Dröhnendes Urteil
Gericht spricht Regierung von der Kontrollpflicht über US-Basis Ramstein frei
Berlin. Ob es in Ramstein auch Datenberechnungen gibt oder allein technische Datenweiterleitung – das macht nach Ansicht der zuständigen Richter des Bundesverwaltungsgerichts einen Unterschied. Den Unterschied nämlich, ob Deutschland eine Schutzpflicht habe gegenüber den Menschen, die die USA bei ihren Drohneneinsätzen in afrikanischen oder Ländern des Nahen Ostens töten, wenn sie sich dabei ihrer Luftwaffenbasis im rheinland-pfälzischen Ramstein bedienen. Ob sich die USA dann ans Völkerrecht halten oder nicht, ist wohl nicht mehr Sache deutscher Behörden. Das sei jedenfalls gar nicht ausgemacht bei den Einsätzen, die die US-Streitkräfte
über ihre Luftwaffenbasis in Ramstein, also von deutschem Boden aus, führen. Die Steuerung der Drohnen und ihrer Raketen in Libyen, Somalia oder anderswo erfolgt in Florida, aber ohne Ramstein kämen die Signale nicht bei den Drohnen an. Die Richter entschieden über eine Klage dreier Libyer, die bei einem dieser Angriffe Angehörige verloren hatten – nach ihren Angaben Zivilisten. Nur wenn Völkerrechtsverstöße konkret zu erwarten seien und diese auch auf einer Datenauswertung in Deutschland beruhten, hätte die Bundesregierung eine Schutzpflicht für diese Menschen gehabt, urteilten die Leipziger Richter am Mittwoch.
Auch die bisherigen diplomatischen Aktivitäten der Bundesregierung zur Klärung des US-amerikanischen Vorgehens in Ramstein reichen demnach aus. Richterschelte verbietet sich in Deutschland, wegen der gesetzlich garantierten Unabhängigkeit ihrer Entscheidungen. Dass das Leipziger Urteil jedoch Bemühungen von Teilen der Politik in die Hände spielt, die eine Bewaffnung auch der Drohnen im Bestand der Bundeswehr anstreben, liegt auf der Hand. Abgesehen von der Bestätigung der Bundesregierung, die ihre Untätigkeit gegenüber dem Missbrauch der Basis in Ramstein nun mit einem höchstrichterlichen Urteil begründen kann.
Die Geschichte hätte das Zeug, das Rechtssystem der Bundesrepublik zu erschüttern. Es geht um Mord und um eine tiefe Kluft zwischen den Bekenntnissen der Bundesregierung und ihrem Handeln. Nun wurde ihr dafür Recht gegeben.
Auf dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig lag die ganze Hoffnung der drei jemenitischen Männer, die die Bundesrepublik zwingen wollten, das illegalen Morden der USA in ihrem Heimatland nicht länger stillschweigend zu dulden. »Ich erwarte und erhoffe mir, dass die deutsche Bevölkerung mit uns fühlt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Deutschen die Rolle von Ramstein im USDrohnenprogramm gutheißen.« So hat der 62-jährige Faisal bin Ali Jaber vor der Entscheidung des Leipziger Gerichts am Mittwochabend immer wieder über Medien an die Öffentlichkeit in Deutschland appelliert. Sein und das Begehren seiner Mitkläger richtet sich aber in erster Linie an die Bundesregierung, nicht länger stillschweigend den mörderischen Einsatz von Drohnen der USA in Ländern des Mittleren und Nahen Ostens zu dulden.
»Schließlich hat sie (die Bundesregierung – d.Red.) eine Zusicherung der USA eingeholt, dass Aktivitäten in US-Militärliegenschaften in Deutschland im Einklang mit geltendem Recht erfolgen.«
Erklärung des Bundesverwaltungsgerichts
Per Gerichtsentscheid wollten die Drei, unterstützt vom European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR), die Bundesregierung veranlassen, auf die USA im Sinne des Völkerrechts Einfluss zu nehmen. Von Florida aus steuern US-Piloten die Drohnen und schließlich deren Raketen ins Ziel – in asiatischen und afrikanischen Ländern. Immer wieder werden dabei nicht nur die beabsichtigten Ziele, angebliche oder tatsächliche Terroristen, sondern auch unbeteiligte Zivilisten getroffen. Ohne die Relaisstation auf der US-Airbase im rheinlandpfälzischen Ramstein könnten die Drohnen ihre Signale aus Florida nicht empfangen. Bei einer Hochzeitsfeier, die zum Ziel eines solchen Drohneneinsatzes geworden war, hatte Faisal bin Ali Jaber im Jahr 2012 zwei Familienmitglieder verloren, seinen eigenen Angaben zufolge einen Neffen und einen Schwager, die Zivilisten gewesen seien.
Die USA zur Beendigung der Einsätze zu bewegen und die Bundesregierung zu veranlassen, diese wegen des Missbrauchs deutschen Territoriums zu untersagen, darauf zielte die Klage. Das Oberverwaltungsgericht Münster hatte den Klägern zuvor recht gegeben und geurteilt, Deutschland müsse prüfen, ob die US-Drohnenangriffe über Ramstein gegen das Völkerrecht verstoßen. Eine entsprechende Zusicherung der USA reiche nicht aus. Das Bundesverwaltungsgericht entschied am Mittwoch anders. Es urteilte, dass die Bundesregierung durchaus nicht zu wenig tue, um sich zu vergewissern, dass die Einsätze über Ramstein völkerrechtsgemäß sind. Zwar trage Deutschland eine grundrechtliche Schutzpflicht auch für Ausländer im Ausland, sofern es einen einen engen Bezug zum deutschen Staatsgebiet gebe. Doch müssten völkerrechtswidrige Handlungen konkret zu erwarten sein, um aktiv zu werden. Es reiche nicht aus, dass
Ramstein technisch für das US-Drohnenprogramm bedeutsam sei, sondern es müssten konkrete Entscheidungen auf deutschem Boden stattfinden. Den Vertrag für die Nutzung der Air Base zu kündigen, müsse die Regierung wegen der massiven außenpolitischen Nachteile nicht in Betracht ziehen.
Untätig ist die Bundesregierung nicht. Erst in dieser Woche hatte Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) den Bundestag unterrichtet, dass ihr Ministerium eine Entscheidungsvorlage über die Bewaffnung von Drohnen der Bundeswehr über 25 Millionen Euro dem Finanzministerium zugeleitet habe. Nach der Freigabe wolle man die Zustimmung auch des Bundestages erwirken. Bisher unterhält die Bundeswehr geleaste Drohnen ohne eigene Bewaffnung, zwei Drohnenprojekte mit weiteren EU-Ländern befinden sich in der Entwicklung. Linke und Grüne immerhin haben ihren Widerstand angekündigt, aus unterschiedlichen Gründen. Gegenüber AFP meinte die Grünen-Abrüstungsexpertin Katja Keul, sie halte die Gefahren durch bewaffnete Drohnen weiterhin für größer als ihren Nutzen. Die Linke kündigte kompromisslosen Widerstand an. Die Obfrau im Außenpolitischen Ausschuss des Bundestages Devim Dagdelen wies auf die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung hin, die die Schließung der US-Stützpunkte in Deutschland fordere – »im Sinn der Friedenspflicht des Grundgesetzes«. Und ihr Fraktionskollege Niema Movassat: »Die Bundesregierung darf sich nicht weiter mit dem Argument, sie wisse nicht, was die US-Regierung in Ramstein macht, ihrer Verantwortung für Tötungen von Menschen durch Drohnen entziehen.« Unterdessen gehen die Planungen weiter. Die Nato plant die Gründung eines Weltraumzentrums in Ramstein.