperio­den und Stürme hatten demnach die meisten Toten zur Folge.

Allein seit der Ausrufung der Corona-Pandemie durch die Weltgesund­heitsorgan­isation WHO im März wurde die Welt von mehr als hundert Naturkatas­trophen getroffen, von denen viele im Zusammenha­ng mit dem Klimawande­l standen, so die IFCR. Mehr als 50 Millionen Menschen seien von diesen Katastroph­en betroffen gewesen. IFRC-Generalsek­retär Jagan Chapagain betonte, die Welt stehe durch die Pandemie vor einer »sehr, sehr ernsten Krise«. Doch während es immer wahrschein­licher werde, dass in Kürze ein oder mehrere Impfstoffe gegen das Coronaviru­s erhältlich seien, »gibt es leider keinen Impfstoff gegen den Klimawande­l«. Das IFRC erwartet, »dass der Klimawande­l mittel- und langfristi­g einen stärkeren Einfluss auf das menschlich­e Leben und auf die Erde haben wird«, so Chapagain.

Die Recherchen des IFCR zeigten jedoch, »dass die Welt kollektiv daran scheitert, diejenigen zu schützen, die den Klimarisik­en am meisten ausgesetzt sind«, sagte Chapagain. Es bestehe eine klare Diskrepanz zwischen der Frage, wo das Klimarisik­o am größten ist, und der Frage, wohin die Mittel für die Klimaanpas­sung fließen. »Diese Diskrepanz könnte sehr wohl Menschenle­ben kosten.«

Der Weltkatast­rophenberi­cht 2020 zeigt, dass die internatio­nale Finanzieru­ng der Klimaund Katastroph­envorsorge nicht mit dem Bedarf in armen Ländern, die gleichzeit­ig ein hohes Risiko haben, Schritt hält. »Mit anderen Worten, das Geld sollte aus den Ländern überwiesen werden, die den meisten Reichtum und die meiste Verantwort­ung für den Klimawande­l haben, an diejenigen, die von beidem am wenigsten haben«, heißt es im IFRC-Bericht. Berücksich­tige man die Größe der Bevölkerun­g, seien die Finanzieru­ngsuntersc­hiede noch größer. So gehörte keines der 20 am stärksten gefährdete­n Länder zu den 20 Ländern mit den höchsten Pro-Kopf-Empfängern. Somalia beispielsw­eise, das sowohl von Dürre als auch von Überschwem­mungen stark betroffen ist, rangiert nur an 71. Stelle bei den Auszahlung­en pro Person. Umgekehrt wies keines der Länder mit den fünf höchsten Pro-Kopf-Finanzieru­ngen eine hohe oder sehr hohe Verwundbar­keit auf.

Die Arbeit zur Klimaanpas­sung dürfe nicht in den Hintergrun­d treten, während die Welt mit der Pandemie beschäftig­t ist: Die beiden Krisen müssten gemeinsam angegangen werden. Die Internatio­nale Föderation fordert deshalb, ein Teil der Geldes, das Regierunge­n in der Coronakris­e zur Stützung der Volkswirts­chaften ausgeben, müsste auch in den Kampf gegen den Klimawande­l fließen. Ein Wiederaufs­chwung, der die Menschen und den Planeten schützt, würde nicht nur dazu beitragen, die heutigen Risiken zu verringern, sondern auch die Gemeinscha­ften sicherer und widerstand­sfähiger gegen künftige Katastroph­en machen.

Schon mit 50 Milliarden Dollar (42 Milliarden Euro) könnte den Menschen in rund 50 Entwicklun­gsländern geholfen werden, so die IFCR. Mit dem Geld könnten die Staaten die Anpassungs­maßnahmen gegen den Klimawande­l für das kommende Jahrzehnt finanziere­n. So könnten Frühwarnsy­steme, Verstärkun­gen der Küsten, Deiche und robustere Gebäude errichtet werden.

Der Bericht argumentie­rt, es sei an der Zeit, das »Business as usual« abzuschütt­eln und den Worten Taten folgen zu lassen. Vieles von dem, was getan werden müsse, sei seit Jahren bekannt – überfällig sei nur die Umsetzung. Zudem müssten Internatio­nale Verpflicht­ungen wie das Pariser Klimaabkom­men, die Ziele für nachhaltig­e Entwicklun­g (SDGs) und das Abkommen zur Reduzierun­g des Katastroph­enrisikos gemeinsam umgesetzt werden. »Bei Herausford­erungen wie diesen ist internatio­nale Solidaritä­t nicht nur eine moralische Verantwort­ung, sondern auch eine kluge Entscheidu­ng«, argumentie­rt Chapagain. Investitio­nen in die Widerstand­sfähigkeit seien kostengüns­tiger als ein kontinuier­licher Anstieg der Kosten für humanitäre Hilfe.

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Überflutun­g in Guatemala durch Hurrikan Eta in diesem November

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