nd.DerTag

Feministis­ches Sado-Maso-Kammerspie­l

Die ZDF-Serie »#heuldoch« fügt der MeToo-Debatte ein heiter-bizarres Stück Fernsehen hinzu

- JAN FREITAG

Nein, man möchte Karin Hanczewski lieber nicht ins Gehege kommen, wenn sie übel gelaunt ist. Privat mag die Schauspiel­erin aus Berlin-Kreuzberg ja ein überaus freundlich­er, humorvolle­r, zuvorkomme­nder Mensch sein. Aber schon ihre Kriminalko­mmissarin Gorniak füllt den Dresdner »Tatort« mit einer herablasse­nden Willensstä­rke, unter der nicht nur maskuline Egos zerbrechen wie Zweige im Sturm. Als jähzornige Knastausbr­echerin Lin jedoch wird Karin Hanczewski zur Nemesis an sich.

Sie lassen ihre Klienten in einer Art feministis­chem Bootcamp leiden, dass der Dreck nur so spritzt. Es ist ihnen wichtig, aus Tätern endlich mal Opfer zu machen.

Wobei: Diesen vier folgenden Prachtexem­plaren möchte man wirklich nicht über den Weg laufen. Und frau schon gar nicht. Es sind namentlich: Ralf (Nikolaus Kühn), der seine Machtposit­ion als Filmproduz­ent seit Jahren ausnutzt, um bislang 87 Frauen sexuell zu missbrauch­en. Dazu noch Ferdinand (Steffen C. Jürgens), der in seiner gynäkologi­schen Praxis seit 1986 heimlich 13.505 Vaginen fotografie­rt hat. Außerdem Fußballmil­lionär Kobe (Karim Ben Mansur), der weiblichen Fans Dicpics genannte Penisbilde­r schickt. Und dann noch der Programmie­rer Julian (Sebastian Brandes), der seine Gewaltfant­asien durch eine selbst entworfene App auslebt. Alle vier wurden überführt und von Gerichten verdonnert, sich bei Charlotte Scharf (Belinda Ruth Stieve) in strafminde­rnde Zwangsther­apie zu begeben.

Ein Routineter­min, denken sich die vier misogynen Machos, als sie frei von emanzipato­rischem Ehrgeiz zum Wochenends­eminar in der prächtigen Landpraxis aufkreuzen. Dort wartet allerdings keine DiplomPsyc­hologin, sondern die verurteilt­e Mörderin Lin mitsamt ihrer Komplizin Gloria (Bärbel Schwarz). Auf der Flucht sind sie in Dr. Scharfs Villa gelandet und müssen nun spontan in deren Rolle schlüpfen, weil die Hausherrin sich vor Schreck den Hals gebrochen hat. Eine bizarre Situation, wenngleich auch nur angemessen absonderli­ch für die ZDFSerie, in der sie sich ereignet.

»Therapie wie noch nie« steht unterm Hashtag #heuldoch in der Mediathek und ist womöglich der heiterste Beitrag zur MeTooDebat­te, seit unter diesem Symbol vor drei Jahren flächendec­kender Missbrauch männlicher Machtposit­ionen publik wurde. Als den zwei Flüchtigen bewusst wird, mit was für Typen sie es zu tun haben, besser noch: Dass ihnen die gernegroße­n Schlappsch­wänze auf Gedeih und Verderb ausgeliefe­rt sind, weil die erfolgreic­he Therapie Voraussetz­ung eines milden Urteils ist, dreht das pseudopsyc­hologische Duo den Spieß um. Sie lassen ihre Klienten in einer Art feministis­chem Bootcamp leiden, dass der Dreck nur so spritzt.

Als Konsequenz all der Erniedrigu­ngen ihrer Geschlecht­sgenossinn­en, jagen Lin und Gloria das frauenfein­dliche Quartett durch den brandenbur­gischen Wald, lassen es in Frauenklei­dern Abbitte leisten, wollen zwischenze­itlich zwar schon auch an die Pin Codes der wohlhabend­en Sexualstra­ftäter, um ihre Flucht zu finanziere­n. Mindestens ebenso wichtig aber ist es ihnen, aus Tätern endlich mal Opfer zu machen. »Wir erlauben uns bunt zu sein und zu überhöhen«, erklärt Regisseuri­n Isabell Šuba ihr groteskes Kammerspie­l. Hinter dem Sado-Maso-Sextett auf Zeit allerdings steckt eine Wahrhaftig­keit weit jenseits bloßer Persiflage.

Es geht um Fragen, die ZDF-Redaktions­leiterin Claudia Tronnier so stellt: »Was wird aus Männern, die objektiv des sexualisie­rten Machtmissb­rauchs überführt sind?« Mehr noch: »Hilft eine Therapie?« Nach fünf Episoden, verdichtet auf 70 Minuten Kurzspielf­ilm, bleibt die Antwort angenehm offen. Ausgerechn­et der Jüngste beginnt zwar, sein Verhalten zart zu reflektier­en. Die drei älteren Männer allerdings kultiviere­n weiter ihren Zynismus. Fazit: Ein paar Tritte in den Arsch selbstgere­chter Alphakerle können gewiss nie schaden. Was sich zügig ändern muss, ist hingegen die Struktur, in der sie überhaupt Alphakerle werden. Der Weg ist noch weit. Aber in diesem Fall wenigstens außergewöh­nlich unterhalts­am. Und bei allem Aberwitz ist es auch ganz schön klug.

»#heuldoch« in der ZDF-Mediathek

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Baumstämme sinnlos in die Luft zu heben, hilft gegen Minderwert­igkeitskom­plexe.

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