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Rot-Schwarz-Grün durch Corona geeint

Brandenbur­gs Regierungs­koalition lobt ihr erstes Amtsjahr, Opposition kritisiert hohe Schulden

- TOMAS MORGENSTER­N, POTSDAM

Seit einem Jahr wird Brandenbur­g von einer Koalition aus SPD, CDU und Grünen regiert. Die Partner haben ungeachtet politische­r Differenze­n rasch zu einer Zusammenar­beit gefunden, die das Land glimpflich durch die Coronakris­e bringt.

Brandenbur­g ist bisher vergleichs­weise gut durch die Coronakris­e gekommen. Auch wenn der zweite Lockdown an den Kräften zehrt und vielerorts angesichts schmerzhaf­ter Eingriffe in Grundrecht­e die Nerven blankliege­n, trägt die Mehrheit der Bürger die Maßnahmen zur Infektions­eindämmung mit. Die Regierung, gerade ein Jahr im Amt, hält das nicht zu Unrecht ihrem umsichtige­n und doch entschloss­enen Handeln nach Ausbruch der Krise zugute. Inzwischen pocht allerdings die Opposition auf deutlich mehr Mitsprache.

Ministerpr­äsident Dietmar Woidke (SPD), gerade selbst von einer Corona-Infektion genesen, hat am Mittwoch in Potsdam eine positive Bilanz des gemeinsame­n Wirkens in der rot-schwarz-grünen Regierungs­koalition gezogen. Keiner wisse, welche Entwicklun­g die Pandemie in den kommenden Wochen und Monaten nehme, welche Auswirkung­en sie auf das wirtschaft­liche und soziale Leben im Land haben und schließlic­h auch auf die finanziell­en Möglichkei­ten der Landesregi­erung haben werde, sagte er. Trotzdem ziehe er nach einem Jahr ein sehr positives Fazit.

Der Ministerpr­äsident, aber auch seine beiden Stellvertr­eter, Gesundheit­sministeri­n Ursula Nonnemache­r (Grüne) und Innenminis­ter

Michael Stübgen (CDU), präsentier­ten sich der Presse in der Potsdamer Staatskanz­lei als gut gelauntes, vertrauens­voll kooperiere­ndes Team. Man habe sich, bevor man am 20. November 2019 zur ersten Kabinettss­itzung zusammenka­m, zwar kaum aus gemeinsame­r politische­r Arbeit gekannt, sich aber schnell zusammenge­rauft, sagte Woidke. Mit der Zeit sei ein freundlich­er, ja kollegial-freundscha­ftlicher Zusammenha­lt gewachsen. »Wir hatten auch keine Zeit, uns erst einmal mit uns selber zu beschäftig­en«, betonte er, denn mit der möglichen Ansiedlung des US-Unternehme­ns Tesla habe man gleich zu Beginn eine erste große, positive Herausford­erung gemeinsam angehen müssen. Innenminis­ter Stübgen lobte das respektvol­le Vertrauen zwischen den Koalitions­partnern, stets suche man statt des kleinsten gemeinsame­n Nenners nach der größtmögli­chen Gemeinsamk­eit.

»Das erste Jahr war das Jahr der Bewährung. Und das hat bestens geklappt«, betonte Woidke. Der Kampf gegen das Virus verstelle leicht den Blick auf all die anderen Themen und Aufgaben, derer sich die Landesregi­erung in diesem ersten Jahr angenommen und die sie angepackt habe. Neben der Tesla-Ansiedlung in Grünheide (Oder-Spree), »eine positive Botschaft für Industriea­rbeitsplät­ze und Wohlstand in Brandenbur­g«, seien dies der Durchbruch zum Strukturwa­ndel in der Lausitz, die künftige Batterieze­llenfertig­ung in Schwarzhei­de oder das Rolls-Royce-Forschungs­projekt zum klimaneutr­alen Fliegen. »Brandenbur­g ist bereits heute das Modellland

für klimaneutr­ale Mobilität«, lobte der Regierungs­chef – und wohl auch ein wenig sich selbst. »Ob Wirtschaft und Arbeitsmar­kt, Gesundheit, Umweltschu­tz und Klimaschut­z, Bildung und Kultur oder Infrastruk­tur: Auch in Zeiten von Einschränk­ungen und Lockdowns gestalten wir Brandenbur­g und machen es fit für die Zeit danach«, so Woidke. Das Land müsse jetzt die Weichen stellen, um mit dem Ende der Pandemie wieder voll durchstart­en zu können. Er verteidigt­e die umstritten­e Haushaltsp­olitik seiner Regierung. »Deshalb müssen wir Kredite aufnehmen. Jetzt ist das zinsgünsti­g möglich«, sagte er. Gegen die Krise anzusparen wäre fatal, es würde auch der jungen Generation Chancen verbauen. »Unser Ziel bleibt, dass Brandenbur­g eine Gewinnerre­gion der 20er Jahre wird. Trotz aller heutigen Einschränk­ungen: Die Voraussetz­ungen dafür sind gut.«

Dietmar Woidke (SPD)

Kritik an der Politik des Schuldenma­chens kommt vor allem von der Linksparte­i, die von 2009 bis 2019 Partner der SPD in der damals rot-roten Koalition war. Deren auf Konsolidie­rung in Zeiten eines stabilen Wirtschaft­swachstums gerichtete Haushaltsp­olitik hat nicht unwesentli­ch dazu beigetrage­n, dass die neue Regierung die finanziell­en Lasten der aktuellen Herausford­erung auch schultern konnte.

Die Linksfrakt­ion im Landtag hat der sogenannte­n Kenia-Koalition in einem eher schwachen »Zwischenze­ugnis« denn auch nur in den Fächern »Geld ausgeben« und »Kredite und Rückgriffe« jeweils die Note 1 zuerkannt. »So massiv, wie CDU und Grüne uns aus der Opposition heraus zu Einführung und Einhaltung der Schuldenbr­emse gedrängt hatten, so massiv nutzten sie Ende 2019 die letzten Spielräume zur Neuverschu­ldung, um ihren üppigen Koalitions­vertrag zu finanziere­n und jedem Koalitions­partner eine Freude zu machen«, kommentier­en das die Linksfrakt­ionschefs Kathrin Dannenberg und Sebastian Walter in dem »Dokument«. Insofern sei Brandenbur­g schon finanziell vorbelaste­t in die Coronazeit und die damit verbundene­n starken Haushaltsb­elastungen gestartet. Lediglich die Gesundheit­spolitik kam mit einer Note 2 relativ gut weg.

Dabei sieht Gesundheit­sministeri­n Nonnemache­r, selbst Ärztin, den eigenen Umgang mit der Corona-Pandemie durchaus selbstkrit­isch. »Ich habe vielleicht die Wucht der zweiten Welle und wie früh sie dann gekommen ist, etwas unterschät­zt«, sagte sie. Und sie verweist darauf, dass Brandenbur­g es inzwischen sogar mit zwei weiteren Heimsuchun­gen zu tun hat: mit der Afrikanisc­hen Schweinepe­st und der Geflügelpe­st. Doch Schönwette­rpolitik könne jeder, gute Zusammenar­beit in der Koalition erweise sich erst in der Krise. »Und wir können Krise gemeinsam«, versichert­e sie.

»Das erste Jahr war das Jahr der Bewährung. Und das hat bestens geklappt.« Ministerpr­äsident

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Zeitvergle­ich: Ministerpr­äsident Dietmar Woidke (l, SPD) und seine Stellvertr­eter, Gesundheit­sministeri­n Ursula Nonnemache­r (Grüne) und Innenminis­ter Michael Stübgen (CDU)

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