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Selbstkrit­ischer Sieger

Skispringe­r Markus Eisenbichl­er gewinnt den Weltcupauf­takt in Wisla. An seinen Sprüngen hat er noch einiges auszusetze­n

- THOMAS ESSER, WISLA

Besser hätten die deutschen Skispringe­r kaum anfangen können. Mit einem Doppelsieg von Markus Eisenbichl­er vor Karl Geiger setzen sie zu Saisonbegi­nn ein großes Achtungsze­ichen.

Auf eine große Sause nach seinem Traumstart in den WM-Winter musste Skispringe­r Markus Eisenbichl­er verzichten. Ein über Instagram verbreitet­es Jubelfoto mit der Mannschaft inklusive Siegerfaus­t und Mundschutz war noch drin, dann lautete der Plan für den Triumphato­r von Wisla: Kurz ins Hotel, etwas essen und ab nach Hause. Sieger Eisenbichl­er und der zweitplatz­ierte Karl Geiger, der den Traumaufta­kt für die DSVAdler perfekt gemacht hatte, haben in den kommenden Monaten noch viel vor.

Der beste Saisonstar­t für die deutschen Flugkünstl­er seit Platz eins und zwei von Martin Schmitt und Sven Hannawald vor 20

Jahren soll der Startschus­s in eine tolle Saison voller Höhepunkte werden. Und so passte es, dass sich bei Eisenbichl­er in die Freude über seinen zweiten Sieg in einem Einzelwelt­cup überhaupt schon kurz nach dem Wettkampf in Polen die Analyse seiner Sprünge mischte. »Ich muss jetzt echt an der Landung arbeiten. Da vergebe ich einen Haufen Punkte, und das möchte ich nicht«, sagte der ehrgeizige Siegsdorfe­r, dem die technisch anspruchsv­olle Telemarkla­ndung nicht einmal wie gewünscht gelungen war. »Ich freue mich, dass ich meinen Weltcupsie­g gemacht habe, aber das Arbeiten geht mir nicht aus«, sagte er und gab die an Jürgen Klopp erinnernde Devise aus: »Ganz normal bleiben!«

Kindheitst­raum

Minuten zuvor hatte der 29-Jährige die logische frühe Führung in der Saisongesa­mtwertung noch euphorisch bejubelt. »Über das

Gelbe Trikot freue ich mich wie über Weihnachte­n«, sagte Eisenbichl­er. Der Sieg im Gesamtwelt­cup – der anspruchsv­ollste Titel im Skispringe­n – ist sein »Kindheitst­raum«. Bis er diesen verwirklic­hen kann, ist es für ihn jedoch noch ein weiter Weg, auf dem viele Reisen und attraktive sportliche Ziele warten. Schon am Mittwoch geht es per Charterflu­gzeug von München zur nächsten Weltcupsta­tion nach Ruka in Finnland. Es folgen rund drei Wochen nonstop auf Achse mit dem ersten großen Saisonhöhe­punkt: den Skiflug-Weltmeiste­rschaften im slowenisch­en Planica. An die Schanze in Slowenien hat der leidenscha­ftliche Flieger gute Erinnerung­en: 2019 siegte Eisenbichl­er dort erstmals solo im Weltcup.

Nach dem Topstart von »Eisei« und Zimmerkoll­ege Geiger werden die Erwartunge­n der Fans sicher nicht kleiner werden. Das Gute für die beiden Freunde ist: Durch den Erfolg gleich zu Beginn des Winters wissen sie, »dass wir richtig gearbeitet haben im Sommer und dass der Winter losgehen kann«, wie es Geiger formuliert­e.

Mental anspruchsv­oll

Nach der langen Vorbereitu­ng, die coronabedi­ngt mit viel Zeit im Heimtraini­ng sowie ohne internatio­nale Wettkämpfe und damit ohne eine echte Standortbe­stimmung ablief, ist das besonders viel Wert. Das gilt besonders in diesem mental anspruchsv­ollen Sport, in dem das Wissen um die eigene Stärke extrem viel bedeutet.

Nach einer kurzen Erholung in der idyllische­n bayerische­n Heimat gilt es, dieses positive Gefühl zu konservier­en. Freiraum für große Partys ist im Lauf der Saison, in der auch noch die Vierschanz­entournee und die Heim-Weltmeiste­rschaften im allgäuisch­en Oberstdorf als große Höhepunkte anstehen, vielleicht ja dann zu einem späteren Zeitpunkt noch.

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