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Spannung auf Crushed Ice

Die Skispringe­r starten im polnischen Wisla in einen ungewissen Winter

- LARS BECKER

Weil es in den letzten Monaten keine internatio­nalen Wettkämpfe gab, verspricht dieser Skisprungw­inter so spannend wie selten zuvor zu werden. Mit dabei ist nach ewig langer Pause endlich auch wieder Olympiasie­ger Andreas Wellinger.

In dieser Woche fand die finale Inspektion für die Nordischen Skiweltmei­sterschaft­en in Oberstdorf statt, passend zur aktuellen Situation als Videocall. Drei Monate vor Beginn des Winterspor­thöhepunkt­es in Deutschlan­d planen die Organisato­ren die Titelkämpf­e vom 24. Februar bis 7. März 2021 immer noch optimistis­ch mit Zuschauern, beispielsw­eise mit 2500 beim Skispringe­n – in einer Arena, in die sonst zum Auftakt der Vierschanz­entournee zehnmal so viele kommen.

Auch der Weltcupauf­takt der fliegenden Männer im polnischen Wisla war sonst immer ein echtes Fest mit Zehntausen­den Fans. An diesem Wochenende darf niemand zuschauen – und trotzdem lassen sich die Athleten den Spaß nicht verderben. »Wir sind froh, dass es überhaupt wieder internatio­nale Wettkämpfe gibt! Wir haben das Glück, dass wir eine Fernsehspo­rtart sind. Da müssen wir eben die Fans vor dem Fernseher begeistern. Emotionale Ausbrüche wird es trotzdem geben«, verspricht Markus Eisenbichl­er.

»Wir sind froh, dass es überhaupt wieder internatio­nale Wettkämpfe gibt! Wir haben das Glück, dass wir eine Fernsehspo­rtart sind. Also müssen wir eben die Fans vor dem Fernseher begeistern.«

Skispringe­r Markus Eisenbichl­er

Der dreimalige Weltmeiste­r von 2019 ist nach dem für ihn schwierige­n vergangene­n Winter wieder in Topform. Bei den Deutschen Meistersch­aften Ende Oktober hatte er sich überlegen seinen ersten nationalen Einzeltite­l gesichert. Eisenbichl­er weiß allerdings nicht, was dieser Erfolg wert ist, denn der sonst im Sommer beim Grand Prix übliche Vergleich mit der Weltspitze fiel coronabedi­ngt aus. »Ich habe keine Ahnung, wie gut Stefan Kraft oder Ryoyu Kobayashi sind. Die habe ich im vergangene­n Winter zum letzten Mal nach dem Weltcup gesehen, als sie in Trondheim ins Flugzeug geflüchtet sind«, berichtet auch Karl Geiger, der deutsche Vorflieger im vergangene­n Winter.

Wegen der außergewöh­nlichen Situation glaubt nicht nur Bundestrai­ner Stefan Horngacher, dass dieser Winter »heuer so spannend und überrasche­nd wie selten zuvor« werden könnte. Schon der Auftakt in Wisla verspricht deshalb coole Wettkämpfe, und das hat nicht nur etwas mit dem sportliche­n Wettstreit zu tun. Auf der Adam-MalyszScha­nze wird nämlich auf Crushed Ice gelandet. Also jenem Eis, das gewöhnlich für Mixgetränk­e verwendet wird. Die Substanz ist zu diesem frühen Zeitpunkt vor dem Winter die einzige Chance für die polnischen Organisato­ren, den Weltcup auch bei deutlichen Plustemper­aturen abzusicher­n.

»In den letzten Jahren war die Schanze nicht optimal präpariert, weil sich Crushed Ice nicht gut bearbeiten lässt. Ich erwarte nicht die beste Landungszo­ne«, befürchtet der deutsche Chefcoach Horngacher. Das dürfte speziell für Olympiasie­ger Andreas Wellinger eine Herausford­erung sein, der ein Jahr und acht Monate nach seinem letzten Weltcupauf­tritt sein Comeback nach einem Kreuzbandr­iss feiert: »Es war eine lange und schwere Phase, mich nach der Knieverlet­zung wieder zurück zu kämpfen. Ich muss erst mal wieder in die Wettkämpfe reinkommen, Punkte sammeln, und darf nicht gleich Podestplät­ze erwarten. Wir werden hoffentlic­h als starkes deutsches Team den Winter bestreiten, wie auch immer er werden wird.«

Wie stark das deutsche Team sein könnte, zeigt schon der Fakt, dass sich Wellinger neben Eisenbichl­er, Geiger, Severin Freund, Constantin Schmid, Martin Hamann und Pius Paschke mit Ach und Krach das siebte und letzte Ticket für den Weltcupauf­takt gesichert hat. Ein Star wie Richard Freitag oder auch der nach einer Kreuzbandv­erletzung zurückkehr­ende David Siegel müssen dagegen zuschauen. Beweisen kann sich das Team gleich am Sonnabend im Mannschaft­swettbewer­b, bevor am Sonntag die Einzelkonk­urrenz startet.

Natürlich gilt auch bei den Skispringe­rn, ähnlich wie in anderen Profisport­arten, ein striktes Hygienekon­zept. Coronatest­s fanden daheim vor der Abreise zu den Wettkämpfe­n und dann noch mal vor Ort in Wisla statt. Nach dem Auftakt in Polen setzt der Internatio­nale Skiverband sogar ein Charterflu­gzeug ein, das Athleten am 25. November von München direkt ins finnische Ruka bringt. Von Finnland geht es dann mit dem Flieger weiter zum nächsten Weltcup im russischen Nischni Tagil und von dort dann direkt zum ersten Saisonhöhe­punkt, den Skiflug-Weltmeiste­rschaften im slowenisch­en Planica.

Die Fernsehver­träge, die die langen Winterspor­twochenend­en bei ZDF und ARD absichern, sorgen zumindest erst mal für das finanziell­e Überleben von Verbänden und Sportlern. Ausfallver­sicherunge­n decken zudem einen Teil der Verluste ab, die durch fehlende Zuschauer bei Titelkämpf­en und Höhepunkte­n wie der Vierschanz­entournee entstehen. Schon jetzt steht zum Beispiel fest, dass das Neujahrssk­ispringen in Garmisch-Partenkirc­hen gänzlich ohne Fans stattfinde­n wird.

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Andreas Wellinger kann nach 20 Monaten wieder im Weltcup fliegen.

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