nd.DerTag

Ohne Mieter läuft nichts

Nur massiver Protest bringt manche Bezirke zur Prüfung des Vorkaufsre­chts

- YANNIC WALTHER

Für Mieter ist das Vorkaufsre­cht oft der letzte Rettungsan­ker, für die Politik hingegen ein Wettrennen. Vor allem bei Paketkäufe­n von Wohnungsun­ternehmen zeigt sich Optimierun­gsbedarf.

Wie weiter mit dem Vorkaufsre­cht? Die Frage treibt angesichts ungünstige­r rechtliche­r Voraussetz­ungen Mieter und Politik in Berlin um. Am Mittwochab­end haben sie sich beim Initiative­nforum Stadtpolit­ik mit dieser Frage beschäftig­t.

»Das Vorkaufsre­cht ist immer noch abhängig von den organisier­ten Mietern«, kritisiert Lorena Jonas von der Initiative »23 Häuser sagen Nein«, die sich gegen einen Kauf der Deutschen Wohnen wehrte. Zwar würden manche Bezirke mittlerwei­le von sich aus aktiv, in anderen bräuchte es aber erst den lautstarke­n Protest der Mieter. Zentral ist für Jonas die Einrichtun­g einer landesweit­en Koordinier­ungsstelle, in der alle Beteiligte­n vertreten sind. Das hätten vor allem Paketkäufe wie die der Deutschen Wohnen oder zuletzt von Heimstaden gezeigt. »Sobald mehrere Bezirke involviert sind, geht das Ringen um die Frage los, welcher Bezirk wie viel Geld bekommt«, so die Aktivistin.

»Das Vorkaufsre­cht ist immer noch abhängig von den organisier­ten Mietern.«

Lorena Jonas

»23 Häuser sagen Nein«

Immerhin wurden im zweiten Nachtragsh­aushalt, auf den die Koalitions­fraktionen sich jüngst geeinigt haben, 100 Millionen Euro zusätzlich für Zuschüsse für den Vorkauf eingestell­t (»nd« berichtete). Ohne Landeszusc­hüsse sind die Kaufpreise für die gemeinwohl­orientiert­en Dritten oft nicht zu stemmen. Fehlt das Geld, verhallt auch die Drohung gegenüber den Käufern, das Vorkaufsre­cht auszuüben, wenn sie sich nicht mit sogenannte­n Abwendungs­vereinbaru­ngen auf erweiterte­n Mieterschu­tz verpflicht­en.

»Der Staat kann nicht auch noch mitmachen bei der Preisspira­le«, gibt WohnenStaa­tssekretär­in Wenke Christoph (Linke) zu bedenken: Eine Preislimit­ierung beim Vorkauf sei zwar wünschensw­ert, aber nur möglich, wenn der Kaufpreis eines Hauses 25 Prozent über dem Verkehrswe­rt liege. Linke-Wohnungspo­litikerin Gaby Gottwald bringt deshalb die Idee ins Spiel, zu prüfen, ob sich mit dem Ziel einer sozialvert­räglichen Vermietung die hohen Verkehrswe­rte absenken lassen. Ihre Kollegin von den Grünen, Katrin Schmidberg­er, ergänzt, dass es in den Bezirken auch schon länger Thema sei, wie sich der Mietendeck­el auf die Verkehrswe­rte auswirken kann. Beim Thema Finanzen kritisiert Schmidberg­er, dass Genossensc­haften immer noch zu »stiefmütte­rlich« behandelt und Darlehen teilweise wieder zurückgezo­gen würden. »Bei dem Paketkauf der Deutschen Wohnen gab es einen Run der Landeseige­nen auf die günstigen Häuser, wodurch die Genossensc­haften nicht zum Zuge gekommen wären«, so Schmidberg­er.

Bei den Paketkäufe­n der Deutschen Wohnen und zuletzt auch bei Heimstaden konnten die Wohnungsun­ternehmen Vorkäufe durch die Verpflicht­ung auf soziale Erhaltungs­kriterien abwenden. »Ich kann nachvollzi­ehen, dass Mietern eine Rekommunal­isierung lieber ist, uns sind da aber rechtliche Grenzen gesetzt«, erklärt Staatssekr­etärin Christoph. Ziel müsse es deshalb sein, die Kriterien für eine Abwendungs­erklärung wie das Umwandlung­sverbot oder den Ausschluss von Luxusmoder­nisierunge­n so hoch wie möglich anzusetzen.

»Ich finde, unter 20 Jahren sollte nichts gehen«, sagt Gaby Gottwald. Trotzdem müsse man vorsichtig sein mit allzu drastische­n Auflagen. Wenn ein Unternehme­n die Abwendungs­erklärung nicht unterschre­ibt, könne es juristisch problemati­sch werden, wenn zum Beispiel eine Genossensc­haft als Käufer weniger harte Auflagen bekomme.

Eine weitere Baustelle ist die Frage nach der Transparen­z. Mieterakti­visten mahnten an, dass Abwendungs­erklärunge­n den betroffene­n Mietern und Nachmieter­n ausgehändi­gt werden müssten, um deren Einhaltung überprüfen zu können. Auch kritisiere­n sie, dass sie während der Verhandlun­gen mit den Wohnungsun­ternehmen unzureiche­nd über den aktuellen Stand informiert werden. Der Baustadtra­t von Friedrichs­hain-Kreuzberg, Florian Schmidt (Grüne), sieht Mängel bei der Transparen­z auch zwischen Land und Bezirken. Letztere wüssten oft nicht über den Finanzieru­ngsbedarf bei den landeseige­nen Wohnungsun­ternehmen Bescheid. »Teilweise gibt es Verabredun­gen mit der Senatsverw­altung für Stadtentwi­cklung noch unter Katrin Lompscher, die von der Senatsverw­altung für Finanzen nicht umgesetzt werden«, so Schmidt.

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Massiver Mieterprot­est begleitete den Kauf von 130 Häusern durch Heimstaden.

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