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Die Spur in Mecklenbur­g-Vorpommern

Im Breitschei­dplatz-Untersuchu­ngsausschu­ss rückt die organisier­te Kriminalit­ät in den Fokus

- DANIEL LÜCKING

Ein Hinweis auf mögliche Hintermänn­er beim Anschlag vom Breitschei­dplatz wurde vom Verfassung­sschutz Mecklenbur­gVorpommer­n nicht weitergebe­n. Das Berliner Clanmilieu scheint involviert.

Während in den öffentlich­en Sitzungste­ilen im Bundestag Vertreter aus der Geheimdien­staufsicht im Bundeskanz­lerinnenam­t seltsam unbeteilig­t wirken, wenn es um die Mitverantw­ortung für die Hinweise auf den späteren Attentäter Anis Amri geht, entwickelt­e sich danach in der nicht-öffentlich­en Sitzungen ein neuer Aspekt des Attentats.

2017 gab ein V-Mann des Verfassung­sschutzes Mecklenbur­g-Vorpommern­s Hinweise auf mögliche Mitwisser und Helfer des Anschlags vom Breitschei­dplatz vom 19. Dezember

2016, bei dem 12 Menschen starben und mindesten 67 schwer verletzt wurden.

Nach der Tat war der behördenbe­kannte Anis Amri zunächst durch Deutschlan­d und Frankreich nach Italien geflohen, wo er am Abend des 23. Dezember 2016 von einer Polizeistr­eife erschossen wurde. Auch vier Jahre nach dem Anschlag konnten Ermittler des Bundeskrim­inalamtes die Fluchtrout­e nicht in allen Punkten nachvollzi­ehen. Unklar ist vor allem der Weg, den Anis Amri aus Berlin heraus nahm, da er weder auf den Überwachun­gsvideos der Bahn noch des von ihm mehrfach genutzten Fernbusunt­ernehmens zu finden war.

Der Informant aus Mecklenbur­g-Vorpommern will Gespräche einer arabischen Großfamili­e mitbekomme­n haben, die er im Rahmen der geheimen Verfassung­sschutzope­ration

»Opalgrün«, die sich gegen organisier­te Kriminalit­ät richtete, infiltrier­t hatte. Dort seien die Anschlagsp­läne Amris bekannt gewesen und eine Unterstütz­ung der Flucht besprochen worden. Im Breitschei­dplatz-Ausschuss wirft das Verhalten von Anis Amri am Tattag Fragen auf. So konnte rekonstrui­ert werden, dass sich Amri mit der U8 in Richtung Neukölln bewegte und von dort sogleich wieder in Richtung Moabit, wo er kurze Zeit später den Lastwagen am Friedrich-Krause-Ufer kaperte. Im Ausschuss wird darüber spekuliert, Amri könne die Tatwaffe in Neukölln abgeholt haben.

Warum die Hinweise des Informante­n nicht berücksich­tig und verworfen wurden, konnten die Zeugen aus Schwerin nicht erklären. »Dadurch wurde die Aufklärung massiv behindert und hingenomme­n, dass der Gefahrenhe­rd weiter brodelt«, kritisiert Grünenobfr­au Irene Mihalic via Twitter.

Die Vernehmung­en machten auch deutlich, wie weit die Verstricku­ngen reichen. Der Vertreter des Landes Mecklenbur­g-Vorpommern musste in der nicht-öffentlich­en Sitzung seine Befangenhe­it in diesem Fall einräumen und die Sitzung verlassen.

»Ob NSU, Nordkreuz oder Breitschei­dplatzansc­hlag: in Mecklenbur­g-Vorpommern wird lieber vertuscht als aufgeklärt«, sagte Martina Renner, Obfrau der Linken, dem »nd«. »Das Innenminis­terium in Schwerin hat ein weit größeres Problem als den ehemaligen Minister.« Renner will in einer der nächsten Sitzungen den kürzlich aufgrund der Nordkreuz-Affäre zurückgetr­etenen Innenminis­ter Lorenz Caffier in Berlin vernehmen.

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