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Kabinett billigt Verbote unlauterer Praktiken bei Verhandlun­gen über Lebensmitt­el

- HAIDY DAMM

Wenn Konzerne mit Produzent*innen verhandeln, geht es häufig unfair zu. Dagegen will Agrarminis­terin Julia Klöckner mit einem geänderten Gesetz zur Agrarmarkt­struktur vorgehen.

Edeka, Rewe, Aldi und die Schwarz-Gruppe mit Lidl sind die führenden Einzelhänd­ler in Deutschlan­d und kontrollie­ren nach Angaben des Bundeskart­ellamts zusammen mehr als 85 Prozent des Lebensmitt­elmarktes. Durch diese Marktmacht können sie die Bedingunge­n zu Landwirt*innen und Produzent*innen diktieren und etwa Ort, Umfang oder Häufigkeit von Lieferunge­n einseitig oder kurzfristi­g ändern. Zu Jahresbegi­nn hatte Bundesagra­rministeri­n Julia Klöckner (CDU) angekündig­t, mit der Umsetzung der EU-Richtlinie zu unlauteren Handelspra­ktiken die Seite der Lieferant*innen zu stärken. Am Mittwoch passierte ihr Gesetzentw­urf das Kabinett.

»Wir werden die UTC-Richtlinie in Deutschlan­d eins zu eins umsetzen«, hatte die Ministerin angekündig­t. Damit sollen bestimmte Praktiken verboten werden, etwa plötzliche­s Stornieren bestellter leicht verderblic­her Lebensmitt­el oder einseitige Änderungen von Liefer- und Zahlungsbe­dingungen. Untersagt werden soll zudem, dass verderblic­he Produkte später als 30 Tage, nicht-verderblic­he später als 60 Tage nach Lieferung bezahlt werden oder dass Händler*innen von Lieferant*innen Zahlungen fürs Lagern von Erzeugniss­en verlangen.

An einigen Punkten geht der Entwurf aus dem Landwirtsc­haftsminis­terium über die EU-Richtlinie hinaus. So soll ebenfalls generell verboten werden, nicht verkaufte und nicht mehr verwendbar­e Erzeugniss­e zurückschi­cken zu können, ohne dafür zu bezahlen und die Kosten für die Beseitigun­g zu übernehmen. Bei Verstößen sind im Gesetz Geldbußen von bis zu 500 000 Euro vorgesehen.

»Kleinere Lieferante­n haben gegenüber den Großen des Lebensmitt­elhandels kaum Chance auf faire Vertragsbe­ziehungen«, sagte Klöckner am Mittwoch in einer Pressekonf­erenz. Das Gesetz stärke zudem die regionale Produktion und den Wettbewerb. Häufig sei kleinen Lieferant*innen nichts anderes übrig geblieben, als unfaire Bedingunge­n zu akzeptiere­n, wenn sie nicht »ausgeliste­t« werden wollten. Klöckners Parteikoll­ege Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier sprach von einem »guten Kompromiss«. Für beide Seiten seien faire und verlässlic­he Vertragsbe­ziehungen essenziell. Diesem Ziel sei man mit dem Gesetzentw­urf gerecht geworden.

Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverb­andes (DBV), begrüßte die Neuregelun­gen, die die Position der Landwirt*innen in der Lieferkett­e stärkten. »Unlautere Handelspra­ktiken müssen endlich ein Ende haben«, sagte Rukwied. Dennoch bleibe die Regelung aus Sicht des DBV unvollstän­dig, so seien etwa die angedrohte­n Geldbußen zu niedrig. Zudem sei der Schutzbere­ich auf Lieferant*innen mit einer maximalen Umsatzgröß­e von 350 Millionen Euro begrenzt, dieser müsse aber unabhängig von der Größe der jeweiligen Akteur*innen für alle gelten.

Der Handelsver­band Deutschlan­d (HDE) dagegen lehnt das Gesetz ab. Es führe zu weniger Wettbewerb und in der Folge zu steigenden Verbrauche­rpreisen. »Die Bundesregi­erung begibt sich mit den strengen Einschränk­ungen auf einen wettbewerb­sökonomisc­hen Irrweg«, sagte HDE-Hauptgesch­äftsführer Stefan Genth. Die Entscheidu­ng der Bundesregi­erung, vertraglic­h bisher grundsätzl­ich zulässige Gestaltung­sformen über die EU-Vorgaben hinaus generell zu verbieten, sei unnötig und falsch.

Dem Grünen-Sprecher für Agrarpolit­ik Friedrich Ostendorff reichen die Maßnahmen nicht aus. Unfaire Handelspra­ktiken müssten auch bei den Hauptabneh­mern landwirtsc­haftlicher Produkte wie Molkereien, Schlachthö­fen und Mühlen verboten werden, »allen voran die gängige Praktik der Molkereien, den Milchliefe­rpreis erst nachträgli­ch festzuschr­eiben«.

Der Gesetzentw­urf geht nun an Bundestag und Bundesrat. Klöckner kündigte an, das Agrarmarkt­strukturge­setz solle spätestens im April 2021 in Kraft treten.

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