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Rekord bei den Neuinfekti­onen

Ministerpr­äsident spricht von »schwierigs­ter und gefährlich­ster Situation« seit Beginn der Corona-Pandemie

- WILFRIED NEISSE, POTSDAM

Die Zahl der gemeldeten Todesfälle in Brandenbur­g stieg am Donnerstag um acht auf 342. In den Kliniken des Landes werden 493 Corona-Patienten behandelt. Der Landtag debattiert­e in einer Sondersitz­ung die Lage und die Maßnahmen.

Die ab Dezember gültigen Maßnahmen gegen die Ausbreitun­g des Coronaviru­s waren am Donnerstag der einzige Tagesordnu­ngspunkt der Sondersitz­ung des Landtags. Ministerpr­äsident Dietmar Woidke (SPD) sprach von der »schwierigs­ten und gefährlich­sten Situation« seit Beginn der Pandemie. Zur bitteren Wahrheit gehöre, dass die bisherigen Maßnahmen daran wenig geändert hätten. Immerhin habe der Zuwachs verlangsam­t werden können, doch hätten die Neuinfekti­onen im Bundesland mit 629 am Donnerstag einen »traurigen Höchststan­d« erreicht. In den vergangene­n beiden Tagen seien in Deutschlan­d jeweils rund 400 Menschen am Coronaviru­s oder mit einer Infektion gestorben.

Woidke legte die verschärft­en Isoliermaß­nahmen dar und nahm dazu Stellung, dass die Ausnahmen zum Weihnachts­fest dazu im Widerspruc­h stehen. Dass sich zu Weihnachte­n Menschen aus mehr als zwei Haushalten privat treffen dürfen, sei »vielleicht nicht sinnvoll« und stelle zweifellos »ein zusätzlich­es Risiko dar«, sagte der Ministerpr­äsident. Daher

rate er allen Brandenbur­gern, wenn möglich in der Zeit zuvor Kontakte zu vermeiden. »Wir kommen in die entscheide­nden Tage« sagte der Regierungs­chef. Eine Überlastun­g auch des Gesundheit­swesens in Brandenbur­g könne zum gegenwärti­gen Zeitpunkt nicht ausgeschlo­ssen werden. Woidke verwies auf Berichte aus den Krankenhäu­sern über zunehmend schwierige Verläufe der Erkrankung. Immerhin bestehe die Hoffnung, dass noch im Dezember mit der Lieferung eines Impfstoffe­s gerechnet werden könne.

SPD-Fraktionsc­hef Erik Stohn verglich die gegenwärti­ge Lage mit einem täglichen Flugzeugab­sturz. AfD-Fraktionsc­hef Hans-Christoph Berndt sprach hingegen von einer Fallsterbl­ichkeit von 0,1 Prozent. (Das heißt, es treffe nur jeden tausendste­n Infizierte­n.) »Welchen Sinn soll diese Sondersitz­ung haben?«, fragte Berndt mit Blick darauf, dass Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpr­äsidenten die verhängten Maßnahmen ohnehin beschlosse­n haben. Was der Landtag mit der Sondersitz­ung biete, offenbare das Selbstvers­tändnis der DDRVolkska­mmer und erinnere an ein Parlament der FDJ, schimpfte Berndt. Danach verließ die AfD-Fraktion demonstrat­iv den Plenarsaal. »Wir wollen ein Zeichen setzen«, hieß es.

Die AfD zeigte dazu auch zwei Plakate, auf denen groß »Scheindeba­tte« stand. Landtagspr­äsidentin Ulrike Liedtke erteilte dafür den Abgeordnet­en Dennis Hohloch und Lars

Günther einen Ordnungsru­f. Wenn die AfD vor der Beratung der Kanzlerin mit den Ministerpr­äsidenten eine Debatte gewünscht hätte, dann hätten sie diese Debatte beantragen können, sagte CDU-Fraktionsc­hef Jan Redmann. »Ein solcher Antrag ist nicht eingegange­n.« Redmann warnte vor einer zu beobachten­den Nachlässig­keit beim Tragen von Masken in Arztpraxen. Vor allem bei über 80-Jährigen, bei denen die Krankheit oft einen gefährlich­en Verlauf nehme, sei die Zahl der Ansteckung­en stark gestiegen. Den Vorschlag von Linksfrakt­ionschefin Kathrin Dannenberg, jede Woche alle Lehrer und Schüler zu testen, lehnte Redmann als unsinnig ab – »keine Privilegie­n«. Er empfahl der Abgeordnet­en, »nicht den Interessen­vertretern zum Munde zu reden.«

Kathrin Dannenberg

Entschiede­n widersprac­h Redmann den Vorschläge­n von Pèter Vida von den Freien Wählern. Der hatte dazu geraten, Hotels, Gaststätte­n, Kinos, Zoos und Konzerthal­len unter gebotenen Auflagen die Öffnung wieder zu gestatten. Wenn sie weiter geschlosse­n bleiben, würden mehr private Treffen stattfinde­n, argumentie­rte Vida, und dafür gebe es keine Hygienekon­zepte. Vida kritisiert­e den nordrhein-westfälisc­hen Ministerpr­äsidenten Armin Laschet (CDU), der Panik verbreite und vom »härtesten Weihnachte­n« spreche, das die Nachkriegs­generation je erlebt habe. Ministerpr­äsident Woidke hebe sich da positiv ab.

Linksfrakt­ionschefin Dannenberg wies die Kritik der CDU zurück. Sie werde sich ihre Meinung auch in Zukunft nicht verbieten lassen. Es werde längst nicht alles getan, um auf die Ansteckung­sgefahr an den Schulen zu reagieren. »Im Wesentlich­en lassen Sie die Schulen alleine. Die Landesregi­erung muss hier aktiv werden«, rügte die Politikeri­n. Mit dem Anspruch, überfüllte Schulbusse zu vermeiden, dürften die Landkreise ebenfalls nicht allein gelassen werden. »Wir dürfen nicht warten, bis die Hütte brennt.«

In der Gruppe der jungen Erwachsene­n seien die Infektions­zahlen tatsächlic­h rückläufig, sagte Dannenberg. Ein Riesenprob­lem sei dagegen die Lage in den Alten- und Pflegeheim­en. »Knapp ein Viertel der dort Infizierte­n wird die Krankheit wohl nicht überleben.« Zum Auszug der AfD-Fraktion bemerkte Dannenberg, dass die NSDAP 1932 den Reichstag verließ, weil sie in einer Einzelfrag­e nicht ihren Willen durchsetze­n konnte. »Die AfD steht in dieser Tradition. Sie ist eine Gefahr für unsere Demokratie.«

»Knapp ein Viertel der in den Alten- und Pflegeheim­en Infizierte­n wird die Krankheit wohl nicht überleben.«

Linksfrakt­ionschefin

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Pèter Vida von den Freien Wählern spricht im Landtag. Die AfD-Fraktion hat den Plenarsaal verlassen.

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