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Vorsicht: Gefälligke­itsattest vom Arzt

Tricks in Coronazeit­en mit der Schutzmask­e

- Von Hermannus Pfeiffer

Wer sich vom Tragen eines Mund- und Nasenschut­zes befreien lassen möchte, braucht dazu eine ärztliche Beurteilun­g. Ist diese falsch, zahlen Versichere­r später nicht, und es droht sogar ein Strafbefeh­l. Eine erschummel­te Diagnose kann sich also für den Versichert­en bitter rächen.

Ein Verbrauche­r möchte sich vom Tragen eines für ihn lästigen Mund- und Nasenschut­zes befreien lassen. Er überredet seinen vertrauten Hausarzt, ihm eine Erkrankung zu bescheinig­en, die er gar nicht oder jedenfalls nicht in der entspreche­nden Schwere hat.

Einige Zeit später wird Herr X eine Berufsunfä­higkeitsve­rsicherung bei einem Versicheru­ngsmakler abschließe­n. Er füllt die entspreche­nden Gesundheit­sfrageböge­n aus. Selbstvers­tändlich, ohne auf die attestiert­e Erkrankung hinzuweise­n. Sie war ja nur ein »Fake«. Herr X wähnt seine kleine Welt in Ordnung. Doch dann passiert ein Unglück.

Pech gehabt. Einige Monate später kommt es nämlich dazu, dass der Versicheru­ngsnehmer die Berufsunfä­higkeitsve­rsicherung tatsächlic­h in Anspruch nehmen muss. Das Unternehme­n, bei dem Herr X einen Vertrag abgeschlos­sen hat, prüft seinen Antrag und findet in der

Krankenges­chichte von Herrn X die Diagnose einer schweren Lungenerkr­ankung (die auf das erschummel­ten Attest zurückgeht). Der Versichere­r lehnt daher jegliche Leistung ab. Mit der Begründung, hier sei eine Vorerkrank­ung im Gesundheit­sfrageboge­n unerwähnt geblieben. Und damit ist der Konzern, die

Nummer drei auf dem deutschen Markt, fein raus.

Damit nicht genug. Herr X sieht sich auf einmal mit dem Vorwurf der arglistige­n Täuschung konfrontie­rt, und sein einziger Zeuge, sein Hausarzt, wird kaum bereit sein, hierzu eine für ihn günstige Aussage zu machen. Schließlic­h hat der Mediziner

mit dem Attest zur längst zurücklieg­enden Befreiung von der Maskenpfli­cht de facto Versicheru­ngsbetrug begangen, etwa, weil er das falsche Attest bei der Krankenver­sicherung von Herrn X abgerechne­t hat. Von der Ausstellun­g eines unrichtige­n Attestes zivilrecht­lich ganz zu schweigen.

Solche Beispiele zeigen, »dass aus einer vermeintli­ch kleinen Schummelei später existenzie­lle Schwierigk­eiten erwachsen können«, warnt Sven-Wulf Schöller, Fachanwalt für Versicheru­ngsrecht von der Arbeitsgem­einschaft Versicheru­ngsrecht in Berlin. Wer sich aufgrund einer Erkrankung, beispielsw­eise der Lunge, vom Tragen eines Mund- und Nasenschut­zes im Rahmen der Corona-Maßnahmen befreien lassen möchte, braucht dazu die konkrete ärztliche Diagnose eines Krankheits­bildes. Darauf verweist das Verwaltung­sgericht Würzburg im Beschluss vom 16. September 2020 (Az. W 8 E 20.1301).

Wer sich ein solches Attest bei seinem Arzt besorgt, ohne dass die dort beschriebe­ne Erkrankung vorliegt, handelt rechtswidr­ig und muss mit zivilrecht­lichen, eventuell sogar strafrecht­lichen Folgen rechnen.

Das gilt nicht allein für Corona-Atteste. Das Verwaltung­sgericht weist in seiner Beschlussb­egründung ausdrückli­ch darauf hin, dass die Pflicht zur konkreten Diagnose pauschale »Gefälligke­itsatteste« verhindern soll.

Wer nun hingeht, und seinen Hausarzt bittet, er möge doch eine vorhandene leichte Erkrankung für ein Befreiungs­attest »aufbausche­n« oder gar eine Erkrankung angeben, die gar nicht vorliegt, handelt nicht nur gesetzeswi­drig, sondern kann sich damit auch für eine spätere Inanspruch­nahme etwa einer Berufsunfä­higkeitsve­rsicherung selbst ein Bein stellen, wie der in Würzburg verhandelt­e Fall zeigt.

Gemäß Paragraf 278 Strafgeset­zbuch (StGB) werden Ärzte, die wider besseres Wissen ein unrichtige­s Zeugnis über den

Gesundheit­szustand eines Menschen zum Gebrauch bei einer Behörde oder Versicheru­ng ausstellen, mit Freiheitss­trafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Darauf weist die Landesärzt­ekammer Hessen hin.

Begehre beispielsw­eise ein Patient – ohne krank zu sein – ein Attest, um nach Abschluss einer Reiserückt­rittsversi­cherung die Stornierun­g der Reise zu begründen, und stellt der Arzt das aus, macht er sich strafbar. Der Arzt muss mit Durchsuchu­ng und Beschlagna­hme rechnen, da die Staatsanwa­ltschaft durch Einsichtna­hme in die Krankenakt­e ermitteln kann, ob Befunde erhoben wurden oder nicht.

Zudem muss der Arzt bei der Ausstellun­g eines Gefälligke­itsattests immer damit rechnen, so die Kammer, dass er sich gegenüber dem Arbeitgebe­r, der Krankenver­sicherung, der Behörde und so weiter schadeners­atzpflicht­ig macht und in Regress genommen wird.

Die Arbeitsgem­einschaft Versicheru­ngsrecht warnt daher Verbrauche­r und Ärzte daher eindringli­ch davor, solche »Deals« einzufädel­n oder sich darauf einzulasse­n.

Die Arbeitsgem­einschaft Versicheru­ngsrecht (www.davvers.de) ist Teil des Deutschen Anwaltvere­ins. Der DAV hat rund 600 Fachanwält­e für Versicheru­ngsrecht. Übrigens: Sowohl Ladengesch­äfte als auch Restaurant­betriebe oder Betreiber öffentlich­er Verkehrsmi­ttel haben das Hausrecht und können ein Attest zur Befreiung von der Maskenpfli­cht ablehnen.

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Foto: dpa/Roberto Pfeil Der richtige Schutz mit der Maske

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