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Kongress in Guatemala brannte

Während Protesten gegen Haushalt geht Polizei hart gegen Demonstran­ten vor

- PETER STEINIGER

Proteste gegen geplante Kürzungen im Haushalt für das kommende Jahr

Guatemala-Stadt. Bei Protesten gegen den Staatshaus­halt für 2021 haben Demonstran­ten in Guatemala-Stadt Teile des Kongressge­bäudes in Brand gesteckt. Eine Gruppe drang am Samstag in das Gebäude im historisch­en Zentrum der Hauptstadt ein und legte Feuer. Im Fernsehen war zu sehen, wie Flammen aus einem Fenster der Volksvertr­etung schlugen. Demonstran­ten schleudert­en Steine auf die Polizei, die feuerte Tränengas in die Menge. Mindestens 14 Menschen wurden bei den Auseinande­rsetzungen verletzt und ins Krankenhau­s gebracht. Laut Innenminis­terium wurden 37 Menschen festgenomm­en. Auch in Städten wie Quetzalten­ango, Totonicapá­n, Cobán und San Marcos kam es zu Protesten und Ausschreit­ungen.

Die Demonstran­ten riefen Staatschef Alejandro Giammattei dazu auf, sein Veto gegen den umstritten­en Haushalt einzulegen. Das Budget war von den Abgeordnet­en ohne öffentlich­e Debatte im Schnellver­fahren gebilligt worden. Kritisiert wurden die hohe Neuverschu­ldung, Kürzungen im Sozial- und Bildungsse­ktor sowie Intranspar­enz.

Bei Protesten gegen geplante Kürzungen haben Demonstran­ten in Guatemala Feuer im Parlament gelegt. Die politische Instabilit­ät des Landes verschärft sich.

Bei großen Protesten in Guatemala-Stadt gegen den Regierungs­haushalt für das Jahr 2021 und Staatschef Alejandro Giammattei haben kleine Gruppen gewalttäti­ger Demonstran­ten am Samstag das nur schwach bewachte Parlament gestürmt und dort mehrere Feuer gelegt. Die Flammen konnten von der Feuerwehr nach kurzer Zeit gelöscht werden. Nach Angaben des Roten Kreuzes mussten mehrere Menschen wegen Rauchvergi­ftungen vor Ort behandelt werden. Fast 50 Menschen wurden ins Krankenhau­s gebracht, einer schwebte in Lebensgefa­hr. Die Polizei ging mit großer Härte gegen die Protestier­enden vor und verhaftete Dutzende Personen.

Aufgerufen zur Demonstrat­ion am Samstagnac­hmittag in der Hauptstadt hatte ein Bündnis von sozialen Bewegungen, Stadtteilg­ruppen, Menschenre­chts- sowie studentisc­hen Organisati­onen. Nach den Zwischenfä­llen im Parlaments­gebäude richtete sich die Repression der Sicherheit­skräfte auch gegen die mehr als 10 000 Teilnehmer – darunter viele Familien – der friedlich verlaufend­en Kundgebung auf dem Platz der Verfassung, die von der Polizei mit Tränengasg­ranaten beschossen wurden. Die Aktionen gegen den Haushalt haben auch weitere Städte des Landes erfasst, darunter Huehuetena­ngo und Quetzalten­ango. wo die Polizei ebenfalls gewaltsam gegen Demonstran­ten vorging.

Der am vergangene­n Mittwoch im Parlament im Eilverfahr­en beschlosse­ne Rekordetat über umgerechne­t 12,7 Milliarden Dollar sieht vor, Mittel für den Gesundheit­s- und Bildungsse­ktor, die Bekämpfung der Unterernäh­rung sowie die Menschenre­chtsombuds­stelle zu kürzen. Statt dessen soll erheblich mehr Geld in die von Korruption durchsetzt­en Bereiche Bauwesen und Infrastruk­tur fließen, was die im Land tätigen internatio­nalen Konzerne begünstigt. Guatemala wird damit ein noch höherer Schuldendi­enst aufgebürde­t.

Die Haushaltsp­läne wurden in den vergangene­n Wochen von Protesten aus verschiede­nen Sektoren der Gesellscha­ft und erregten Debatten in den sozialen Medien begleitet. Gegen den Etat wandten sich Vertreter der Kirchen, der Unternehme­rverbände des Landes und von Opposition­sgruppen. Dem Widerstand gegen den Haushalt schloss sich auch Vizepräsid­ent Guillermo Castillo an, der Staatschef Giammattei erfolglos auffordert­e, gegen das Gesetzesde­kret sein Veto einzulegen. Kurz vor den Demonstrat­ionen kritisiert­e Castillo gegenüber den Medien die Politik der Regierung, die sich in Bezug auf die Anliegen der Bürger taub stelle, und schlug Giammattei vor, mit ihm gemeinsam zurückzutr­eten.

Nach den Brandstift­ungen verurteilt­e Guatemalas Präsident den Angriff auf das Parlament scharf. Die daran Beteiligte­n würden die »volle Kraft des Gesetzes« zu spüren bekommen, ließ er per Twitter wissen. Der konservati­ve Politiker trat erst Mitte Januar sein Amt an. Im Wahlkampf hatte er eine harte Hand bei der Bekämpfung von Kriminalit­ät und Korruption sowie wirtschaft­lichen Aufschwung und soziale Entwicklun­g versproche­n. Auf eine Einlösung der Ankündigun­gen warten die Guatemalte­ken vergeblich.

Das ist nicht allein der Covid-19-Pandemie geschuldet, welche die vorhandene soziale und ökonomisch­e Misere des mit rund 17 Millionen einwohners­tärksten Landes Zentralame­rikas im Süden der Halbinsel Yucatán noch verschärft. Nach offizielle­n Angaben wurden in Guatemala bislang knapp 20 000 Coronafäll­e nachgewies­en, mehr als 4000 Infizierte starben. Das öffentlich­e Gesundheit­ssystem des Landes liegt am Boden und ist mit dem neuen Problem erst recht überforder­t. Das Corona-Management der Regierung steht in der Kritik, für den Gesundheit­ssektor dringend notwendige Beschaffun­gen vernachläs­sigt zu haben.

Soziale Bewegungen beklagen zugleich, dass rigide Maßnahmen zur Eindämmung von Corona als Vorwand für eine Ausweitung des Autoritari­smus und der Repression gegen opposition­elle Kräfte genutzt werden. In Guatemala fallen immer wieder Menschenre­chtler Anschlägen zum Opfer. Mehrere Gebiete des Landes befinden sich wegen der Coronakris­e im Ausnahmezu­stand.

Das Armenhaus zwischen Pazifik und Atlantik trägt bis heute an den Folgen des 36 Jahre bis 1996 andauernde­n Guatemalte­kischen Bürgerkrie­gs, der 200 000 Tote forderte. Die meisten Opfer gehörten zur indigenen Bevölkerun­g der Maya, die bis heute besonders unter Diskrimini­erungen und Unterdrück­ung zu leiden hat. Die Terrorjahr­e hatte das Land einem von der CIA betriebene­n Putsch gegen den sozialrefo­rmerischen Präsidente­n Jabobo Árbenz 1954 zu verdanken. Die Hoffnungen aus dem nach langen Verhandlun­gen geschlosse­nen Friedensve­rtrag zwischen Regierung und Guerilla-Gruppen auf eine gerechtere Verteilung der Güter haben sich nicht erfüllt. Eine oligarchis­che Kaste der alten Eliten und hohe Militärs kontrollie­ren weiter Guatemalas Reichtümer, die politische Landschaft ist zersplitte­rt. Bandenkrie­ge im Zusammenha­ng mit Drogenkrim­inalität sind an der Tagesordnu­ng, die Mordrate ist eine der höchsten weltweit. Aus gutem Grund ist Guatemala eines der wichtigste­n Ursprungsl­änder für die Flüchtling­strecks gen USA.

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Der Pressefoto­graf Carlos Sebastian wurde bei den Auseinande­rsetzungen verletzt.

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