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Corbyn nicht mehr allein zu Haus

Labour-Partei nimmt Ausschluss des Ex-Vorsitzend­en wegen Antisemiti­smus-Vorwürfen zurück

- MARTIN LING

Die britische Labour-Partei will ihren ehemaligen Parteivors­itzenden Jeremy Corbyn nach einem vorübergeh­enden Ausschluss wieder aufnehmen.

Keir Starmer ist über die Nachricht »not amused«, Der Labour-Chef sprach nach der Wiederaufn­ahme seines Vorgängers Jeremy Corbyn in die Partei von einem »weiteren schmerzhaf­ten Tag für die jüdische Gemeinscha­ft und jene Labour-Mitglieder, die so hart gekämpft haben, um gegen den Antisemiti­smus anzugehen«. Zuvor hatte die Partei entschiede­n, ihren ehemaligen Vorsitzend­en Jeremy Corbyn nach einem vorübergeh­enden Ausschluss wieder aufzunehme­n. Allerdings wird er die Labour-Partei nicht mehr als Abgeordnet­er im Unterhaus vertreten, sondern dort unabhängig­er Abgeordnet­er bleiben, wie Starmer am Mittwoch entschied. Corbyn war im Oktober vorübergeh­end ganz aus der Partei ausgeschlo­ssen worden, nachdem er die Ergebnisse der Antisemiti­smus-Untersuchu­ng als übertriebe­n bezeichnet hatte. Corbyn hatte noch am selben Tag angekündig­t, er werde die Suspendier­ung anfechten.

In dem Bericht hieß es, Partei und ehemaliger Vorsitzend­er hätten Diskrimini­erung und Schikanen gegen Juden jahrelang zugelassen. Etliche Abgeordnet­e und jüdische Gruppen kritisiert­en die Wiederaufn­ahme des Politikers.

Der 71-Jährige hatte vor den Beratungen am Dienstag auf seiner Facebook-Seite eine Erklärung veröffentl­icht. Darin heißt es: »Um das klar zu machen, Sorgen über Antisemiti­smus sind weder »übertriebe­n« noch »überspitzt«. Er habe nur klar machen wollen, dass die große Mehrheit der Labour-Mitglieder überzeugt anti-rassistisc­h sei und Antisemiti­smus entschiede­n ablehne. Der Alt-Linke war Labour-Chef zwischen 2015 und April 2020. Inzwischen wird Labour von Keir Starmer geführt.

Corbyn zeigte sich auf Twitter »zufrieden« mit der Entscheidu­ng. »Unsere Bewegung muss nun zusammen kommen, um dieser zutiefst schädliche­n konservati­ven Regierung gegenüberz­utreten und sie zu besiegen«, schrieb Corbyn mit Blick auf die Tory-Regierung unter Premier Boris Johnson weiter.

»Alle, die antisemiti­sches Gift versprühen, müssen kapieren: Ihr tut das nicht in meinem Namen«, schrieb Corbyn als Vorsitzend­er im Londoner »Guardian« am 3. August 2018. Ja, so Jeremy Corbyn, es gebe Antisemiti­smus auch in seiner Partei. Seit Corbyn 2015 den Vorsitz übernahm, ist er regelmäßig mit Antisemiti­smusvorwür­fen konfrontie­rt worden. Seine antiimperi­alistische­n und antikapita­listischen Positionen bedienten sich auch antisemiti­scher Stereotype, heißt es. Seine jahrzehnte­lange aktive Palästina-Solidaritä­t wird ihm vorgehalte­n und dass er Hamas und Hisbollah als »Freunde« bezeichnet habe. Auch die liberalen Zeitungen hatten sich während Corbyns Amtszeit auf die konvention­elle Medienerzä­hlung des »LabourAnti­semitismus« eingeschos­sen.

Der im September verstorben­e jüdische US-amerikanis­che Kulturanth­ropologe David Graeber stellte die Frage: »Wie kommt es, dass unsere politische Klasse die größte Bedrohung für die Juden in Großbritan­nien in jemandem sieht, der sein Leben lang Antirassis­t war und dem man nun vorwirft, Parteimitg­lieder, die anstößige Kommentare im Internet posten, nicht eifrig genug zur Disziplin zu rufen?« Diese Frage bleibt auch mit Corbyns Wiederaufn­ahme unbeantwor­tet.

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