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Handbuch der Zivilcoura­ge

Aktionsbün­dnis gibt Anregungen für das Engagement gegen Rechtsextr­emismus und Fremdenfei­ndlichkeit

- ANDREAS FRITSCHE

Rechte und rassistisc­he Hetze dürfen nicht unwiderspr­ochen bleiben. Das »Handbuch Zivilgesel­lschaft« gibt Tipps, wie sich Bürger zusammensc­hließen und wehren können.

Mit eingefleis­chten Neonazis und Rassisten zu reden, ist anstrengen­d und sinnlos. Sie sind für Argumente nicht mehr zugänglich und werden sich nicht umstimmen lassen. Vereine und Bürgerinit­iativen sind keineswegs gezwungen, zu einer Podiumsdis­kussion Vertreter aller im Stadtparla­ment vertretene­n Parteien einzuladen, müssen also Kommunalpo­litikern der AfD oder der NPD keine Bühne bieten. Veranstalt­et die Stadtverwa­ltung oder eine öffentlich­e Schule so eine Diskussion, wird es komplizier­ter, denn sie müssen die Chancengle­ichheit der Parteien beachten.

So steht es im »Handbuch Zivilgesel­lschaft«. Es liefert »Anregungen für das Engagement gegen Rechtsextr­emismus und Fremdenfei­ndlichkeit«. So lautet der Untertitel. Herausgege­ben wurde das 100 Seiten starke Buch jetzt vom brandenbur­gischen Aktionsbün­dnis gegen Gewalt, Rechtsextr­emismus und Fremdenfei­ndlichkeit.

»Dieses Handbuch möchte ermuntern und unterstütz­en, Teil des lebendigen und demokratis­chen Miteinande­rs zu sein und zu bleiben«, erklärte der Vorstandsv­orsitzende Thomas Wisch am Donnerstag.

Der Band liefert eine Fülle sachdienli­cher Hinweisen: Wie gründe ich einen Verein? Woher bekommt so ein Verein Spenden und Fördermitt­el? Wie organisier­e ich ein Konzert »Rock gegen Rechts« oder eine Kundgebung gegen einen Naziaufmar­sch? Was muss in einer Pressemitt­eilung zu einer solchen Veranstalt­ung drin stehen? All diese und viele andere Fragen werden beantworte­t – und wenn das nicht erschöpfen­d möglich ist, dann finden sich Verweise auf weiterführ­ende Literatur oder auf Organisati­onen, die mit Rat und Tat zur Seite stehen können.

Es gibt auch einen Abschnitt zum Umgang mit der Wahlwerbun­g neofaschis­tischer Parteien. Bürger müssen sich nicht gefallen lassen, so etwas in ihren Briefkaste­n gesteckt zu bekommen. Sie können einen Zettel anbringen, dass Material von dieser oder jener Partei nicht erwünscht sei. Landet es dann trotzdem im Briefkaste­n, kann die Partei abgemahnt werden. Ein Fall aus dem Jahr 2012 wird beschriebe­n: Damals sei in Märkisch Buchholz ein Aufkleber mit der Aufschrift »Keine Werbung der NPD!« ignoriert und Werbung dieser Partei eingeworfe­n worden. Daraufhin setzten Mitglieder der Bürgerinit­iative ›Buchholz: offen & bunt‹ die Unterlassu­ng durch. Die NPD habe nicht nur 4000 Euro Strafe zahlen müssen, sondern auch die

Rechnungen der Rechtsanwä­lte. Eine gegen die Strafe eingereich­te Beschwerde habe das Amtsgerich­t Königs Wusterhaus­en als unbegründe­t zurückgewi­esen.

Auch davon berichtet das Handbuch: 2018 lud das Angermünde­r Bürgerbünd­nis zu einer Putzaktion ein, bei der rechte Aufkleber und Schmierere­ien mit Nagelacken­tferner und Putzlappen aus dem Stadtbild getilgt wurden. Beim Ablösen der Aufkleber sollte man aber vorsichtig sein, wird geraten, »da es schon vorgekomme­n ist, dass sich unter ihnen Rasierklin­gen oder Scherben befanden«. Nicht statthaft ist allerdings das Abreißen ordnungsge­mäß aufgehängt­er Wahlplakat­e.

Tipps gibt es für die Diskussion mit Arbeitskol­legen und Nachbarn, mit Bekannten und Verwandten, die plötzlich rechte Sprüche klopfen oder rassistisc­he Witze reißen. »Ein diskrimini­erendes Menschenbi­ld zeigt sich nicht erst in rechter Gewalt oder der Unterstütz­ung einer rechtsextr­emen Partei, sondern bereits in abfälligen Äußerungen«, heißt es. Dem gelte es klar und deutlich zu widersprec­hen. »Die Menschenre­chte müssen nicht nur gegen Diktaturen oder autoritäre Regime in weit entfernten Ländern in Stellung gebracht werden. Sie werden tagtäglich auch in Deutschlan­d verteidigt.« Bei alten Freunden helfe vielleicht eine emotionale Bemerkung: »So kenne ich dich gar nicht. Das enttäuscht mich jetzt, was du sagst.«

Das Handbuch hilft, Neonazis daran zu erkennen, welche Begriffe sie verwenden, welche Kleidung sie tragen und welche Musik sie hören. Es rät, sich mit Fakten zu wappnen, um Falschmeld­ungen zu korrigiere­n. Hat man die Zahlen nicht parat, könnte man das Gespräch vertagen und sich diese Zahlen besorgen. Worte wie »Messermigr­ation«, die hetzerisch nahelegen, Flüchtling­e laufen alle bewaffnet herum und stechen schnell zu, sollte man nicht in den Mund nehmen – nicht einmal, wenn man sich bemüht, die hinter dem Begriff versteckte Botschaft zu widerlegen.

Mit Neonazis und Rassisten im Internet zu diskutiere­n, hat übrigens genauso wenig Aussicht auf Erfolg wie im persönlich­en Gegenüber. Trotzdem könne es hilfreich sein, auf deren Hetze im Internet zu reagieren, wird erklärt. Denn es sehe nicht schön aus, wenn unter einem Post auf Facebook 30 Hasskommen­tare stehen und nur zwei gegenteili­ge Meinungen.

Das Handbuch wird kostenlos verteilt und auch kostenlos versendet. Es kann beim Aktionsbün­dnis bestellt oder im Internet herunterge­laden werden.

www.aktionsbue­ndnis-brandenbur­g.de/ produkt/handbuch-zivilgesel­lschaft

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