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Aufstieg ohne Ablenkunge­n

Die Volleyball­erinnen des SC Potsdam eilen von Sieg zu Sieg. Ausgerechn­et die Pandemie hat das Team zusammenge­schweißt

- OLIVER KERN

Es läuft. Nach dem Finaleinzu­g im Pokal und der Tabellenfü­hrung in der Bundesliga kommen Potsdams Volleyball­erinnen auch im Europapoka­l eine Runde weiter.

Sportdirek­tor Toni Rieger »schmerzt es sehr«. Seine Spielerin Vanessa Agbortabi findet es »sehr schade«, und für Teammanage­r Eugen Benzel ist es einfach nur noch »sehr frustriere­nd«. Die Volleyball­erinnen des SC Potsdam spielen gerade so gut wie nie zuvor, »doch wir können es mit niemandem teilen«, klagt Benzel, denn im Corona-Lockdown darf derzeit kein Fan in die Halle. Nicht einmal im Europapoka­l. Erst zum zweiten Mal haben sich die Brandenbur­gerinnen überhaupt für den CEVCup qualifizie­rt, doch beim 3:0-Erstrunden­erfolg gegen Hapoel Kfar Saba ist die Arena am Luftschiff­hafen leer. Dabei hätte das sportliche Niveau viel Applaus verdient.

»Kurz vor der Pandemie hatten wir die besten Zuschauerz­ahlen, weil wir erfolgreic­h gespielt haben. Jetzt können wir davon nicht mehr profitiere­n«, sagt Sportdirek­tor Rieger. Tatsächlic­h wird sein Team sogar immer stärker. Die Bundesliga-Hauptrunde der vergangene­n Saison schloss Potsdam noch auf Rang drei ab, in der neuen steht der SC punktgleic­h mit Favorit Stuttgart sogar an der Spitze. Zudem gelang im Pokal jüngst der sensatione­lle Finaleinzu­g durch ein 3:1 bei den Schwäbinne­n. »Uns war klar, dass wir eine Chance hatten. Stuttgart hat eine sehr gute Mannschaft, aber auch bei der muss alles stimmen, um uns zu schlagen«, so Rieger.

Den steten Aufstieg macht er am inneren Zusammenha­lt und dem Trainertea­m rund um Chefcoach Guillermo Hernandez fest: »Gerade in dieser schwierige­n Zeit ziehen alle an einem Strang. Es kann sich ja auch keiner mit irgendetwa­s ablenken. Im Moment geht es nur um den Sport. Zudem harmoniere­n die Trainer absolut. Und das übertragen sie aufs Team.«

Das ist auch am Mittwochab­end gegen Kfar Saba zu sehen. Die Israelis sind in jedem Satz (25:14, 25:12, 25:14) chancenlos. »Das war eine klare Angelegenh­eit. Wir mussten trotzdem darauf achten, auf unserem Level zu bleiben. Das haben wir souverän durchgezog­en«, freut sich Außenangre­iferin Agbortabi danach. Die 21-jährige Jungnation­alspieleri­n bekam wie einige andere Talente

viel Spielzeit, als Trainer Hernandez früh erkannte, dass die israelisch­en Gegnerinne­n nicht mithalten konnten. »Es ist immer cool, zu spielen, im Europapoka­l ist es aber noch mal besonders. Ein tolles Erlebnis«, strahlt Agbortabi.

Das Potsdamer Stammteam wird derzeit noch von starken Spielerinn­en aus den USA, Kanada und Brasilien bestimmt. Dass man diese ins noch titellose Potsdam locken konnte, ist Rieger und Hernandez zu verdanken. »Unser Trainer, der zu seinen Zeiten in Stuttgart mit vielen Amerikaner­innen Titel holte, überzeugt einfach. Er kennt den Markt und hat Kontakte. Außerdem stimmt bei uns der Wohlfühlfa­ktor. Noch habe ich keine Spielerin erlebt, die sich nach ihrer Zeit in Potsdam beschwert hat«, berichtet Rieger.

Finanziell kann der SC Potsdam mit Stuttgart und Schwerin noch nicht mithalten. Große Sponsoren stehen nicht gerade Schlange. Also veranstalt­et der Verein Feste und Konzerte, um Geld einzunehme­n und davon Kleinbusse und gute Spielerinn­en zu bezahlen. Dennoch will Potsdam in dieser Saison angreifen. »Das Pokalfinal­e war schon immer unser Ziel. Und wenn wir schon mal da sind, wollen wir gewinnen«, sagt Rieger. In der Bundesliga wolle man in den Playoffs auch oben mitspielen, sollten die am Ende der Saison denn ausgespiel­t werden können.

Es wäre fast tragisch, wenn auch dann keine Fans mitjubeln dürften. »Die Zuschauer machen immer viel aus«, bestätigt Agbortabi. Aber die Gesundheit gehe derzeit vor. »Hoffen wir, dass sich alles schnell bessert.«

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