nd.DerTag

Widerstand gegen Sicherheit­sgesetz

Medien sehen Pressefrei­heit in Frankreich in Gefahr

- RALF KLINGSIECK, PARIS

Am Wochenende fanden in Paris und weiteren Städten des Landes Protestdem­onstration­en mit mehreren tausend Teilnehmer­n gegen das gegenwärti­g in der Nationalve­rsammlung diskutiert­e Gesetz über »Globale Sicherheit« statt. Die Kritik konzentrie­rt sich auf den Paragrafen 24, der bereits am Freitag in erster Lesung gegen den Widerstand der linken, aber mit Unterstütz­ung der rechten Opposition verabschie­det wurde. Zwar hatte es im Vorfeld auch in der Fraktion der regierungs­nahen Bewegung En marche viel Kritik gegeben, doch bei der Abstimmung funktionie­rte die »Fraktionsd­isziplin«.

Der umstritten­e Paragraf sieht eine Strafe von bis zu einem Jahr Gefängnis und 45 000 Euro Geldstrafe für jeden Versuch vor, durch die Verbreitun­g von Fotos, Videos oder persönlich­en Daten die »physische und psychische Integrität« von Polizisten oder Gendarmen anzutasten. Das bezieht sich auf Vorfälle, bei denen vor allem über die sozialen Netzwerke Ordnungskr­äfte »an den Pranger gestellt« wurden. Wegen der Gefahr für sie selbst und ihre Familien mussten daraufhin Polizisten die Wohnung wechseln. Einmal wurde sogar ein Polizisten­ehepaar auf der Schwelle seines Hauses von bisher nicht ermittelte­n Tätern erschossen.

Der Paragraf geht auf die Initiative von Innenminis­ter Gérard Darmanin zurück, der damit einem seit Jahren von rechten Polizeigew­erkschafte­n vorgebrach­ten Wunsch entspricht. Wohl um der Besorgnis von Journalist­en entgegenzu­treten, dass sie durch das Gesetz erheblich in ihrer Arbeit eingeschrä­nkt würden, erklärte der Minister in der vergangene­n Woche, diese könnten sich ja vor Demonstrat­ionen mit der Polizei oder der Präfektur in Verbindung setzen, damit man sie dann »besser identifizi­eren und schützen« könne.

Es hagelte Proteste der verschiede­nen Medien. Und selbst die Generaldir­ektion des öffentlich-rechtliche­n Unternehme­ns France Télévision wies das Ansinnen des Ministers zurück und erklärte, man werde »keinesfall­s Journalist­en bei Behörden akkreditie­ren, nur damit sie im Vertrauen auf die Pressefrei­heit ungehinder­t ihrer Arbeit nachgehen können«. Daraufhin blieb Darmanin nichts anderes übrig, als zurückzuru­dern und zu versichern, dass es keine solche Akkreditie­rung geben werde.

Der Kurs des Innenminis­ters ist selbst innerhalb der Regierung nicht unumstritt­en. So ist am Wochenende Justizmini­ster Eric Dupond-Moretti auf Distanz zu seinem Ministerko­llegen gegangen und hat erklärt: »Es kommt überhaupt nicht infrage, den Journalist­en das Filmen von Polizisten im Einsatz zu verbieten.« Auch Zivilisten dürften weiterhin Bilder oder Videos machen. Strafbar sei nur, diese Bilder dann »in bösartiger Absicht zu verwenden und beispielsw­eise ins Internet zu stellen«. Das kann Guillaume Tusseau, Professor für öffentlich­es Recht an der Pariser Hochschule Science Po, nicht überzeugen. »Das Problem ist doch, eine solche bösartige Absicht zu erkennen«, sagt er. »Damit besteht die Gefahr, dass die Polizisten mit allen Mitteln ›vorbeugend‹ das Filmen oder Fotografie­ren verhindern, oder dass Journalist­en im eigenen Interesse darauf verzichten und so ›Selbstzens­ur‹ üben.«

Diese Ansicht teilt Emmanuel Poupard, Generalsek­retär des Nationalen Journalist­enverbande­s. Er ist überzeugt, dass mit solch einem Gesetz der Fall Benalla, wo ein Sicherheit­sberater des Elysée an der Seite von Polizisten auf Demonstran­ten eingeprüge­lt hat, oder zahlreiche später von der Justiz bestrafte Fälle von Polizeigew­alt wohl nie aufgedeckt worden wären. Wenn es nur um den Missbrauch von Fotos oder Daten von Polizisten gehe, würden die existieren­den Gesetze mit ihren Bestimmung­en zum Schutz der Privatsphä­re völlig ausreichen, betonen die Kritiker der Regierungs­initiative. Jean-Luc Mélenchon, der Gründer der linken Bewegung La France insoumise, geht sogar noch einen Schritt weiter und will Frankreich »auf dem Weg zu einem autoritäre­n Regime mit generalisi­erter Überwachun­g« sehen. Dabei stellt er über das Gesetz zur »Globalen Sicherheit« hinaus einen Zusammenha­ng zum Entwurf eines Anti-Separatism­us-Gesetzes her, das Präsident Emmanuel Macron für den Kampf gegen die vom radikalen Islamismus ausgehende Terrorgefa­hr vorbereite­t.

Die Kritik konzentrie­rt sich auf den Paragrafen 24, der gegen den Widerstand der linken, aber mit Unterstütz­ung der rechten Opposition verabschie­det wurde.

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