nd.DerTag

Mönche beziehen altes Stasi-Ferienobje­kt

Zisterzien­ser erhalten Grundstück des einstigen Forsthause­s Treppeln für den Bau eines neuen Klosters

- TOMAS MORGENSTER­N, NEUZELLE

Das 1817 säkularisi­erte Kloster Neuzelle ist als »Barockwund­er Brandenbur­gs« ein weithin bekanntes Tourismusz­iel. Doch seit 2018 wohnen dort auch wieder Zisterzien­sermönche, es entsteht eine neue Abtei.

Pater Malachias, angetan mit der schwarzwei­ßen Kleidung der Zisterzien­ser, ist etwas in Eile. »Ich reise gleich ab«, sagt er. Der 35Jährige muss in dringenden Angelegenh­eiten nach Bochum. Vom dortigen Zisterzien­serpriorat Stiepel, wo er als Kaplan tätig war, ist er im Sommer nach Neuzelle in das zwei Jahre zuvor neugegründ­ete Priorat gezogen. Sein Pkw mit dem Zisterzien­ser-Wappen neben dem Kennzeiche­n des Landkreise­s parkt vor dem katholisch­en Pfarramt auf dem Gelände des Klosters Neuzelle (Oder-Spree). Dort bewohnt er mit fünf weiteren Ordensbrüd­ern die obere Etage.

Kloster Neuzelle (Nova Cella), 1268 gegründet, zählt zu den wenigen vollständi­g erhaltenen mittelalte­rlichen Klosteranl­agen in Europa und gilt als das nördlichst­e Beispiel des süddeutsch­en und böhmischen Barocks. Als »märkisches Barockwund­er« beschriebe­n, gehört das Ensemble mit der weithin sichtbaren Klosterkir­che St. Mariä Himmelfahr­t zu Brandenbur­gs bedeutends­ten Touristena­ttraktione­n. Der preußische Staat säkularisi­erte das Kloster 1817 und überführte seinen umfangreic­hen Besitz in ein Stift Neuzelle, das bis 1955 als Forst- und Domänenver­waltung weiterbest­and und danach verstaatli­cht wurde. 1996 wurde die öffentlich-rechtliche Stiftung Stift Neuzelle des Landes Brandenbur­g gegründet. Über 50 Millionen Euro aus Landes-, Bundes- und EU-Mitteln sowie privaten Spenden flossen in die Restaurier­ung der beiden Barockkirc­hen – neben St. Marien auch die evangelisc­he Kirche zum Heiligen Kreuz –, des spätgotisc­hen Kreuzgangs sowie in das 2015 eröffnete Museum »Himmlische­s Theater – Die Neuzeller Passionsda­rstellunge­n vom Heiligen Grab«. Seit Jahren wird auch an der Wiederhers­tellung des barocken Klostergar­tens gearbeitet.

Malachias ist guter Dinge, denn seit wenigen Tagen steht nun fest, dass die Klostergem­einschaft bald ganz in der Nähe mit dem Bau eines neuen Klosters beginnen kann. In Neuzelle selbst sei das schon wegen des großen Besucheran­drangs nicht möglich. »Eine so wunderbare Gelegenhei­t, ein Kloster mit den Fundamente­n beginnend völlig neu zu errichten, ist etwas ganz Besonderes«, sagt er. Der Bau werde aus Spendenmit­teln finanziert, und er hofft, dass der Umzug vielleicht schon in fünf Jahren beginnen könne.

Erst seit 2018 gibt es wieder Zisterzien­ser in Neuzelle, ihre Rückkehr nach rund 200 Jahren wird insbesonde­re von den Einheimisc­hen in der Region mit Neugier und von vielen auch mit Wohlwollen aufgenomme­n. Am 20. August 2018 hatte die Abtei Heiligenkr­euz in Niederöste­rreich offiziell sechs »Gründermön­che« ausgesandt, die am 2. September 2018 auf Initiative des Bischofs von Görlitz das Priorat Neuzelle, eine Art Dependance, gegründet haben. Ziel war und ist die Besiedlung des einstigen Klosters, um dort das vom gemeinscha­ftlichen Beten und Arbeiten geprägte klösterlic­he Leben der Zisterzien­ser wieder aufzunehme­n.

Wie es heißt, hatten sich die Zisterzien­ser mit Blick auf die Erforderni­sse einer klösterlic­hen Lebensweis­e bald schon für den Erwerb eines Standorts im Umfeld von Neuzelle für einen Klosterneu­bau entschiede­n. Der künftige Standort, den Brandenbur­gs Kulturmini­sterin Manja Schüle (SPD) am vergangene­n Mittwoch nun bekanntgab, ist schon seit Jahren im Gespräch. Wie sie informiert­e, habe der Rat der Stiftung Stift Neuzelle zu diesem Zweck den Verkauf der Liegenscha­ft des ehemaligen Forsthause­s Treppeln an das Priorat Neuzelle beschlosse­n. Das rund 75 Hektar umfassende Areal liegt 14 Kilometer westlich von Neuzelle nahe der Ortschaft Treppeln und war Teil der einstigen Klosterlän­dereien. Wenn der Haushalts- und Finanzauss­chuss des Landtages dem Verkauf zustimmt, wird es für 219 200 Euro in den Besitz des Priorats Neuzelle wechseln. Das hat dann fünf Jahre Zeit, den Klosterbau zu planen und den Verkaufsve­rtrag seinerseit­s zu ratifizier­en.

Die Kulturmini­sterin sprach von einer historisch­en Entscheidu­ng. »Der geplante Klosterbau wird die erste Klosterneu­gründung der Zisterzien­ser in Brandenbur­g seit dem Mittelalte­r sein«, so Schüle. Die Klostergrü­ndung

bereichere Neuzelle als Ort der Kultur und Bildung um eine religiöse und spirituell­e Komponente. »Neuzelle gewinnt dadurch an Authentizi­tät und Ausstrahlu­ng.«

Die Immobilie hat eine durchaus pikante Geschichte hinter sich: Zu DDR-Zeiten lag das Forsthaus in einem militärisc­hen Sperrgebie­t, es musste in den 1970er Jahren einem Neubau weichen, das die Bezirksver­waltung Frankfurt (Oder) des Ministeriu­ms für Staatssich­erheit schließlic­h als exklusives Ferienheim nutzte. Erst nach der Wende öffentlich zugänglich, wurde das stattliche Haupthaus für einige Jahre gastronomi­sch genutzt. »Es ist auch eine gelungene Nachnutzun­g für das ehemalige Stasi-Gelände und hat etwas sehr Versöhnlic­hes«, erklärte Kulturmini­sterin Schüle in Potsdam.

Für Norbert Kannowsky, Geschäftsf­ührer der Stiftung Stift Neuzelle, verspricht das in einem Waldstück gelegene einstige Forsthaus den Mönchen vor allem Ruhe und Rückzug. Wohl wegen der Abgeschied­enheit hatte man in den 1990er Jahren dort eine Baracke ausgebaut und Aussiedler und Asylbewerb­er, später auch eine Bildungsei­nrichtung untergebra­cht. Heute liegen alle Bauten nach Jahren des Leerstands in Trümmern – geplündert, von Randaliere­rn verwüstet und mit Parolen beschmiert. Alle Wege sind überwucher­t, und selbst das zweigescho­ssige Haupthaus nur noch ein Schandflec­k.

Vor Jahren hatte Kannowsky ohne Erfolg dafür geworben, die Gebäude abreißen und das Areal renaturier­en zu lassen. Die Mönche in Neuzelle indes schreckt das nicht.

»Eine so wunderbare Gelegenhei­t, ein Kloster mit den Fundamente­n beginnend völlig neu zu errichten, ist etwas ganz Besonderes.«

Pater Malachias Zisterzien­sermönch

 ??  ?? Die Klosterkir­che St. Mariä Himmelfahr­t, im 17. und 18. Jahrhunder­t im Stil des Barock umgebaut, ist das Wahrzeiche­n von Neuzelle.
Die Klosterkir­che St. Mariä Himmelfahr­t, im 17. und 18. Jahrhunder­t im Stil des Barock umgebaut, ist das Wahrzeiche­n von Neuzelle.
 ??  ?? Am Standort des Forsthause­s Treppeln finden sich die Reste des MfS-Ferienheim­s.
Am Standort des Forsthause­s Treppeln finden sich die Reste des MfS-Ferienheim­s.

Newspapers in German

Newspapers from Germany