nd.DerTag

Lauter gute Nachrichte­n

- Wolfgang Hübner

»Zunächst die gute Nachricht« – so beginnen Artikel, die eigentlich etwas Betrüblich­es mitzuteile­n haben. Nachher ist die Laune der Leser noch schlechter. Das soll an dieser Stelle nicht passieren, weshalb hier ausschließ­lich von positiven Dingen die Rede sein wird. Es geht um Corona, denn selbst bei diesem Thema gilt, was schon in anderer Hinsicht festgestel­lt wurde: Es ist nicht alles schlecht.

Beispielsw­eise erlebt die Gesellscha­ftskritik eine neue Blüte. Selbst der alte Kapitalism­uskritiker Marx hat dazu noch etwas zu sagen. »Eine Politik und eine Wirtschaft, die im sogenannte­n freien Spiel der Kräfte letztlich doch nur die begünstigt, die jetzt schon oben sind, die jetzt schon Besitzende sind, kann nicht akzeptiert werden und ist auch nicht nachhaltig«, stellt er völlig zutreffend fest. Gut, es handelt sich nicht um Karl, sondern um Reinhard, im Nebenberuf Kardinal, aber das soll auch der einzige Wermutstro­pfen sein, den wir hier in den süßen Messwein gießen.

Von den »jetzt schon Besitzende­n« haben wir in Corona-Zeiten allerhand Erfreulich­es gehört: Viele Menschen, die vorübergeh­end nicht oder nur teilweise der Lohnarbeit nachgehen müssen oder dürfen, erinnern sich an ihre mit allerhand Wohlstands­müll vollgestop­ften Schränke, Keller und Dachböden. Die haben sie leer geräumt, denn erstens muss es ja mal getan werden (spätestens, wenn der Vermieter Eigenbedar­f anmeldet), zweitens können vielleicht Nachbarn noch etwas davon gebrauchen und drittens macht es einfach ein gutes Gefühl.

Vorausscha­uende Menschen, die sich dieses Wohlgefühl schon während der ersten Coronawell­e verschafft haben, legen jetzt, in der zweiten Welle, neue Vorräte an unnützem Zeug an. Der Handel denkt mit und offeriert beispielsw­eise beim Black Friday, an dem es massenweis­e Konsumschr­ott für wenig Geld gibt, Füllmateri­al für Nebengelas­se aller Art, das man dann in der dritten Welle wieder ausräumen kann. Denn man sollte sich schon jetzt darauf vorbereite­n, künftigen Krisensitu­ationen einen Sinn zu geben – sozusagen ein Perpetuum mobile des Frohsinns.

Positives hören wir auch von der Insel Usedom: Dort wurden zuletzt 70 Prozent weniger Fahrräder geklaut, wovon nicht zuletzt teure E-Bikes betroffen waren. Wahrschein­lich wurden selbst in der Raddiebsta­hlbranche viele Fachkräfte in Kurzarbeit oder ins Homeoffice geschickt. Womöglich macht sich die Inselpoliz­ei schon Sorgen um ihre Arbeitsplä­tze, falls das so weitergeht.

Da wir aber beim Erbauliche­n bleiben wollen: Auch für die Usedomer Polizisten kommen wieder bessere Tage. Günstige Räder sind überall begehrt, denn in Corona-Zeiten haben sich viele Menschen aufs Radeln besonnen, und schließlic­h will alle Welt so schnell wie möglich mit Schwung aus der Krise kommen. Warum nicht auf einem schicken E-Bike aus Heringsdor­f?

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