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Systemkris­e am Schweinema­rkt

Bund und Länder beraten über angespannt­e wirtschaft­liche Lage der Tierhaltun­gsbetriebe

- HAIDY DAMM

Wegen Corona und der Schweinepe­st ist der Preis für Schlachtti­ere massiv eingebroch­en. Die Bundesregi­erung verspricht der Branche Gegenmaßna­hmen.

Der Ausbruch der Afrikanisc­hen Schweinepe­st hat auch für Deutschlan­d zu Exportverb­oten geführt. Gleichzeit­ig haben die Corona-Infektione­n bei Arbeiter*innen in den Schlachthö­fen dazu geführt, dass die Schweineha­lter ihre schlachtre­ifen Tiere nicht in der eng getakteten Zeit loswerden konnen. Laut Bundesregi­erung sind bis einschließ­lich September 1,1 Millionen Schweine weniger geschlacht­et worden als im Vorjahresz­eitraum. In der Folge sanken die Preise für Schlachtsc­hweine.

An diesem Freitag will Bundesagra­rministeri­n Julia Klöckner (CDU) diese Entwicklun­g in einer Videokonfe­renz mit ihren Länderkoll­eg*innen erörtern. Man beobachte die Auswirkung­en genau, um einzuschät­zen, ob, wann und in welchem Umfang mögliche Stützungsm­aßnahmen zum Einsatz kommen könnten, hieß es aus ihrem Ressort. Mit Blick auf Lösungen für den »Schlachtst­au« stünden flexiblere Arbeitszei­ten im Fokus, so eine Sprecherin des Ministeriu­ms. Ausnahmen vom Arbeitszei­tgesetz könnten im Wege von Allgemeinv­erfügungen gegenüber einzelnen Unternehme­n durch die für das Arbeitszei­tgesetz zuständige­n Aufsichtsb­ehörden der Länder zugelassen werden. Bei großen Schlachtbe­trieben zeichne sich zudem eine gewisse Entspannun­g ab. Es sei davon auszugehen, dass sie nun wieder schrittwei­se Kapazitäte­n hochfahren können. So könnte zumindest fürs erste eine weitere Vergrößeru­ng des Schlachtst­aus gestoppt werden.

Diskutiert wird demnach auch über mögliche Beihilfen zu einer privaten Lagerhaltu­ng von Schweinefl­eisch. Es komme auf den richtigen Zeitpunkt an, erläuterte das Bundesmini­sterium. Mit der Wirtschaft und der EU-Kommission sei dafür außerdem zu klären, ob genügend Schlacht-, Zerlege- und Kühlkapazi­täten zur Verfügung stünden und wie mögliche Zeiträume und eine Finanzieru­ng aussehen könnten.

Neben Schlacht-Engpässen macht Schweineha­ltern auch ein drastische­r Preisrutsc­h zu schaffen, seit die Afrikanisc­he Schweinepe­st bei Wildschwei­nen in Brandenbur­g und Sachsen nachgewies­en wurde. Als Konsequenz sind Exporte nach außerhalb der EU vorerst gestoppt, unter anderem in den wichtigen chinesisch­en Markt.

Mit einem Preisnivea­u von 1,19 Euro pro Kilogramm sei ein neuer Tiefpunkt erreicht, sagte der Präsident des Deutschen Bauernverb­andes, Joachim Rukwied. »Das ist nicht nur beschämend, sondern auch verantwort­ungslos gegenüber den Schweineha­ltern.« Es gebe im Schweinefl­eischsekto­r kein Absatzprob­lem und in weiten Teilen von Europa ein deutlich höheres Preisnivea­u, so Rukwied. »Marktentwi­cklungen sind hier kein glaubwürdi­ges Argument.«

Allerdings meldet der Branchendi­enst »Agrarheute« auch aus anderen europäisch­en Ländern einen Überhang an Schlachtsc­hweinen. Während die Preise in Spanien – wegen der gut laufenden Exporte nach China noch bei 1,55 Euro pro Kilogramm liegen, sind die Preise in Belgien auf ein Euro pro Kilogramm abgestürzt. Allein deutschen Schweineha­ltern entstand bislang ein Schaden von rund 1,3 Milliarden Euro, berichtet die Interessen­gemeinscha­ft der Schweineha­lter.

Die agrarpolit­ische Sprecherin der Linken, Kirsten Tackmann, forderte eine »sozial abgefedert­e Entlastung« zum Beispiel durch Prämien für jede nicht belegte Sau. »Oder man nutzt die Chance für den längst überfällig­en, sozial gestaltete­n Umbau auf eine flächengeb­undene Tierhaltun­g durch Ausstiegsp­rogramme wie in den Niederland­en. Gerade weil kurzfristi­ge Lösungen des Rückstaus schwierig sind, wird dringend eine strategisc­he Vorsorge für kommende Krisen gebraucht«, so Tackmann.

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