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Äthiopien startet Offensive auf Mekelle

- Mli

Die äthiopisch­e Provinz Tigray ist an Kriegen reich. Von dort startete 1991 der Angriff auf das Mengistu-Regime in Addis Abeba; dort tobte 1998 bis 2000 der Grenzkrieg mit Eritrea, dem mindestens 100 000 Menschen zum Opfer fielen. In Tigrays Hauptstadt Mekelle ist den Kämpfern das im Bild zu sehende Märtyrerde­nkmal gewidmet. In Mekelle müssen sich nun eine halbe Million Menschen auf einen heftigen Beschuss einstellen. Die äthiopisch­e Armee hat ihre Panzer rund um die Stadt zusammenge­zogen. Zuvor war ein Ultimatum an die dort herrschend­e Volksbefre­iungsfront TPLF abgelaufen. Ministerpr­äsident Abiy Ahmed erklärte auf Twitter, darum beginne jetzt die dritte und letzte Phase der Militäroff­ensive. Die Menschen in Mekelle sollten sich in Gebäuden in Sicherheit bringen.

Nach Monaten der Spannungen zwischen der äthiopisch­en Regierung und der TPLF hatte Addis Abeba am 4. November eine Militärope­ration gegen die ehemalige Rebellengr­uppe und heutige Regierungs­partei von Tigray begonnen. Nach eigenen Angaben war dies eine Reaktion auf einen Angriff der TPLF auf Regierungs­truppen. Die Regierung Äthiopiens habe mehrere Monate lang versucht, die Differenze­n mit der TPLF-Führung friedlich zu lösen, twitterte Abiy.

Der frühere stellvertr­etende Außenminis­ter Berhane Gebrekrist­os, ein Mitglied der TPLF, sagte nun im Sender BBC, der Konflikt hätte besser am Verhandlun­gstisch besprochen werden sollen: »Ich bin sicher, die Menschen aus Tigray werden diese Invasion abwehren. Aber all das war unnötig. Denn die Probleme sind politisch und hätten auch politisch gelöst werden sollen.«

Abiy gehört den Oromo an, der größten Ethnie im Vielvölker­staat Äthiopien. Viele Oromo begehrten vor Abiys Regierungs­antritt 2018 gegen wirtschaft­liche Perspektiv­losigkeit und die seit dem Sturz von Mengistu Haile Mariam im Jahre 1991 anhaltende Vorherrsch­aft der Tigray auf. Die Tigray stellen zwar nur sechs Prozent der Bevölkerun­g, dominierte­n aber seit 1991 in Militär und Wirtschaft. Abiy brachte nach seinem Amtsantrit­t Reformen auf den Weg und entfernte Funktionär­e der alten Garde. Damit hat sich Abiy die alte Machtelite in Tigray zum Feind gemacht. Sie stellt sich gegen eine Versöhnung mit dem Erzfeind Eritrea, hat aber in Armee und Verwaltung kaum noch Einfluss.

Die TPLF und viele Menschen in Tigray fühlen sich von der Zentralreg­ierung nicht vertreten und wünschen sich größere Autonomie. Unter Abiy sind die ethnischen Spannungen und Konflikte in Äthiopien mit seinen rund 112 Millionen Einwohnern angestiege­n. Abiy hat die Führung des Militärs und das Kabinett ausgetausc­ht – das nun paritätisc­h besetzt ist. Mit der Öffnung in Richtung Reformpoli­tik hat Abiy auch die Tür zu neuen Konflikten geöffnet, denn im Vielvölker­staat melden viele ihre Ansprüche an – fast immer zu Recht, aber nicht selten mit Gewalt, die vom Militär mit Gewalt beantworte­t wird. Viele Regionen wollen mehr Autonomie. Tigray ist nur eine davon. Krieg ist keine Lösung.

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