Einig Krimi-Land
Aufblende, Augen, Fadenkreuz, Beine, psychedelische Linien, dann in wuchtiger serifenloser Schrift der Titel: »Tatort«. 30 Sekunden Markenkern – und das seit 50 Jahren. Am 29. November 1970 wurde die erste Folge »Taxi nach Leipzig« ausgestrahlt, mit dem Anspruch, gesamtdeutsches Fernsehen mit westdeutschen Produzenten zu machen. Berühmte Folgen wie »Nachtfrost« und »Reifezeugnis« oder legendäre Ermittler wie Goetz Georges Horst Schimanski, Manfred Krugs Paul Stoever und Ulrike Folkerts‘ Lena Odenthal begründeten den Ruf der Serie. Ebenso der lokale Bezug der Ermittlerteams – vom Münsteraner Blödel-»Tatort« bis zum morbiden Charme der Wiener Episoden. Seit über 1100 Folgen heißt es, wie Knut Elstermann schreibt, im Anschluss an die »Tagesschau« am Sonntagabend: »Deutschland einig Krimi-Land.«
So auch diese Woche mit dem ersten Teil der Jubiläumsfolge »In der Familie«, der zweite folgt am Sonntag darauf. Doch wer das Typische des »Tatort« sucht, hölzerne Dialoge, uninspirierte Kameraführung, plumper didaktischer Ansatz, könnte enttäuscht werden, allein die wie üblich moralisch und rechtlich äußerst fragwürdigen Ermittlungsmethoden garantieren in der Doppelfolge über die Mafia aus Kalabrien, in der das Münchner und das Dortmunder Team zusammentreffen, Wiedererkennbarkeit. Regie führten Dominik Graf und Pia Strietmann, die wissen, wie ein Fernsehkrimi geht. Die Kamera von Hendrik A. Kley und Florian Emmerich bringt einen Hauch US-amerikanischen Kinos mit und das Drehbuch von Bernd Lange hat Spannung und Figuren mit Tiefe und Tragik – eine kluge Selbstbefragung des Genres Polizeifilm statt eines Sieges des staatlichen Gewaltmonopols über die Gesellschaft.