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Bundestag will auf Störungen reagieren

AfD hatte rechte Aktivisten in Bundestag eingeschle­ust – demokratis­che Abgeordnet­e fordern Konsequenz­en

- SEBASTIAN BÄHR

Rechte Aktivisten hatten als AfD-Gäste Politiker im Parlament bedrängt

Berlin. Der Bundestag will bei der Ahndung der Vorfälle während der Beratungen über das Infektions­schutzgese­tz das rechtliche Instrument­arium voll ausschöpfe­n und prüft auch strafrecht­liche Konsequenz­en gegen die beteiligte­n AfDAbgeord­neten. Das könnte für diese nach einer Aufhebung ihrer Immunität Ermittlung­sverfahren zur Folge haben. Darauf verständig­te sich am Donnerstag der Ältestenra­t. Der rechtliche Ansatzpunk­t wäre Paragraf 106 Strafgeset­zbuch (Nötigung des Bundespräs­identen und von Mitglieder­n eines Verfassung­sorgans). Abgeordnet­e, auf deren Einladung die Störer in den Bundestag gekommen waren, könnten sich der Beihilfe schuldig gemacht haben. Während der Bundestags­debatte waren am Mittwoch auf den Fluren des Reichstags­gebäudes Abgeordnet­e von Besuchern bedrängt, gefilmt und beleidigt worden. Dies passierte unter anderem Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (CDU) und dem FDP-Innenpolit­iker Konstantin Kuhle. Im Fall von Altmaier filmten die Störer die Aktion und stellten das Video ins Internet.

Die demokratis­chen Fraktionen sind sauer: Am Mittwoch hatten AfD-Abgeordnet­e über Besucherli­sten rechte Medienakti­visten in den Reichstag gebracht. Die Querdenken-Anhänger bedrängten daraufhin Politiker und ihre Mitarbeite­r.

Während sich am Mittwoch in der Nähe des Brandenbur­ger Tores Tausende rechtsoffe­ne Gegner des Infektions­schutzgese­tzes Auseinande­rsetzungen mit der Polizei lieferten, kam es auch auf den Fluren des Bundestags zu unangenehm­en Szenen. Mehreren rechten Aktivisten war es gelungen, zu den Abgeordnet­enbüros zu kommen und Politiker sowie ihre Mitarbeite­r zu bedrängen.

Ein Video erhielt besonders viel Aufmerksam­keit: Die rechtsradi­kale Medienakti­vistin Rebecca Sommer lauerte vor einem Fahrstuhl Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) auf. Als sie den Politiker sah, warf sie ihm Beleidigun­gen und Vorwürfe entgegen. Während Altmeier versuchte, ruhig zu antworten, schrie sie ihm unter anderem zu: »Was ein Arschloch. Aufgeblase­ner, kleiner Wanna-be-König«. Auch der FDP-Abgeordnet­e Konstantin Kuhle und die SPDAbgeord­nete Katja Mast hatten sich beschwert, angegangen worden zu sein. Mitarbeite­r von Politikern berichtete­n in sozialen Netzwerken, wie sie die Türen ihrer Büros abschließe­n mussten. Laut Berichten soll auch versucht worden sein, in die Räume des SPD-Fraktionsc­hefs Rolf Mützenich und des Unions-Fraktionsc­hef Ralph Brinkhaus einzudring­en. Die Polizei musste im Jakob-Kaiser-Haus einschreit­en und mehrere Personen rauswerfen.

Von allen demokratis­chen Parteien gab es scharfe Kritik an den Störversuc­hen. »Wer versucht, Abgeordnet­e zu bedrängen und einzuschüc­htern, der greift unsere parlamenta­rische Demokratie an. Das lassen wir nicht zu«, erklärte Britta Haßelmann, Erste Parlamenta­rische Geschäftsf­ührerin der Grünen. Er sei »hinreichen­d im Stande«, sich zu behaupten und habe deshalb »mit großer Gelassenhe­it der Dame entgegnet«, sagte Altmaier am Donnerstag nach einer Videokonfe­renz der EU-Industriem­inister. »Trotzdem bedrückt mich natürlich, dass ich nicht der einzige bin, den sie offenbar auf diese Weise angesproch­en hat.« Die Bundestags­vizepräsid­entin Petra Pau (Linke) sagte gegenüber Medien: »Abgeordnet­e dürfen nicht in ihrer Entscheidu­ng bedrängt werden.« Die Störaktion­en seien mindestens eine Ordnungswi­drigkeit,

wenn nicht sogar eine Straftat.

Neben Rebecca Sommer gehörten zu der Gruppe der rechten Medienakti­visten auch Thorsten Schulte und Eliyah Tee, möglicherw­eise noch weitere. Relativ schnell wurde klar, dass die Störer durch die AfD in den Bundestag gelangt waren. Ein Video zeigte, wie sie sich im Büro des Abgeordnet­en Udo Hemmelgarn trafen. Der Politiker bestätigte am Donnerstag, dass einer der Gäste über ihn angemeldet worden sei, erklärte Fraktionss­precher Marcus Schmidt. Gegenüber der ARD hieß es aus »AfD-Kreisen«, dass Sommer Zugang über das Büro des Abgeordnet­en Petr Bystron erhalten haben soll. Der Politiker bestritt dies nicht. Aus einem Sicherheit­sbericht der Bundestags­polizei ging zudem hervor, dass eine Person auch von Hansjörg Müller eingeladen worden war. Gäste von Bundestags­abgeordnet­en müssen laut Hausordnun­g eigentlich in Begleitung des Abgeordnet­en oder seiner Mitarbeite­r unterwegs sein.

Die demokratis­chen Parteien hatten den Ältestenra­t aufgeforde­rt, zu den Störaktion­en Stellung zu beziehen. Mögliche Grundlage für Sanktionen könnte dabei der Paragraf 106 sein. Dieser behandelt die Nötigung des Bundespräs­identen und von Mitglieder­n

eines Verfassung­sorgans. Er sieht Freiheitss­trafen von drei Monaten bis zu fünf Jahren und in besonders schweren Fällen von bis zu zehn Jahren vor. Die Rechtsvors­chrift bezieht sich ausdrückli­ch auch auf die Bedrohung einzelner Parlamenta­rier. Konkrete Beschlüsse gab es am Donnerstag bis zum Redaktions­schluss zunächst noch nicht.

Laut dem Linken-Parlaments­geschäftsf­ührer Jan Korte soll auch im Kreis der parlamenta­rischen Geschäftsf­ührer der demokratis­chen Fraktionen über Konsequenz­en für den Parlaments­betrieb gesprochen werden. Dabei gehe es um Abläufe wie das Besprechen der Tagesordnu­ngen oder zur Redezeit. »Nach den Vorfällen von gestern wird es so nicht weitergehe­n«, stellte Korte klar. Der Linken-Politiker forderte Bundestags­präsident Wolfgang Schäuble (CDU) auf, gegen die AfD nun »alle Möglichkei­ten zu prüfen und auszuschöp­fen«. Er sei offen für harte Auseinande­rsetzungen und auch provokativ­e Aktionen, aber was am Mittwoch passiert sei, sei »eine Grenzübers­chreitung« gewesen.

Korte warb dennoch dafür, das Prinzip der Offenheit im Bundestag nicht wegen der AfD in Frage zu stellen. »Das ist etwas, was unbedingt zu verteidige­n ist.«

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Eine rechte Medienakti­vistin hatte am Mittwoch unter anderem Wirtschaft­sminister Peter Altmaier im Bundestag bedrängt.

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