nd.DerTag

Scheinheil­ige Debatte

-

Peter Steiniger über Heuchelei der EU im Streit mit Polen und Ungarn

Ein (virtueller) Gipfel folgt auf den anderen. Am Donnerstag schalteten sich die EU-Staats- und Regierungs­chefs erneut zusammen. In der Coronakris­e scheint die EU-Familie fast so etwas wie einen Haushalt zu bilden, hat die Union als Institutio­n einen Bedeutungs­zuwachs erfahren. Doch Harmonie herrscht unter ihrem Dach nicht, und nach den Vetos von Ungarn und Polen beim Etat und den Corona-Hilfsfonds hängt der Haussegen endgültig schief. Statt ordentlich Geld für den sogenannte­n Wiederaufb­au zu verteilen, steht die EU zunächst ohne die Mittel dafür da. Auf die Art des Kompromiss­es darf gewettet werden, ein fauler dürfte am wahrschein­lichsten sein.

Im Streit mit den Boykotteur­en werden Werte und Prinzipien hochgehalt­en – um den Umgang mit Despoten größeren Kalibers geht es leider nicht. Warschau und Budapest kontern, betonen ihre Souveränit­ät. Beide sind wertvoll für die EU, denn die ist zuerst gemeinsame­r Markt, gefolgt von einer ganzen Weile Nichts. Ihre Ostzone ist zudem verlängert­e Werkbank und soll Russlands Einfluss bannen. Dass nur in Warschau und Budapest politische oder wirtschaft­liche Macht Recht bricht, ist Heuchelei. Denn die EU-Schwergewi­chte und jene Staaten, die von ihnen politisch gedeckt werden, haben vom Rechtsstaa­tsmechanis­mus sicher nichts zu befürchten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany