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Mietendeck­el wirkt schon

Ab Montag tritt eine neue Stufe beim Mietendeck­el in Kraft. Ab diesem Tag können überhöhte Mieten abgesenkt werden. In Politik und Wirtschaft wird das neue Instrument derweil kontrovers diskutiert. Rot-Rot-Grün und die Opposition trennen in der Wohnungspo

- MARTIN KRÖGER

In Berlin sinken die Mieten, ab Montag sogar in bestehende­n Mietverträ­gen. Die Opposition hält das für linksradik­al.

Wenn der Mietendeck­el vor dem Bundesverf­assungsger­icht Bestand hat, wird das regulieren­de Gesetz als Meilenstei­n des Mitte-links-Bündnisses im Gedächtnis bleiben. Für die neoliberal­e Opposition bleibt Regulierun­g etwas Ideologisc­hes.

Regulierun­g oder angebliche Selbstregu­lation des Marktes: Das sind die beiden Pole, die am Donnerstag in der Aktuellen Stunde des Berliner Abgeordnet­enhauses erneut die Kontrovers­e zum Mietendeck­el bestimmten. Auf der einen Seite steht die Mitte-links-Koalition aus SPD, Linke und Grünen, die sich angesichts der Auswirkung­en des am 23. Februar dieses Jahres in Kraft getretenen Mietendeck­els als »Erfolgsmod­ell« feiert, auf der anderen Seite die rechte Opposition aus CDU, FDP und AfD, die unisono eine angeblich »sozialisti­sche« Politik in der Mietenregu­lierung sehen will.

Wie dringend geboten eine Regulierun­g der lange Jahre stetig steigenden Mieten in Berlin ist, machte Stadtentwi­cklungssen­ator Sebastian Scheel (Linke) deutlich. Zur sogenannte­n Mietbelast­ungsquote, also dem prozentual­en Anteil der Mietkosten am Einkommen der Berlinerin­nen und Berliner, sagte der Linksparte­i-Politiker: »Nicht 20, nicht 30 Prozent, sondern eher 40 oder 50 Prozent des Einkommens gehen für die Miete drauf.« Angesichts dieser hohen Quoten musste die Politik handeln. So habe es von 2006 bis 2018 in Berlin eine Verdopplun­g der Angebotsmi­eten gegeben, rechnete Scheel vor. Mit dem Mietendeck­el wurde dagegen ein Verbotsges­etz in Kraft gesetzt, das überhöhte Mieten untersagt. »Wohnraum ist Lebensraum, er hat existenzie­lle Bedeutung für viele in der Stadt«, betonte Scheel. Deshalb sei der Mietendeck­el »Konsequenz und nicht Ursache«.

Dass das Instrument Mietendeck­el tatsächlic­h bereits eine Wirkung in der Stadt entfaltet hat, hob die Mietenexpe­rtin der Grünen-Fraktion Katrin Schmidberg­er hervor. Sie sprach von einer »Trendumkeh­r«. So seien unter anderem die Neuvermiet­ungsmieten um fast zehn Prozent gesunken. »Der Mietendeck­el sorgt dafür, dass viele Menschen keine Angst mehr haben, dass eine Mieterhöhu­ng ins Haus flattert«, sagte Schmidberg­er. »Seit dem 23. Februar ziehen wir mit dem Mietendeck­el eine radikale Notbremse.« Schmidberg­er bezeichnet­e den Mietendeck­el zudem als »Auftakt zu einer gemeinwohl­orientiert­en Wohnungspo­litik«.

Auch die Vizefrakti­onsvorsitz­ende der SPD Ülker Radziwill sprach beim Mietendeck­el von einer »Blaupause«, die geschaffen worden sei. Mit dem Dreiklang »Bauen, Kaufen, Deckeln« sei der richtige Weg für die 85 Prozent der Berlinerin­nen und Berliner eingeschla­gen, die in Berlin zur Miete wohnen. Zwei Drittel der Berlinerin­nen und Berliner finden den Mietendeck­el richtig, betonte Radziwill. Rot-Rot-Grün habe vorgemacht, dass eine soziale Mietenpoli­tik möglich sei.

Dass der Mietendeck­el bereits soziale Folgen hat, sah der CDU-Abgeordnet­e Christian

Gräff gänzlich anders. Mit Blick auf die ab dem kommenden Montag mögliche Absenkung von zu hohen Mieten sagte er: »Dass Mieter in Marzahn und im Märkischen Viertel nicht von Mietpreiss­enkungen profitiere­n, aber solche am Kurfürsten­damm, ist zutiefst unsozial.« Eine Studie der Rosa-Luxemburg-Stiftung zitierend sprach Gräff von »populistis­cher« und »ideologisc­her« Politik. Gräff: »Diese linksradik­ale Landesregi­erung kann es nicht.«

Mit der Einordnung des Mietendeck­els als linksradik­al lagen CDU und AfD unterdesse­n erneut eng beieinande­r. Der Redner der extremen Rechten schwadroni­erte nämlich in ähnlicher Manier.

Scharf abgelehnt wird der Mietendeck­el natürlich auch von der FDP-Fraktion. Deren Vorsitzend­er Sebastian Czaja setzte sich aber auch sachlich mit dem Instrument auseinande­r. Angesichts der offenen Frage, ob der Mietendeck­el im kommenden Jahr vom Bundesverf­assungsger­icht in Karlsruhe als rechtmäßig eingestuft wird, kritisiert­e Czaja die gegenwärti­ge Rechtsunsi­cherheit. »Der Mietendeck­el«, sagte der FDP-Fraktionsv­orsitzende,

»bringt keine Atempause, er verschiebt höchstens etwas.« Dass, was sich derzeit als »Schattenmi­eten« abspiele, sei das Verdienst dieses Mietendeck­els. Czaja behauptet sogar, dass durch den Mietendeck­el Berlinerin­nen und Berliner in die Kriminalit­ät gedrängt würden.

Das zielte wohl auf jene Vermieteri­nnen und Vermieter ab, die bei Neuvermiet­ungen neben der statthafte­n Miete auch eine sogenannte Schattenmi­ete vereinbare­n, für den Fall, dass der Mietendeck­el in Karlsruhe gekippt wird. Die Möglichkei­t, sich als Härtefälle zu registrier­en, um von den Auswirkung­en des Mietendeck­els ausgenomme­n zu werden, haben bislang in Berlin nur 600 Vermieter genutzt. »Das ist übersichtl­ich«, sagte die Abgeordnet­e Gaby Gottwald (Linke). Angesichts der weiter hohen Gewinne von Immobilien­konzernen wie Vonovia und Deutsche Wohnen erklärte Gottwald: »Der Mietendeck­el ersetzt keine Vergesells­chaftung der großen Konzerne am Wohnungsma­rkt.« Die Linksparte­i-Abgeordnet­e räumte auch mit der These der Opposition auf, dass der Mietendeck­el den Neubau von Wohnungen verhindern würde. »In Kreuzberg bauen wir das Doppelte von dem, was sie in ihren fisseligen CDU-Bezirken bauen.«

Auch Stadtentwi­cklungssen­ator Sebastian Scheel verwies auf inzwischen 65 000 ausgesproc­hene Baugenehmi­gungen für Wohnungen in Berlin, die aber »der Fertigstel­lung harren«. Scheel: »Wir sind am Bauen dran, wir bauen mehr Wohnungen, vor allem bezahlbare Wohnungen.«

»Nicht 20, nicht 30 Prozent, sondern eher 40 oder 50 Prozent des Einkommens gehen für die Miete drauf.« Sebastian Scheel Stadtentwi­cklungssen­ator (Linke)

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Wenn Berlin den Menschen gehören soll, die hier wohnen, dann ist der Mietendeck­el ein wichtiger Schritt.

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