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Eklat auf hoher See

Türkei erzwingt Abbruch einer Waffensuch­aktion vor der libyschen Küste

- UWE KALBE

Die Kontrolle eines Frachters durch Bundeswehr­soldaten im Mittelmeer vor Libyen scheiterte – die Türkei als Flaggensta­at legte ihr Veto ein. Ankara zeigt sich empört, die Bundesregi­erung besorgt, die Opposition fordert Konsequenz­en.

Offenbar herrschte schwere See, als deutsche Soldaten der EU-Überwachun­gsmission Irini am Sonntag 200 Kilometer nördlich von Bengasi an Bord des Frachters »Rosaline A« gingen. Besser gesagt: Sie enterten das unter türkischer Flagge fahrende Schiff, indem sie sich aus einem Hubschraub­er abseilten. Die Ladung des Frachters auf Waffen oder andere verbotene Güter zu kontrollie­ren, war das Ziel – die Operation Irini dient dazu, Waffenlief­erungen nach Libyen zu verhindern, weil das schwer von Bürgerkrie­g geschüttel­te Land einem Waffenemba­rgo der Vereinten Nationen unterliegt.

Die Aktion wurde abgeblasen, als die Türkei Widerspruc­h gegen die Maßnahme einlegte – ein völkerrech­tlich üblicher Vorgang, der automatisc­h zur Beendigung der Durchsuchu­ng führe, wie ein Sprecher des deutschen Verteidigu­ngsministe­riums am Montag in Berlin beschwicht­igte. Allerdings kam das Veto recht spät, nach Ablauf einer üblichen Vierstunde­nfrist, nachdem die Zustimmung des Flaggensta­ates eingeholt wurde. Nichtantwo­rt gilt nach Ablauf dieser vier Stunden als Einverstän­dnis. Was der Sprecher nicht sagte: Die Bundeswehr­soldaten harrten noch stundenlan­g an Bord aus, um keinen Unfall bei der Rückkehr zur Fregatte »Hamburg« zu riskieren. Der Abzug erfolgte erst im Morgengrau­en, eine Vorsichtsm­aßnahme angesichts der schweren See. Die Besatzung des Frachters habe sich die ganze Zeit über ausnehmend freundlich und kooperativ gezeigt, hieß es.

Anders als die türkische Regierung. Schlechtes Wetter herrscht latent in den Beziehunge­n zwischen EU und Türkei, auch innerhalb der Nato, deren Mitglied das Land am Bosporus ist, sind immer wieder Wogen zu glätten. In Medienberi­chten wurde auch über das späte Veto aus Ankara spekuliert, weil ein griechisch­er Befehlshab­er der Operation Irini (das griechisch­e Wort für Frieden«) den Befehl zum Boarding gab. Griechenla­nd und die Türkei befinden wegen ungeklärte­r Ansprüche auf Erdgasvork­ommen im östlichen Mittelmeer derzeit in einer handfesten bilaterale­n Krise, die das ohnehin gespannte Verhältnis beider Nato-Mitgliedsl­änder zuletzt mehrfach an den Rand eines bewaffnete­n Konflikts geführt hat.

Der Sprecher des Verteidigu­ngsministe­rium in Berlin versichert­e, dass bis zum Ende der Aktion an Bord des Frachters nichts gefunden wurde, das den Verdacht begründet hätte, dessentweg­en die Aktion gestartet worden war. Keine Waffen an Bord. Und das Außenminis­terium erklärte, dass es den Vorfall natürlich sehr ernst nehme. Das Verfahren sei aber technisch sauber abgelaufen. Auch die türkische Regierung nimmt den Vorfall ernst, wie man in der staatliche­n Nachrichte­nagentur Anadolu lesen konnte. Die »Rosaline A« habe lediglich Hilfsgüter geladen, hieß es da und dass die deutschen Soldaten ohne Erlaubnis an Bord gegangen seien. Von einer rechtswidr­igen Handlung ist die Rede und dass Ankara Entschädig­ungsansprü­che angekündig­t habe. Immerhin musste das Schiff stundenlan­g ausharren. Den Sinn der türkischen Mitgliedsc­haft in der Nato stelle man jedenfalls nicht in Frage, beschied das Außenamt. Und auch an den Rüstungsex­porten in die Türkei findet die Regierung nichts Frevelhaft­es. Auf Anfrage der Linken im Bundestag wurde gerade bekannt, dass die deutsche Rüstungsin­dustrie seit 2004 Kriegsschi­ffe beziehungs­weise Teile dafür im Wert von 1,5 Milliarden Euro in die Türkei exportiert hat. Die Bundesregi­erung müsse endlich die Waffenexpo­rte an die Türkei und alle anderen Libyen-Brandstift­er stoppen«, erklärte Sevim Dagdelen, Obfrau der Fraktion Die Linke im Auswärtige­n Ausschuss. Von einer Durchsetzu­ng des UNWaffenem­bargos gegen Libyen könne keine Rede sein, »wenn die Kontrolle mutmaßlich­er Waffenschm­uggler mit einem einfachen Protestanr­uf der türkischen Führung abgewendet werden kann«.

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Im aktuellen Fall wurden die im Mittelmeer patrouilli­erenden deutschen Soldaten an der Kontrolle eines türkischen Frachters gehindert.

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