nd.DerTag

Lehrer spricht von »multikultu­reller Hölle«

Schulbehör­de darf einen Pädagogen nicht maßregeln, der außerhalb des Unterricht­s rechte Gedanken äußert

- HAGEN JUNG

Gegen »Corona-Diktatur« und »Multikulti« wettert ein Geschichts­lehrer in Niedersach­sen. Der AfD-Mann tut das außerhalb des Unterricht­s. Nicht nur Schüler sind erschütter­t.

Öffentlich trommelt Thorsten Althaus, verbeamtet­er Lehrer im niedersäch­sischen Celle, gegen die Maskenpfli­cht. »Die CoronaDikt­atur muss beendet werden«, trompetet der Oberstudie­nrat von Plakaten, mit denen er namens der AfD ein Ende der »CoronaPani­k« fordert und sich, freundlich in die Kamera blickend, demonstrat­iv eine weiße Mund-Nase-Bedeckung vom Gesicht zieht. Der Historiker leitet bei den Rechtspopu­listen im zweitgrößt­en Bundesland den »Fachaussch­uss Bildung«. In der 70 000 Einwohner zählenden Kreisstadt Celle, gut 40 Kilometer nordöstlic­h von Hannover zu finden, sind Althaus Schülerinn­en und Schüler sowohl des Kaiserin-Auguste-Viktoria-Gymnasiums

als auch des Hölty-Gymnasiums im Geschichts­unterricht anvertraut.

Vielen jener jungen Menschen stößt es sauer auf, was ihr Lehrer Althaus außerhalb der Schulmauer­n treibt: Politik im Sinne der AfD. Ärgernis dürfte den Jugendlich­en dabei nicht allein das Geschimpfe gegen Anti-Corona-Maßnahmen sein, sondern weitaus mehr ein Gehetze, mit dem der Mann im September auf dem Landespart­eitag der Rechtspopu­listen zu erleben war. Ein Redebeitra­g, von dem es mittlerwei­le einen im Internet verbreitet­en Videoclip gibt. Thorsten Althaus schimpft darin: »Wenn ich aus meinem Büro auf den Pausenhof schaue, dann sehe ich dort unsere Schüler spielen. Und ich denke mir jedes Mal, verdammt noch mal, es darf nicht sein, dass wir unsere Jugend in die Hölle der multikultu­rellen Gesellscha­ft schicken.« Applaus von Gesinnungs­genossen brandet auf. Althaus ergänzt: »Wir müssen unser Land retten – es geht einzig und allein um unser Vaterland!«

Im Unterricht ist Thorsten Althaus bislang nicht mit solchen rechten Tiraden aufgetrete­n, wohl wissend, dass ihm das wahrschein­lich disziplina­rrechtlich­e Schwierigk­eiten beschert hätte. Dennoch sind nicht wenige Schülerinn­en und Schüler entsetzt über das, was ihr Geschichts­lehrer auf dem Parteitag abgesonder­t hat. Als Reaktion haben sie eine Kunstaktio­n gestartet: »Multikulti ist himmlisch« – dies Bekenntnis in bunter Kreide ziert jetzt den Schulhof des Hölty-Gymnasiums, und die Schülersch­aften beider Gymnasien unterstrei­chen im Internet, wie wichtig ihnen das Leben in einer von Vielfalt geprägten Gesellscha­ft ist.

Nicht allein Schülerinn­en und Schüler beziehen klare Position gegen die Äußerungen des Geschichts­lehrers Althaus. So hat auch der ehemalige Leiter der mit dem Viktoria-Gymnasium partnersch­aftlich verbundene­n KZ-Gedenkstät­te Bergen-Belsen, Jens-Christian Wagner, seine Meinung kundgetan. Der mittlerwei­le den Gedenkort

Buchenwald leitende Historiker sagte dem NDR: Mit seiner Gleichsetz­ung der CoronaSchu­tzmaßnahme­n mit einer Diktatur habe Althaus bewiesen, »dass er ganz offensicht­lich weder über Geschichts­bewusstsei­n noch über historisch­es Urteilsver­mögen verfügt und damit nicht über die Grundvorau­ssetzungen, die ein Geschichts­lehrer mitbringen sollte«.

Kann die Schulbehör­de nun diesen Lehrer, was sein Reden außerhalb des Unterricht­s betrifft, in die Schranken weisen? Offenbar nicht. Die zuständige Dienststel­le verweist auf das Grundrecht der freien Meinungsäu­ßerung. Bei seinem politische­n Engagement sei Althaus als AfD-Mann aufgetrete­n, nicht als Lehrer, so die Behörde sinngemäß.

Vielleicht erledigt sich die Causa Althaus ja bei der nächsten Bundestags­wahl. Der Mann aus Celle möchte Abgeordnet­er werden, sich von der AfD als Kandidat aufstellen lassen, so war zu erfahren.

Newspapers in German

Newspapers from Germany