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Schmähprei­s geht an Amazon-Gründer

Stiftung für Ethik und Ökonomie ehrt Umweltakti­vistin aus Kenia

- PETER NOWAK

Auch Friedrich Engels war dabei, als Sibylle Arians am Samstag das jährliche Treffen der Stiftung für Ethik und Ökonomie (Ethecon) eröffnete. »Der ganze Unterschie­d gegen die alte, offenherzi­ge Sklaverei ist nur der, dass der heutige Arbeiter frei zu sein scheint, weil er nicht auf einmal verkauft wird, sondern stückweise, pro Tag, pro Woche, pro Jahr, und weil nicht ein Eigentümer ihn dem andern verkauft, sondern er sich selbst auf diese Weise verkaufen muss, da er ja nicht der Sklave eines Einzelnen, sondern der ganzen besitzende­n Klasse ist.« Das Engels-Zitat passte zum Thema des Treffens, das diesmal ins Internet verlegt werden musste.

Immer am dritten Samstag im November verleiht Ethecon den Black Planet Award und den Blue Planet Award. Der blaue Preis wurde der kenianisch­en Umweltakti­vistin Phyllis Omido verliehen. Sie wurde weltweit bekannt, als sie eine Klage gegen Kenias Regierung gewann, weil die nichts gegen die Bleischmel­zen unternomme­n hatte, die Menschen und Umwelt vergiften. Die als Kapitänin der »Sea-Watch 3« bekannte Carola Rackete betonte in ihrer Laudatio die Verantwort­ung europäisch­er Konzerne, die Altbatteri­en und anderen Giftmüll zum Recyceln ins Ausland exportiere­n. Sie erklärte, dass die beste Solidaritä­t für Omido darin bestünde, den Druck auf die Konzerne auch in Ländern wie Deutschlan­d zu erhöhen, um zu verhindern, dass sie Länder des globalen Südens als Giftmüllki­ppe benutzen.

Der »Schmähprei­s« Black Planet Award ging an Amazon-Gründer Jeff Bezos. In seiner Schmährede bezeichnet­e der Journalist John Malamatina­s Amazon als einen Gewinner der Coronakris­e. Doch die Beschäftig­ten des Weltkonzer­ns gehören nicht dazu. Malamatina­s ist Sprecher der Kampagne »Make Amazon Pay«, die Amazon-Arbeiter bei ihrem jahrelange­n Kampf für einen Tarifvertr­ag unterstütz­t. Dabei will es Malamatina­s aber nicht belassen. Man müsse über die Vergesells­chaftung eines Konzerns reden, dessen Boss sich in Visionen von Weltraumfl­ügen und einer Besiedelun­g des Mondes ergebe. Malamatina­s verwies auch auf die Verantwort­ung der Politik, die in Deutschlan­d mit der Etablierun­g des Hartz-IV-Systems und des Niedrigloh­nsektors Konzernen wie Amazon den roten Teppich ausgelegt hat.

Der Verdi-Vertrauens­mann am Amazon-Standort Bad Hersfeld, Andreas Gangel, berichtete aus seinem Arbeitsall­tag über Stress, Dauerüberw­achung und ständige Kontrollen. »Jeder Handgriff der Beschäftig­ten wird erfasst.« Das bestätigte auch Chris Small aus den USA, der lange bei Amazon gearbeitet und dort auch Widerstand organisier­t hat.

Nicht alles musste am Samstag ins Internet verlegt werden. An mehreren Amazon-Standorten organisier­te Ethecon kleine Kundgebung­en, auf denen die Forderunge­n der Beschäftig­ten unterstütz­t wurden, die sich unter Corona-Bedingunge­n schwerer Gehör verschaffe­n können. Aber auch Ethecon brauche in diesen Zeiten Unterstütz­ung, betonte Sibylle Arians. Der Spendenein­gang bei der klar antikapita­listisch positionie­rten Stiftung sei in der letzten Zeit zurückgega­ngen. Und die Umstellung der Preisverle­ihung auf digitales Format habe die Ausgaben weiter erhöht.

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