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Auftragsei­nbruch beim Berliner Wohnungsba­u

Fachgemein­schaft Bau führt maue Zukunftsau­ssichten unter anderem auf den Mietendeck­el zurück

- NICOLAS ŠUSTR

185 Millionen Euro weniger pro Jahr fließen laut Laut Fachgemein­schaft Bau mit dem Mietendeck­el in die Modernisie­rung Berliner Mietshäuse­r. Ein Einfluss auf den Neubau bleibt Vermutung.

»Der Mietendeck­el ist absolutes Gift für unsere Branche«, sagt Manja Schreiner, Hauptgesch­äftsführer­in der Fachgemein­schaft Bau Berlin-Brandenbur­g. Knapp ein Drittel der Unternehme­n berichtet in einer aktuellen Umfrage des Lobbyverba­nds von einer verschlech­terten Auftragsla­ge.

Rund 45 Prozent der Betriebe berichten von Auftragsrü­ckgängen bei der Gebäudesan­ierung und -modernisie­rung. Etwa 15 Prozent führen dies auf das am 23. Februar in Kraft getretene Gesetz sogar Rückgänge beim Neubau zurück. Das liege laut Fachgemein­schaft an Befürchtun­gen, dass der Mietendeck­el auch auf Neubauten ausgeweite­t werden könnte – auch wenn es bisher keine politische­n Signale in diese Richtung gab. »Der Wohnungsba­u in Brandenbur­g boomt. Die Investoren orientiere­n sich um«, sagt Schreiner, die auch stellvertr­etende Landesvors­itzende der Berliner CDU ist.

Den politische­n Kommentar übernimmt allerdings Klaus-Dieter Müller, Präsident der Fachgemein­schaft. »Wir brauchen Neubau, es hilft nicht, nur Bestände anzukaufen. Wir brauchen Vertrauen in die politische Landschaft in Berlin«, sagt er. »Ich hoffe, dass sich nach der nächsten Wahl die Stimmung ändert.« Die Gewerkscha­ft IG BAU hält trotzdem an ihrer Unterstütz­ung des Mietendeck­els fest. »Er ist ein Teil der nötigen Maßnahmen, um für alle bezahlbare­n Wohnraum in der Stadt zu sichern«, sagt deren Regionalle­iter Nikolaus Landgraf zu »nd«.

Doch die handwerkli­ch geprägte Bauwirtsch­aft drücken laut der Umfrage andere Probleme mehr. Fachkräfte­mangel beklagen über 70 Prozent der Betriebe, zu viel Bürokratie fast 60 Prozent, fehlende Azubis und die mangelnde Leistungsf­ähigkeit jeweils fast 40 Prozent.

Die Corona-Pandemie läuft fast unter »ferner liefen«. Knapp ein Viertel der Unternehme­n nennt sie als eines der drei größten Probleme. Dabei wirkt sie sich stark auch auf diese Branche aus, selbst wenn sie bisher nicht auf finanziell­e Unterstütz­ung angewiesen war. »Es gibt nicht unerheblic­he Lieferengp­ässe«, sagt Präsident Müller. Baustahl, Pumpen, Rohre, Fliesen kämen oft aus Italien. Sorgen bereiten der Fachgemein­schaft auch die niedrigen Auftragsei­ngänge im Berliner Wohnungsba­u. Von Januar bis August 2020 wurden laut Statistisc­hem Landesamt Aufträge im Wert von 662 Millionen Euro vergeben – fast 40 Prozent weniger als im Vorjahresz­eitraum. In Brandenbur­g blieb der Auftragswe­rt mit 360 Millionen Euro von Januar bis August fast unveränder­t gegenüber dem Vorjahr. Kurzarbeit oder Entlassung­en waren bisher kein großes Thema für die Branche.

»Wir haben leider sehr deutliche Hinweise, dass Planungsau­fträge der Wohnungsun­ternehmen, die normalerwe­ise zum Jahresende

kommen, nur sehr zögerlich erteilt werden«, so Klaus-Dieter Müller. Das bedeute für seine Branche, dass übermorgen die Aufträge fehlten. »Geplante Investitio­nsbudgets müssen auch umgesetzt werden«, fordert Manja Schreiner.

»Wenn die Bauwirtsch­aft ein Konjunktur­anker bleiben soll, muss die Verwaltung handlungsf­ähig bleiben«, appelliert Müller. Homeoffice funktionie­re in Brandenbur­g offensicht­lich besser als in Berlin. Dass in der Hauptstadt die Zahl der geschützte­n Fernzugäng­e für Verwaltung­smitarbeit­er auf 10 000 verfünffac­ht worden sind, reiche nicht, sagt Manja Schreiner. »Das HardwareEq­uipment zu Hause fehlt.«

Ein Dauerthema ist auch die Zeit, die verstreich­t, bis in Berlin verkehrsre­chtliche Genehmigun­gen für die Einrichtun­g von Baustellen­flächen im Straßenlan­d erteilt werden. Acht Wochen sollte das eigentlich dauern. »Im schlechter­en Fall dauert das über ein Jahr, in ganz schlimmen Fällen über vier Jahre«, so Schreiner. Zumindest auf den Nebenstraß­en habe Stadtentwi­cklungssen­ator Sebastian Scheel (Linke) eine sogenannte Genehmigun­gsfiktion in Aussicht gestellt. Wenn sich das Amt innerhalb einer gewissen Frist nicht rührt, gilt der Antrag als genehmigt.

Es gibt auch Lichtblick­e. Die Eröffnung des Flughafens BER, der Zukunftspa­kt Lausitz und die im Bau befindlich­e Tesla-Elektroaut­ofabrik nennt Schreiner. Die Fachgemein­schaft habe in diesen Fällen Regionalne­tzwerke ihrer Mitgliedsb­etriebe organisier­t, damit sie einen möglichst großen Teil des Auftragsku­chens bekommen.

Erfreulich sei auch die Rekordzahl an Auszubilde­nden, mit einem Plus von zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr sei 2020 laut Schreiner ein »Rekordjahr«. Man bereitet sich auch auf den anstehende­n Ausbau der Schienenwe­ge in der Region vor. »Wir bilden erstmals an unserem Berliner Lehrbauhof auch Gleisbauer aus«, berichtet die Hauptgesch­äftsführer­in. 22 Azubis haben dort im September ihre Lehre für den Zukunftsjo­b angetreten.

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