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Furchtbare Juristen

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Wen der Umstand verwundert, das eine Person, die einen Eid auf die bundesdeut­sche Verfassung geschworen hat, sich mit Rechtsextr­emen auf einer Versammlun­g gemeinmach­t und deren verschwöru­ngsideolog­ische Inhalte teilt, dem sei empfohlen, sich mit der Nachgeschi­chte der Rechtspfle­ge im Nationalso­zialismus zu befassen. Denn Menschen wie Fritz Bauer, Generalsta­atsanwalt in Hessen von 1956 bis zu seinem Tod 1968 und berühmt für seine Unnachgieb­igkeit bei der Verfolgung von hochrangig­en Nazi-Tätern, gab es nicht sehr viele. Nicht nur die Bundesrepu­blik war nach der deutschen Niederlage 1945 allzu bereit, Hunderttau­sende von willfährig­en Beamten und überzeugte­n Nationalso­zialisten, die vorher im Dienst des NS-Staats dessen Vernichtun­gspolitik durchgeset­zt hatten, wieder in ihren Behörden- und Verwaltung­sapparat zu integriere­n. Auch in der DDR kamen entgegen anderslaut­ender offizielle­r Bekundunge­n der Staatsführ­ung und trotz einer durchaus konsequent­eren Entnazifiz­ierung im Justizappa­rat etliche NS-Täter unter – und glimpflich davon. Unter dem Titel »Furchtbare Juristen« hat Ingo Müller eine erstmals 1987 und 2014 neu aufgelegte Studie herausgebr­acht, die erklärt, warum sich ein ganzer Berufsstan­d aufseiten der Staatsgewa­lt gegen das Recht positionie­rte.

Und heute? Bundesdeut­sche Staatsanwä­lte wählen die rassistisc­he AfD; ehemalige Verfassung­sschutzprä­sidenten stehen ihr so nahe, dass sie mit ihrem politische­n Handeln den Landgewinn der rechten Partei maßgeblich mit vorangetri­eben haben; bundesdeut­sche Polizisten bedrohen Menschen, für deren Schutz sie eintreten sollen, mit Mord und Gewaltfant­asien; in der Bundeswehr üben Rechtsextr­eme für Bürgerkrie­g und Systemumst­urz. Der Faschist Björn Höcke ist Geschichts­lehrer. Erst vor einigen Wochen wurden in Berlin zwei Staatsanwä­lte wegen mutmaßlich­er Verbindung­en ins Tätermilie­u der rechten Terrorseri­e in Neukölln versetzt.

Nun steht eine Staatsanwä­ltin im Fokus, die ansonsten jugendlich­e Straftäter beurteilt. Was solche Beamten mit ihrer gruppenbez­ogenen Menschenfe­indlichkei­t unserer Gesellscha­ft antun, ist das eine. Wie diese Gesellscha­ft mit ihnen umgeht, das andere. Sie sind ein Teil von ihr – aber wenn sie diese gefährden, müssen sie dafür zur Verantwort­ung gezogen werden.

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FOTO: ND/F. SCHIRRMEIS­TER Claudia Krieg sieht in Berliner Beamten nur den Spiegel der Gesellscha­ft

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