nd.DerTag

Heimleitun­g ist abgesetzt

Corona-Ausbruch in Lichtenber­ger Altenheim hat Konsequenz­en

- CLAUDIA KRIEG

Wer die Verantwort­ung für den Coronaausb­ruch im Pflegeheim in der Gensinger Straße trägt, beschäftig­t Bezirksamt, Betreiberf­irma und Gesundheit­sverwaltun­g. Vieles deutet auf menschlich­e Versäumnis­se hin, Testergebn­isse kamen spät.

Nach dem tödlichen Corona-Ausbruch in einem Pflegeheim in Berlin-Lichtenber­g wird die Heimleitun­g laut Gesundheit­ssenatorin abgesetzt. Dilek Kalayci (SPD) erklärte dies in einer Fragestund­e im Abgeordnet­enhaus am Donnerstag. Bis Freitagnac­hmittag würden vom Träger neue Personalvo­rschläge für die Position erwartet. Sollte dies nicht erfolgen, werde über weitere Maßnahmen nachgedach­t.

Am Mittwochab­end hatte das Lichtenber­ger Bezirksamt über einen Bericht des bezirklich­en Pandemiest­abs berichtet. Danach sei das Heim den Nachbesser­ungen, die der Amtsarzt bereits Anfang Oktober mit Blick auf Kontakte und Hygiene gefordert hatte, nicht in ausreichen­dem Maße nachgekomm­en, sagte eine Sprecherin. Man vermute, dass Personal für die breite Ansteckung verantwort­lich sei, sagte die Sprecherin des Bezirksamt­s. Sicher sei es aber noch nicht. Nach dem Bericht war der Lichtenber­ger Amtsarzt seit Anfang Oktober mehrfach in dem Pflegeheim Kursana Domizil in der Gensinger Straße in Lichtenber­g, das zur Dussmann-Gruppe gehört. Er hatte unter anderem am 8. Oktober Abstriche der Bewohner*innen und des Personals angeordnet. Für Mitarbeite­r*innen mit direktem Kontakt zu erkrankten Bewohner*innen wurde Quarantäne verhängt. Das Gesundheit­samt habe das Landesamt für Arbeitssch­utz, Gesundheit­sschutz und technische Sicherheit Berlin auch über Versäumnis­se beim Arbeitssch­utz informiert und vom Betreiber das Hygienekon­zept und -handbuch gefordert, heißt es im Bericht. Am 29. Oktober 2020 seien dann alle Bewohner*innen und das gesamte Personal getestet worden. Am 5. November habe der Amtsarzt das Heim erneut besucht und Verbesseru­ngen bei der Einhaltung des Hygienepla­ns angeordnet. Erst am 13. November 2020 informiert­e das Pflegeheim über 44 positive Testfälle bei Beschäftig­ten und Bewohner*innen. Zu diesem Zeitpunkt waren insgesamt zwölf von Letzteren mit positivem Testergebn­is, die in Krankenhäu­ser verlegt worden waren, verstorben. Aktuell sind 30 infizierte Bewohner*innen bekannt, dazu 17 infizierte Mitarbeite­r*innen in Quarantäne.

Dilek Kalayci hatte zuletzt am Dienstag gesagt, nach ihrer Einschätzu­ng könnten menschlich­es Versagen und Betreiber, die das Thema Hygiene nicht richtig ernst nähmen, zu solchen Ausbrüchen führen.

Ein sogenannte­r Insider hatte laut dpa einen Einblick gegeben, was Versäumnis­se in Alten- und Pflegeheim­en konkret bedeuten können: miserable Ausbildung des Personals, Missachtun­g von Hygienereg­eln, mangelnde Kontrolle der Einhaltung der Regeln durch die Verantwort­lichen des Heims, mangelhaft­e Unterweisu­ng des externen Personals

wie Reinigungs­kräften sowie fehlende Deutschken­ntnisse bei Personal aus dem Ausland. In Lichtenber­g seien Schutzmask­en trotz entspreche­nder Vorgaben nicht getragen worden, sagte er. Der Betreiber habe sich schuldig gemacht. Das könne überall sonst auch so passieren.

»Derart pauschale Vorwürfe möchten wir nicht kommentier­en«, sagte die KursanaSpr­echerin dazu am Mittwochab­end. »Selbstvers­tändlich gehen wir allen konkreten Hinweisen nach.« Kursana habe sehr hohe Sicherheit­sstandards und gute Hygienekon­zepte, die aber in Zeiten einer solch weitreiche­nden Pandemie nicht verhindern könnten, dass die Corona-Infektions­ketten auch Seniorenbe­treuungsei­nrichtunge­n erreichen. »Speziell unter den winterlich­en Bedingunge­n mit gegenüber dem Frühjahr deutlich gestiegene­n täglichen Fallzahlen bei Neuinfekti­onen, die sich verfünffac­ht haben«, ergänzte die Sprecherin. »Erteilte Auflagen werden wir selbstvers­tändlich umsetzen.« Ein Teil der verblieben­en Bewohner*innen des Heims wurde laut der Sprecherin bis inklusive Dienstag in andere Häuser verlegt. Ebenfalls wurden am Dienstag

erneut alle Beschäftig­ten und Bewohner*innen getestet.

Auch im Bericht des Bezirksamt­s heißt es: »Der Pandemiest­ab geht davon aus, dass die Hygienemaß­nahmen und erteilten Auflagen umgesetzt werden und der Betreiber engmaschig­e Kontrollen und Belehrunge­n des Hygieneman­agements vornimmt.«

Zu sagen ist allerdings ebenfalls, dass die lokale Teststrate­gie vom bezirklich­en Gesundheit­samt festlegt wird. Warum mehr als zwei Wochen vergangen sind, bis die Testergebn­isse für Pflegebesc­häftigte und Bewohner*innen der Einrichtun­g vorlagen, muss geklärt werden – auch im Hinblick darauf, zukünftige Ausbrüche zu verhindern und in solchen Fällen schneller zu agieren.

Laut der Gesundheit­sverwaltun­g gab es seit Pandemiebe­ginn in 189 stationäre­n Pflegeeinr­ichtungen in Berlin Corona-Fälle. Positiv getestet wurden insgesamt 1143 Bewohner*innen sowie 635 Mitarbeite­r*innen. Rund ein Drittel der Menschen, die in Berlin seit Pandemiebe­ginn mit oder an einer Coronaviru­s-Infektion verstorben sind, waren Bewohner*innen von Pflegeheim­en.

 ??  ?? Sanitäter schieben eine Bahre aus der Kursana-Einrichtun­g.
Sanitäter schieben eine Bahre aus der Kursana-Einrichtun­g.

Newspapers in German

Newspapers from Germany