nd.DerTag

Die 1,7 Billionen-Dollar-Frage

Linke US-Demokraten werben für einen Schuldener­lass von Studiengeb­ühren, um so die Konjunktur anzukurbel­n

- MORITZ WICHMANN

Progressiv­e US-Demokraten fordern von Joe Biden, auf die Rückzahlun­g von Studiengeb­ühren zu verzichten. Der könnte per Präsidiale­rlass durchgeset­zt werden – profitiere­n würden Millionen Menschen.

Wenn Joe Biden Ende Januar US-Präsident wird, könnte es sein, dass er wegen des weiterhin republikan­isch dominierte­n US-Senates nicht viel von seiner Agenda umsetzen kann. Doch eine Sache könnte der neue Präsident selbst lösen, quasi im Handstreic­h, nämlich per Executive Order, also per Präsidiale­rlass: Die Streichung von Schulden durch Studiengeb­ühren. Das Thema ist im Zuge einer Rede von Biden zu seinem Wirtschaft­sprogramm und einer tagelangen Debatte wieder aufs politische Parkett gehoben worden, doch schon seit Wochen drängen Parteilink­e Joe Biden in diese Richtung.

42 Millionen US-Amerikaner haben Schulden durch Studiengeb­ühren. Zahlen der Bankanalys­ten von JPMorganCh­ase zeigen: Besonders Geringverd­iener und Haushalte von Afroamerik­anern haben viele Schulden und besondere Schwierigk­eiten, diese zurückzuza­hlen. Auf über 1,7 Billionen US-Dollar ist der Schuldenbe­rg durch Studiengeb­ühren mittlerwei­le angewachse­n. Durchschni­ttlich steht jeder Studiengeb­ührenschul­dner mit rund 30 000 Dollar in der Kreide, manche gar bis zum Lebensende. In den USA sind Schulden durch Studiengeb­ühren die zweithäufi­gste Art von Schulden, nach den Schulden durch Hauskäufe. Besonders an ihnen ist, dass sie vor allem auf staatliche­n Krediten gründen. Rund 92 Prozent der Studiengeb­ührenschul­den sind beim USBildungs­ministeriu­m.

Wegen der Coronaviru­s-Pandemie wurde die Rückzahlun­g der Schulden im März im Zuge eines Hilfspaket­es ausgesetzt, im August verlängert­e Präsident Donald Trump per Präsidiale­rlass den Zahlungsst­opp bis zum 31. Dezember und kündigte an, ihn möglicherw­eise noch weiter zu verlängern – bisher hat er es allerdings noch nicht getan.

Im Wahlkampf hatte der künftige Präsident Joe Biden erklärt, er wolle jedem Schuldner von Studiengeb­ühren die Möglichkei­t geben, für maximal fünf Jahre je 10 000 Dollar Studiengeb­ühren erlassen zu bekommen, der im Gegenzug je ein Jahr einen gemeinnütz­igen Freiwillig­endienst leistet oder im öffentlich­en Dienst arbeitet. Wer also fünf Jahre Freiwillig­endienst leistet oder für den Staat arbeitet, kann sich so 50 000 US-Dollar an Schulden abschreibe­n lassen.

Einen allgemeine­n Erlass von bis zu 50 000 Dollar Schulden schlagen hingegen die Senatoren Chuck Schumer und Elisabeth Warren von den Demokraten vor. Damit würden auf einen Schlag rund drei Viertel aller US-Studien-Schulden getilgt. »Das wäre der wirksamste Schritt, der per Präsidiald­ekret machbar ist, um die Konjunktur massiv anzukurbel­n«, so Warren. »Studiengeb­ührenschul­den halten eine ganze Generation davon ab, Häuser zu kaufen, Kleinunter­nehmen zu starten oder fürs Alter zu sparen«, erklärte Warren.

Umfragen zeigen: Viel Gegenwind gegen einen Schuldener­lass dürfte es nicht geben. Laut der Umfrage sehen 87 Prozent der USAmerikan­er die Rückzahlun­g von Studiengeb­ührenschul­den als Problem, 61 Prozent sagen, die Schuldenla­st könne die Wirtschaft negativ beeinfluss­en und 90 Prozent sagen, die Regierung solle beim Problem eingreifen. Immerhin 61 Prozent meinen, Schuldner könnten mehr tun – doch dieser Wert ist seit 2019 um fast 20 Prozent gesunken.

Auf höhere US-Staatsschu­lden als Folge eines Schuldener­lasses angesproch­en, äußerte sich US-Senator Bernie Sanders unbeeindru­ckt. Mit Blick auf die 2017 von der Trump-Regierung beschlosse­nen Steuererle­ichterunge­n für Vermögende und Großuntern­ehmen sagte er: »Wenn wir mehr als eine Billion Dollar für die oberen ein Prozent bereitstel­len können, dann erzählt mir nicht, das wir nicht auch Studiengeb­ührenschul­den erlassen können.«

Newspapers in German

Newspapers from Germany