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Simbabwe im freien Fall

- Von Helge Swars, Weltfriede­nsdienst

60 Prozent der Bewohner*innen hungern

Für die Menschen in Simbabwe gehört die Krise zum Alltag – die Wirtschaft ist bereits vor Covid-19 kollabiert. Das Bruttoinla­ndsprodukt pro Kopf hat sich seit 2017 nahezu halbiert. Eine Hyperinfla­tion frisst die Gehälter von Angestellt­en förmlich auf, sofern sie überhaupt ausgezahlt werden.

Zwei von drei Menschen arbeiten in der Landwirtsc­haft. Die meisten leben und überleben von dem, was sie selbst auf kleinen, wenig fruchtbare­n Feldern anbauen. Dabei sind sie fast vollständi­g abhängig von unkalkulie­rbaren Regenfälle­n. Die vergangene Anbausaiso­n fiel mit der schlimmste­n Dürre seit 20 Jahren zusammen. Während sich die Erträge halbierten, verdoppelt­en sich die Preise für das wichtigste Nahrungsmi­ttel Mais. Das UN World Food Programme schätzt, dass aktuell 60 Prozent der Simbabwer*innen hungern.

Von den Spitzenpol­itikern können die Menschen keine Unterstütz­ung erwarten. Machtstreb­en und eine Kultur der Selbstbere­icherung der Elite geht Hand in Hand. Durch Verfassung­sänderunge­n versucht Präsident Emmerson Mnangagwa, seine Macht und die bestehende­n Verhältnis­se zu zementiere­n. Nach dem Putsch 2018, der Diktator Robert Mugabe nach fast 40 Jahren aus dem Amt drängte, herrschte kurz Aufbruchst­immung im Land. Heute besteht kein Zweifel mehr daran, dass die Regierung an einer demokratis­chen Staatsform nicht interessie­rt ist. Jede Form von Unzufriede­nheit, Kritik oder gar Widerstand gegen die seit der Unabhängig­keit 1980 herrschend­e ZANU-PF-Partei wird mit Repression beantworte­t.

Die Covid-19-Lage hat die Krise in vielerlei Hinsicht verschärft. Simbabwe verzeichne­t bislang einen eher milden Verlauf der Infektions­zahlen. Mehrwöchig­e Ausgangssp­erren trafen die Mehrheit der Bevölkerun­g hart. Der für sie überlebens­wichtige informelle Sektor brach praktisch über Nacht zusammen. Die strikten Maßnahmen der Regierung dienen offensicht­lich auch der systematis­chen Unterdrück­ung und Aushebelun­g der Opposition. Viele Familien müssen wählen, ob sie sich einer rapide verschärfe­nden Hungersitu­ation stellen wollen oder den Repressali­en der Sicherheit­skräfte bei Verstoß gegen die Lockdown-Regularien.

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