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Finanzpoli­tische Weichenste­llungen stehen bevor

Die neueste Steuerschä­tzung zeigt, dass in Berlin und Brandenbur­g coronabedi­ngt die finanziell­en Spielräume weiter eingeschrä­nkt bleiben dürften

- MARTIN KRÖGER

Laut der jüngsten Prognose kommen Berlin und Brandenbur­g zwar etwas günstiger durch die Krise als gedacht, aber in die Vorausscha­u sind die Folgen des aktuellen Lockdowns nicht eingerechn­et.

Wie sich die finanziell­en Folgen der Coronakris­e weiterentw­ickeln, ist schwer vorherzuse­hen. Vieles hängt von den verordnete­n Maßnahmen der Bundes- und Landesregi­erungen ab. Angesichts der aktuell beispielsw­eise in Berlin weiter hohen Infektions­zahlen dürften auf längere Sicht Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie nötig werden, die sich auch wirtschaft­lich und auf die Einnahmen der Bundesländ­er auswirken. Dass man der Coronakris­e nicht hinterhers­paren darf, ist eine Binsenweis­heit.

Andere Bundesländ­er wie Sachsen, Bayern oder Hessen haben enorme Corona-Sonderfond­s aufgelegt, um die Einnahmeau­sfälle in den kommenden Jahren zu kompensier­en und die Investitio­nsquoten hochzuhalt­en.

Sachsen etwa nimmt 6 Milliarden Euro an Krediten auf – der vorsorglic­h aufgelegte sächsische »Corona-Bewältigun­gsfonds« soll dazu dienen, Folgen der Pandemie zu beseitigen, unter anderem um die staatliche Daseinsvor­sorge aufrechtzu­erhalten. Die Mittel des Fonds stehen bis 2022 zur Verfügung. Möglich macht diese Vorsorge die aktuelle krisenbedi­ngte Aussetzung der Schuldenbr­emse, die das Schuldenma­chen zur Bewältigun­g der Corona-Notlage gestattet.

Aber wenn andere Bundesländ­er mit langen Tilgungsfr­isten Kredite aufnehmen, um Sonderverm­ögen und Fonds auszustatt­en, verschafft es diesen dann nicht Vorteile gegenüber Bundesländ­ern wie Berlin?

Neuer Nachtragsh­aushalt wird verhandelt

In Berlin laufen derzeit die Gespräche innerhalb der Koalition über einen zweiten Nachtragsh­aushalt. Beschlosse­n wurde zwischen SPD, Linksparte­i und Grünen noch nichts. In einem ersten Nachtrag in diesem Jahr hat sich Rot-Rot-Grün zwar auf eine Neuverschu­ldung von 6,6 Milliarden Euro geeinigt. Dass diese Summe ausreicht, um auch in den nächsten Jahren alle geplanten Investitio­nen und Ausgaben zu stemmen, darf bezweifelt werden. Es geht also derzeit um nichts weniger als finanzpoli­tische Weichenste­llungen, die sich weit in die Zukunft auswirken dürften. Klar ist: Die fetten Jahre mit milliarden­schweren Überschüss­en sind vorbei. Hinzu kommen Einnahmeau­sfälle bei landeseige­nen Beteiligun­gen wie der Messe, die sich ebenfalls negativ im Haushalt niederschl­agen. Alles zusammen dürfte das zu milliarden­schweren Haushaltsl­öchern in den kommenden Jahren führen. Am Ende kann sich das auch auf geplante Investitio­nen auswirken. Was wird dann aus den avisierten Vorkäufen von Wohnungen, aus Brückensan­ierungen und der Stärkung der landeseige­nen Unternehme­n?

»Wir bleiben bei der Linie, dass Pandemiebe­darfe beziehungs­weise Einnahmeei­nbußen nicht aus dem Haushalt rausgespar­t werden dürfen. Das wäre Gift für die soziale Infrastruk­tur und die Wirtschaft«, sagt der Haushaltse­xperte der Linksfrakt­ion im Abgeordnet­enhaus, Steffen Zillich, zu »nd«.

Ein kleiner Lichtblick ist unterdesse­n die jüngste Steuerschä­tzung des Bundes. Demnach könnten die Einnahmeau­sfälle für Berlin etwas niedriger ausfallen als noch im September prognostiz­iert. »Die November-Steuerschä­tzung spiegelt die leicht günstigere­n Erwartunge­n aus der aktuellen Konjunktur­projektion der Bundesregi­erung, nach der der Wirtschaft­seinbruch etwas weniger tief ausfallen wird als zunächst befürchtet«, sagt Berlins Finanzsena­tor Matthias Kollatz (SPD). Das wirtschaft­liche Vorkrisenn­iveau werde aber frühestens zum Jahreswech­sel 2021 zu 2022 wieder erreicht. Dies zeige sich auch in der Prognose der Steuereinn­ahmen. Nach den regionalis­ierten Ergebnisse­n für Berlin werden Einnahmen von rund 21,9 Milliarden Euro im laufenden Jahr und rund 23,2 Milliarden Euro für 2021 erwartet. Dies bedeute gegenüber der Interimsst­euerschätz­ung vom September im Zeitraum des Doppelhaus­haltes 2020/2021 eine Aufwärtsko­rrektur von rund 139 Millionen Euro im laufenden Jahr und rund 81 Millionen Euro im Jahr 2021. So oder so bleibt die Lage aber dramatisch.

Brandenbur­g ebenfalls schwer betroffen

Wie in Berlin schlägt die Coronakris­e auch ins Kontor des Nachbarbun­deslandes Brandenbur­g. »Die Pandemie setzt alle öffentlich­en Haushalte unter Druck«, sagt Finanzmini­sterin Katrin Lange. Eine Veränderun­g der Lage sei kurzfristi­g nicht zu erwarten, so die SPD-Politikeri­n. Für 2021 muss Brandenbur­g nach Angaben der Finanzmini­sterin mit weiteren 426 Millionen Euro Mindereinn­ahmen im Vergleich zur Mai-Steuerschä­tzung rechnen – im Haushaltse­ntwurf waren bereits 510 Millionen Euro berücksich­tigt worden. Trotz der Einnahmeau­sfälle will Brandenbur­g die Vereinbaru­ngen aus dem kommunalen Rettungssc­hirm einhalten. 2020 werden 50 Prozent der kommunalen Mindereinn­ahmen ausgeglich­en, im kommenden Jahr 75 Prozent.

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