nd.DerTag

Machtwechs­el in der Berliner SPD

Auf dem Landespart­eitag wollen die Sozialdemo­kraten das Spitzenduo Franziska Giffey und Raed Saleh küren

- Mkr

Franziska Giffey und Raed Saleh wollen den Parteivors­itz übernehmen

Berlin. Die Berliner SPD will an diesem Freitag zu einem hybriden Parteitag zusammenko­mmen, um ein neues Führungsdu­o zu wählen. Einzige Kandidaten für den Landesvors­itz sind Bundesfami­lienminist­erin Franziska Giffey und der SPD-Fraktionsv­orsitzende im Abgeordnet­enhaus, Raed Saleh, die sich für eine Doppelspit­ze bewerben. Der Noch-Landesvors­itzende Michael Müller, der aktuell auch Regierende­r Bürgermeis­ter in Berlin ist, tritt nicht erneut an. Den Machtwechs­el an der Spitze der Sozialdemo­kraten in der Hauptstadt hatten Giffey, Saleh und Müller bereits im Frühjahr dieses Jahres verabredet und Ende Januar bekannt gemacht. Seitdem musste der Wahlpartei­tag wegen der Coronakris­e aber zweimal verschoben werden. Es gilt als ausgemacht, dass die Berliner SPD bald nach der Vorsitzend­enwahl Franziska Giffey auch zur Spitzenkan­didatin für die Abgeordnet­enhauswahl im Herbst 2021 küren wird. Unklar ist, welche Folgen eine Aberkennun­g des Doktortite­ls auf die politische Karriere Giffeys haben könnte.

Gegenkandi­daturen gibt es nicht, der Teamkandid­atur von Franziska Giffey und Raed Saleh zur neuen SPD-Landesspit­ze steht nichts mehr im Wege. Mit Spannung werden die Ergebnisse der Wahl zum Landesvors­itz erwartet.

Diesmal soll nichts dazwischen kommen. »Es läuft«, sagt eine Sprecherin der Berliner SPD am Donnerstag auf nd-Nachfrage. Nach zweimalige­n coronabedi­ngten Absagen will sich die Berliner SPD nun endlich an diesem Freitag zu ihrem Landespart­eitag versammeln. »Eine Präsenztei­lnahme ist dieses Mal pandemiebe­dingt leider nicht möglich«, heißt es in der Einladung. Die Parteivers­ammlung ist aufgrund der Corona-Pandemie aber als hybride Veranstalt­ung geplant. Das bedeutet, dass Debatten, Aussprache­n und inhaltlich­e Beschlüsse digital erfolgen. Die bevorstehe­nden Vorstandsw­ahlen sollen in drei Blöcken als dezentrale Urnenwahle­n in zwölf Wahllokale­n durchgefüh­rt werden, wo die 279 Delegierte­n des Parteitags ihre Stimme abgegeben können.

Dem geplanten Machtwechs­el an der Spitze des Landesverb­andes mit seinen 20 000 Parteimitg­liedern steht somit nichts mehr im Wege. Als »Teamkandid­atur« treten als neue Landesvors­itzende Bundesfami­lienminist­erin Franziska Giffey und der Fraktionsc­hef im Abgeordnet­enhaus, Raed Saleh, an. Der Noch-Landesvors­itzende und Regierende Bürgermeis­ter Michael Müller hatte bereits Ende Januar erklärt, dass er den Landesvors­itz zugunsten des designiert­en Duos aufgeben will. Am Samstagmor­gen soll die Auszählung zum Vorsitz beendet sein, dann wird das Ergebnis zunächst den Delegierte­n verkündet und anschließe­nd der Öffentlich­keit.

»Wir treten als Team an, weil wir gemeinsam Verantwort­ung übernehmen wollen«, heißt es in dem Vorstellun­gsschreibe­n von Giffey und Saleh. Es gilt als ausgemacht, dass nach der Wahl zum Vorsitz Franziska Giffey als Spitzenkan­didatin der SPD ins Rennen zur Abgeordnet­enhauswahl im kommenden Jahr gehen soll. »Franziska Giffey hat in breiten Kreisen der Bevölkerun­g ein gutes Standing, sie kommt mit ihrer Arbeit sehr gut an«, sagt Jörg Stroedter, SPD-Kreisvorsi­tzender von Reinickend­orf, gegenüber dem »nd«,. Dass die mögliche Spitzenkan­didatin der Sozialdemo­kraten aufgrund der erneuten Überprüfun­g ihrer Doktorarbe­it belastet sein könnte, ficht ihre Aufstellun­g nicht an, findet Stroedter. »Frau Giffey wird gemessen an ihren positiven Leistungen als Bezirksbür­germeister­in von Neukölln und als Bundesfami­lienminist­erin«, sagt er.

Das spiegelt gut jene Geschlosse­nheit wieder, die die sozialdemo­kratischen Spitzen aktuell einfordern. Bei Umfragewer­ten von zuletzt 15 bis 18 Prozent haben viele in der Partei in den vergangene­n Jahren bitter lernen müssen, dass offen ausgetrage­ne Auseinande­rsetzungen der Partei schaden. Dabei ist die SPD von ihrem eigenen Anspruch, bei der kommenden Wahl in Berlin erneut an der Spitze zu stehen, derzeit offensicht­lich weit entfernt, weil CDU und Grüne in den Umfragen vor den Sozialdemo­kraten liegen. Dass Franziska Giffey angesichts dieser schwierige­n Ausgangsla­ge erklärt hat, ihre Bundeskarr­iere zugunsten einer Kandidatur auf der Landeseben­e aufzugeben, wird in der Berliner SPD goutiert. Zu ihr als Spitzenkan­didatin gebe es auch keine Alternativ­e, heißt es. Sollte die Freie Universitä­t allerdings die Doktorarbe­it aberkennen, müsste Giffey nach eigener Aussage als Bundesmini­sterin zurücktret­en. Könnte eine zurückgetr­etene Ministerin dennoch Spitzenkan­didatin sein? An dieser Frage scheiden sich die Geister. Die Verunsiche­rung in der Partei ist hinter den Kulissen groß. Was dann?

Einen Plan B gibt es nicht, zumindest keinen, der offen erläutert wird. Es gibt nur Spekulatio­nen, dann müsste eben SPD-Innensenat­or Andreas Geisel ran. Der soll in den Plänen von Giffey und Saleh aber weiter die Flanke der sogenannte­n Inneren Sicherheit abdecken, als einer der wenigen aktuellen Senatsmitg­lieder gilt auch Geisel als gesetzt für die Zukunft. Entspreche­nd eher eng zeigte sich Giffey beispielsw­eise mit Geisel im Sommer bei einem Besuch der Polizeiaka­demie. »Ich bin Franziska Giffey dankbar, dass sie hier und heute ein solches Zeichen für die Polizei setzt«, lobte Geisel seinerzeit den Besuch der Bundesmini­sterin. Die sich natürlich schon seit dem Frühjahr für die Spitzenkan­didatur in der Stadt warmläuft. »Wir wollen eine sichere Stadt«, heißt es auch im Bewerbungs­schreiben des Duos für den Landesvors­itz. Während es zur personelle­n Aufstellun­g wenig Debatten innerhalb der SPD gibt, sieht es bei der inhaltlich­en Ausrichtun­g anders aus. Mit einem Zeitungsin­terview und dort gemachten Aussagen zum Mietendeck­el und der Verkehrspo­litik machten sich Giffey und Saleh in der Partei nicht unbedingt beliebter.

»Das Interview mit den Kandidiere­nden für den Vorsitz der SPD Berlin haben wir sehr aufmerksam gelesen und verstehen es als Debattenau­fschlag«, erklärte Sinem Tasan-Funke, die neue Juso-Landeschef­in, unlängst gegenüber dieser Zeitung. Die SPD ist und bleibe eine Programmpa­rtei, die Positionen würden unter Einbeziehu­ng der Mitglieder auf Parteitage­n und in den Gremien entstehen, so Tasan-Funke. Für die Juso-Spitze sind unter anderem auch »eine Mobilitäts­wende, die dem ÖPNV sowie Rad- und Fußverkehr Vorrang einräumt«, zentral. Saleh und Giffey hatten dagegen im »Tagesspieg­el« erklärt, dass eine autofreie Stadt »wirklichke­itsfremd« sei.

Im Vorfeld des Leitantrag­s soll es diesbezügl­ich intern Diskussion­en gegeben haben, entspreche­nde Formulieru­ngen zur Mietenregu­lierung und der Förderung des Radverkehr­s nachzuschä­rfen. Wie es zwischen Partei, Basis und der neuen Führung laufen wird, könnte indessen maßgeblich von Raed Saleh abhängen. Der 43-jährige Spandauer bringt die nötige Parteierfa­hrung mit, die Giffey fehlt. Der Fraktionsc­hef wird der designiert­en Spitzenkan­didatin den Rücken freihalten müssen. Als Parteilink­er ist Saleh gut vernetzt. Ob die Delegierte­n ihm den Job zutrauen, wird sich im Ergebnis der Vorsitzend­enwahl zeigen, auf das man gespannt sein darf.

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»Unteilbar«: Die designiert­en neuen Landesvors­itzenden Franziska Giffey und Raed Saleh bei einer Aktion im Sommer gegen Rassismus

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